Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das Näherrecht vor einem Frembden nach ihrer Ordnung.

Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen praestandis mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. - Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget.

Meine Wiederfortreise aus Halle

Ich hatte eine Muhme in Merseburg, die Frau Steuer-Sekretarien, welche zu Hofe wohl dran ware. Selbige rekommandieret mich bei dem Herzog und Herzogin. Zugleich hatte sie mit vorgeben: ich könnte ihr Kammermädgen, welches sie sehr lieb hatten, und bereits dreißig Jahr, aber wohl auf dreitausend Thaler zusammengebracht, heiraten.

Die Station war, alle Jahr zweihundert Thaler, ein Frei-Brauen, zwei Klaftern Holz, freie Wohnung und eine Frei-Barbierstube in Merseburg unter dem Prädikat als Hof- und Reise-Barbier. Denn ihren Hofbarbier, den alten Krantzen, wollten sie nicht abschaffen.

Ich nahm also diese Kondition an und kam nach Hofe. Ich muß gestehen, daß mich die Herrschaft und alle lieb und wert hielten.

Aber der alte Hofbarbier sahe mich nicht gerne und hatte die Geheimbten Räthe, als Brandtstein und Bünau, so viel zu sagen hatten, auf seiner Seite. Welche auch durchaus verhinderten, wie oft der Herzog und Herzogin

mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das Näherrecht vor einem Frembden nach ihrer Ordnung.

Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen praestandis mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. – Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget.

Meine Wiederfortreise aus Halle

Ich hatte eine Muhme in Merseburg, die Frau Steuer-Sekretarien, welche zu Hofe wohl dran ware. Selbige rekommandieret mich bei dem Herzog und Herzogin. Zugleich hatte sie mit vorgeben: ich könnte ihr Kammermädgen, welches sie sehr lieb hatten, und bereits dreißig Jahr, aber wohl auf dreitausend Thaler zusammengebracht, heiraten.

Die Station war, alle Jahr zweihundert Thaler, ein Frei-Brauen, zwei Klaftern Holz, freie Wohnung und eine Frei-Barbierstube in Merseburg unter dem Prädikat als Hof- und Reise-Barbier. Denn ihren Hofbarbier, den alten Krantzen, wollten sie nicht abschaffen.

Ich nahm also diese Kondition an und kam nach Hofe. Ich muß gestehen, daß mich die Herrschaft und alle lieb und wert hielten.

Aber der alte Hofbarbier sahe mich nicht gerne und hatte die Geheimbten Räthe, als Brandtstein und Bünau, so viel zu sagen hatten, auf seiner Seite. Welche auch durchaus verhinderten, wie oft der Herzog und Herzogin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0200"/>
mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das Näherrecht vor einem Frembden nach ihrer Ordnung.</p>
          <p>Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen <hi rendition="#aq">praestandis</hi> mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. &#x2013; Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget.</p>
        </div>
        <div n="1">
          <head>Meine Wiederfortreise aus Halle</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch hatte eine Muhme in Merseburg, die Frau Steuer-Sekretarien, welche zu Hofe wohl dran ware. Selbige rekommandieret mich bei dem Herzog und Herzogin. Zugleich hatte sie mit vorgeben: ich könnte ihr Kammermädgen, welches sie sehr lieb hatten, und bereits dreißig Jahr, aber wohl auf dreitausend Thaler zusammengebracht, heiraten.</p>
          <p>Die Station war, alle Jahr zweihundert Thaler, ein Frei-Brauen, zwei Klaftern Holz, freie Wohnung und eine Frei-Barbierstube in Merseburg unter dem Prädikat als Hof- und Reise-Barbier. Denn ihren Hofbarbier, den alten Krantzen, wollten sie nicht abschaffen.</p>
          <p>Ich nahm also diese Kondition an und kam nach Hofe. Ich muß gestehen, daß mich die Herrschaft und alle lieb und wert hielten.</p>
          <p>Aber der alte Hofbarbier sahe mich nicht gerne und hatte die Geheimbten Räthe, als Brandtstein und Bünau, so viel zu sagen hatten, auf seiner Seite. Welche auch durchaus verhinderten, wie oft der Herzog und Herzogin
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das Näherrecht vor einem Frembden nach ihrer Ordnung. Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen praestandis mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. – Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget. Meine Wiederfortreise aus Halle Ich hatte eine Muhme in Merseburg, die Frau Steuer-Sekretarien, welche zu Hofe wohl dran ware. Selbige rekommandieret mich bei dem Herzog und Herzogin. Zugleich hatte sie mit vorgeben: ich könnte ihr Kammermädgen, welches sie sehr lieb hatten, und bereits dreißig Jahr, aber wohl auf dreitausend Thaler zusammengebracht, heiraten. Die Station war, alle Jahr zweihundert Thaler, ein Frei-Brauen, zwei Klaftern Holz, freie Wohnung und eine Frei-Barbierstube in Merseburg unter dem Prädikat als Hof- und Reise-Barbier. Denn ihren Hofbarbier, den alten Krantzen, wollten sie nicht abschaffen. Ich nahm also diese Kondition an und kam nach Hofe. Ich muß gestehen, daß mich die Herrschaft und alle lieb und wert hielten. Aber der alte Hofbarbier sahe mich nicht gerne und hatte die Geheimbten Räthe, als Brandtstein und Bünau, so viel zu sagen hatten, auf seiner Seite. Welche auch durchaus verhinderten, wie oft der Herzog und Herzogin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/200
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/200>, abgerufen am 17.11.2024.