Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Particularinteressen, oder die Unterordnung derselben unter
allgemeine, höhere. Keine Bildungsanstalt, kein Vortrag,
keine Methode kann ersetzen, was in diesen wichtigsten Bezie-
hungen fehlt, was nur kommen kann vom allgemeinen Leben,
seinen Institutionen, seinem Geiste. Doch ich nenne Ein-
zelheiten
.

A.

1) Nur Solche werden zu Universitätslehrern berufen,
die sich anderwärts schon als Männer von Geist und Kraft
bewährt haben. Als Regel gilt: Vollendung des dreißigsten
Lebensjahres als Minimum. Wer selbst noch an Jahren und
Richtung ein Studiosus ist, kann Studenten nicht erziehen
(in dem oben dargestellten Sinne. Darum keine Verdrehung
der Ansicht wegen eines Wortes!)

2) Jeder Lehrer wird auf bestimmte Lehrfächer, in be-
stimmter Zeit zu behandeln, verpflichtet. Jenseits dieser Ver-
pflichtung beginnt der freie Spielraum, jedoch ebenfalls inner-
halb bestimmter Fachbegränzung.

3) Das Historische des Lehrstoffes wird den Studen-
ten gedruckt überliefert. (Zweckmäßig ist auch die gedruckte
Mittheilung eines kurzen Leitfadens des dogmatischen Gehalts,
Andeutungen, Fingerzeige u. s. w.)

4) Die vorherrschende Lehrmethode ist die dialogisch-
entwickelnde
. Unbedingt gilt sie in allem Rationellen.
Das Historische wird als bekannt vorausgesetzt, das äußerlich
Anschauliche wird (wie bisher) vorgezeigt.

5) Die Zahl der täglichen Lectionen, wozu ein Lehrer
verpflichtet wird, ist höchstens drei; sie gilt auch als Maxi-
mum
für den Studenten. Dieselben sind nicht zum passiven
Hören, nicht zum Heftschreiben, sondern zur Erlernung des
Selbstdenkens und Forschens auf der Universität.

mit Particularintereſſen, oder die Unterordnung derſelben unter
allgemeine, hoͤhere. Keine Bildungsanſtalt, kein Vortrag,
keine Methode kann erſetzen, was in dieſen wichtigſten Bezie-
hungen fehlt, was nur kommen kann vom allgemeinen Leben,
ſeinen Inſtitutionen, ſeinem Geiſte. Doch ich nenne Ein-
zelheiten
.

A.

1) Nur Solche werden zu Univerſitaͤtslehrern berufen,
die ſich anderwaͤrts ſchon als Maͤnner von Geiſt und Kraft
bewaͤhrt haben. Als Regel gilt: Vollendung des dreißigſten
Lebensjahres als Minimum. Wer ſelbſt noch an Jahren und
Richtung ein Studioſus iſt, kann Studenten nicht erziehen
(in dem oben dargeſtellten Sinne. Darum keine Verdrehung
der Anſicht wegen eines Wortes!)

2) Jeder Lehrer wird auf beſtimmte Lehrfaͤcher, in be-
ſtimmter Zeit zu behandeln, verpflichtet. Jenſeits dieſer Ver-
pflichtung beginnt der freie Spielraum, jedoch ebenfalls inner-
halb beſtimmter Fachbegraͤnzung.

3) Das Hiſtoriſche des Lehrſtoffes wird den Studen-
ten gedruckt uͤberliefert. (Zweckmaͤßig iſt auch die gedruckte
Mittheilung eines kurzen Leitfadens des dogmatiſchen Gehalts,
Andeutungen, Fingerzeige u. ſ. w.)

4) Die vorherrſchende Lehrmethode iſt die dialogiſch-
entwickelnde
. Unbedingt gilt ſie in allem Rationellen.
Das Hiſtoriſche wird als bekannt vorausgeſetzt, das aͤußerlich
Anſchauliche wird (wie bisher) vorgezeigt.

5) Die Zahl der taͤglichen Lectionen, wozu ein Lehrer
verpflichtet wird, iſt hoͤchſtens drei; ſie gilt auch als Maxi-
mum
fuͤr den Studenten. Dieſelben ſind nicht zum paſſiven
Hoͤren, nicht zum Heftſchreiben, ſondern zur Erlernung des
Selbſtdenkens und Forſchens auf der Univerſitaͤt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="74"/>
mit Particularintere&#x017F;&#x017F;en, oder die Unterordnung der&#x017F;elben unter<lb/>
allgemeine, ho&#x0364;here. Keine Bildungsan&#x017F;talt, kein Vortrag,<lb/>
keine Methode kann er&#x017F;etzen, was in die&#x017F;en wichtig&#x017F;ten Bezie-<lb/>
hungen fehlt, was nur kommen kann vom allgemeinen Leben,<lb/>
&#x017F;einen In&#x017F;titutionen, &#x017F;einem Gei&#x017F;te. Doch ich nenne <hi rendition="#g">Ein-<lb/>
zelheiten</hi>.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">A.</hi> </head><lb/>
          <p>1) Nur Solche werden zu Univer&#x017F;ita&#x0364;tslehrern berufen,<lb/>
die &#x017F;ich <hi rendition="#g">anderwa&#x0364;rts</hi> &#x017F;chon als Ma&#x0364;nner von Gei&#x017F;t und Kraft<lb/>
bewa&#x0364;hrt haben. Als Regel gilt: Vollendung des dreißig&#x017F;ten<lb/>
Lebensjahres als <hi rendition="#aq">Minimum.</hi> Wer &#x017F;elb&#x017F;t noch an Jahren und<lb/>
Richtung ein Studio&#x017F;us i&#x017F;t, kann Studenten nicht <hi rendition="#g">erziehen</hi><lb/>
(in dem oben darge&#x017F;tellten Sinne. Darum keine Verdrehung<lb/>
der An&#x017F;icht wegen eines Wortes!)</p><lb/>
          <p>2) Jeder Lehrer wird auf be&#x017F;timmte Lehrfa&#x0364;cher, in be-<lb/>
&#x017F;timmter Zeit zu behandeln, verpflichtet. Jen&#x017F;eits die&#x017F;er Ver-<lb/>
pflichtung beginnt der freie Spielraum, jedoch ebenfalls inner-<lb/>
halb be&#x017F;timmter Fachbegra&#x0364;nzung.</p><lb/>
          <p>3) Das <hi rendition="#g">Hi&#x017F;tori&#x017F;che</hi> des Lehr&#x017F;toffes wird den Studen-<lb/>
ten gedruckt u&#x0364;berliefert. (Zweckma&#x0364;ßig i&#x017F;t auch die gedruckte<lb/>
Mittheilung eines kurzen Leitfadens des dogmati&#x017F;chen Gehalts,<lb/>
Andeutungen, Fingerzeige u. &#x017F;. w.)</p><lb/>
          <p>4) Die vorherr&#x017F;chende Lehrmethode i&#x017F;t die <hi rendition="#g">dialogi&#x017F;ch-<lb/>
entwickelnde</hi>. Unbedingt gilt &#x017F;ie in allem Rationellen.<lb/>
Das Hi&#x017F;tori&#x017F;che wird als bekannt vorausge&#x017F;etzt, das a&#x0364;ußerlich<lb/>
An&#x017F;chauliche wird (wie bisher) vorgezeigt.</p><lb/>
          <p>5) Die Zahl der ta&#x0364;glichen Lectionen, wozu ein Lehrer<lb/>
verpflichtet wird, i&#x017F;t ho&#x0364;ch&#x017F;tens drei; &#x017F;ie gilt auch als <hi rendition="#aq">Maxi-<lb/>
mum</hi> fu&#x0364;r den Studenten. Die&#x017F;elben &#x017F;ind nicht zum pa&#x017F;&#x017F;iven<lb/>
Ho&#x0364;ren, nicht zum Heft&#x017F;chreiben, &#x017F;ondern zur Erlernung des<lb/>
Selb&#x017F;tdenkens und For&#x017F;chens auf der Univer&#x017F;ita&#x0364;t.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0092] mit Particularintereſſen, oder die Unterordnung derſelben unter allgemeine, hoͤhere. Keine Bildungsanſtalt, kein Vortrag, keine Methode kann erſetzen, was in dieſen wichtigſten Bezie- hungen fehlt, was nur kommen kann vom allgemeinen Leben, ſeinen Inſtitutionen, ſeinem Geiſte. Doch ich nenne Ein- zelheiten. A. 1) Nur Solche werden zu Univerſitaͤtslehrern berufen, die ſich anderwaͤrts ſchon als Maͤnner von Geiſt und Kraft bewaͤhrt haben. Als Regel gilt: Vollendung des dreißigſten Lebensjahres als Minimum. Wer ſelbſt noch an Jahren und Richtung ein Studioſus iſt, kann Studenten nicht erziehen (in dem oben dargeſtellten Sinne. Darum keine Verdrehung der Anſicht wegen eines Wortes!) 2) Jeder Lehrer wird auf beſtimmte Lehrfaͤcher, in be- ſtimmter Zeit zu behandeln, verpflichtet. Jenſeits dieſer Ver- pflichtung beginnt der freie Spielraum, jedoch ebenfalls inner- halb beſtimmter Fachbegraͤnzung. 3) Das Hiſtoriſche des Lehrſtoffes wird den Studen- ten gedruckt uͤberliefert. (Zweckmaͤßig iſt auch die gedruckte Mittheilung eines kurzen Leitfadens des dogmatiſchen Gehalts, Andeutungen, Fingerzeige u. ſ. w.) 4) Die vorherrſchende Lehrmethode iſt die dialogiſch- entwickelnde. Unbedingt gilt ſie in allem Rationellen. Das Hiſtoriſche wird als bekannt vorausgeſetzt, das aͤußerlich Anſchauliche wird (wie bisher) vorgezeigt. 5) Die Zahl der taͤglichen Lectionen, wozu ein Lehrer verpflichtet wird, iſt hoͤchſtens drei; ſie gilt auch als Maxi- mum fuͤr den Studenten. Dieſelben ſind nicht zum paſſiven Hoͤren, nicht zum Heftſchreiben, ſondern zur Erlernung des Selbſtdenkens und Forſchens auf der Univerſitaͤt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/92
Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/92>, abgerufen am 21.11.2024.