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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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denselben auf seinen Grabstein zu setzen, ja noch mehr, das
Bild dieses Grabsteines samt dem Bilde Luthers mit dem-
selben Verse einer lutherischen Bibel einzuverleiben! Diese
anmaßende Prophezie: "Einst im Leben Dir Pest, werd ich
sein Dein Ende im Grabe."

Kein Protestant kann es den Katholiken demnach übel-
nehmen wollen, wenn dieser das Evangelium Luthers als
eine Pest bezeichnet. Luther selbst hat diesen Titel sich zur
Ehre gerechnet mit sichtbarem Stolze.

Jn der in Frage stehenden Nürnberger Bibelausgabe
Luthers, welche mit vielen Holzschnitten und sechs figurierten
Titelblättern geschmückt ist, befindet sich also Luthers Bildnis,
wie es in Wittenberg auf seinem Grabdenkmal dargestellt
worden ist. Darunter ein Epigramm von H. Osius.

"Haec erat effigies operose facta Luthero,
Possit ut ad cineres ejus habere locum1)."
"Das war das Bild mit Fleiß Luther errichtet,
Damit es seinen Platz finde an dessen Grabe."

Zu welchen Albernheiten indes Luthers Anhänger geneigt
waren, dafür liefert dieselbe Bibelausgabe auf einem der Titel-
bilder einen interessanten Beweis. Mit großer Vorliebe haben
die Prediger2) im XVI. und XVII. Jahrhundert ein Märchen
auf die Kanzel gebracht und verwertet, des Jnhaltes, daß
Kurfürst Friedrich von Sachsen in der Nacht vor dem Thesen-
Anschlag Luthers dreimal denselben wunderbaren Traum ge-
habt habe. Er sah nämlich, wie ein Mönch mit einer wun-
derbaren Riesenfeder eifrig schrieb, die so groß war, daß sie

1) Gedruckt und verlegt durch Joh. Andreä sel. Söhne. Ohne
Jahreszahl.
2) Ditrich zu Ulm in seiner "Traumpredigt" 1625.

denſelben auf ſeinen Grabſtein zu ſetzen, ja noch mehr, das
Bild dieſes Grabſteines ſamt dem Bilde Luthers mit dem-
ſelben Verſe einer lutheriſchen Bibel einzuverleiben! Dieſe
anmaßende Prophezie: „Einſt im Leben Dir Peſt, werd ich
ſein Dein Ende im Grabe.‟

Kein Proteſtant kann es den Katholiken demnach übel-
nehmen wollen, wenn dieſer das Evangelium Luthers als
eine Peſt bezeichnet. Luther ſelbſt hat dieſen Titel ſich zur
Ehre gerechnet mit ſichtbarem Stolze.

Jn der in Frage ſtehenden Nürnberger Bibelausgabe
Luthers, welche mit vielen Holzſchnitten und ſechs figurierten
Titelblättern geſchmückt iſt, befindet ſich alſo Luthers Bildnis,
wie es in Wittenberg auf ſeinem Grabdenkmal dargeſtellt
worden iſt. Darunter ein Epigramm von H. Oſius.

„Haec erat effigies operose facta Luthero,
Possit ut ad cineres ejus habere locum1).‟
„Das war das Bild mit Fleiß Luther errichtet,
Damit es ſeinen Platz finde an deſſen Grabe.‟

Zu welchen Albernheiten indes Luthers Anhänger geneigt
waren, dafür liefert dieſelbe Bibelausgabe auf einem der Titel-
bilder einen intereſſanten Beweis. Mit großer Vorliebe haben
die Prediger2) im XVI. und XVII. Jahrhundert ein Märchen
auf die Kanzel gebracht und verwertet, des Jnhaltes, daß
Kurfürſt Friedrich von Sachſen in der Nacht vor dem Theſen-
Anſchlag Luthers dreimal denſelben wunderbaren Traum ge-
habt habe. Er ſah nämlich, wie ein Mönch mit einer wun-
derbaren Rieſenfeder eifrig ſchrieb, die ſo groß war, daß ſie

1) Gedruckt und verlegt durch Joh. Andreä ſel. Söhne. Ohne
Jahreszahl.
2) Ditrich zu Ulm in ſeiner „Traumpredigt‟ 1625.
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[29/0041] denſelben auf ſeinen Grabſtein zu ſetzen, ja noch mehr, das Bild dieſes Grabſteines ſamt dem Bilde Luthers mit dem- ſelben Verſe einer lutheriſchen Bibel einzuverleiben! Dieſe anmaßende Prophezie: „Einſt im Leben Dir Peſt, werd ich ſein Dein Ende im Grabe.‟ Kein Proteſtant kann es den Katholiken demnach übel- nehmen wollen, wenn dieſer das Evangelium Luthers als eine Peſt bezeichnet. Luther ſelbſt hat dieſen Titel ſich zur Ehre gerechnet mit ſichtbarem Stolze. Jn der in Frage ſtehenden Nürnberger Bibelausgabe Luthers, welche mit vielen Holzſchnitten und ſechs figurierten Titelblättern geſchmückt iſt, befindet ſich alſo Luthers Bildnis, wie es in Wittenberg auf ſeinem Grabdenkmal dargeſtellt worden iſt. Darunter ein Epigramm von H. Oſius. „Haec erat effigies operose facta Luthero, Possit ut ad cineres ejus habere locum 1).‟ „Das war das Bild mit Fleiß Luther errichtet, Damit es ſeinen Platz finde an deſſen Grabe.‟ Zu welchen Albernheiten indes Luthers Anhänger geneigt waren, dafür liefert dieſelbe Bibelausgabe auf einem der Titel- bilder einen intereſſanten Beweis. Mit großer Vorliebe haben die Prediger 2) im XVI. und XVII. Jahrhundert ein Märchen auf die Kanzel gebracht und verwertet, des Jnhaltes, daß Kurfürſt Friedrich von Sachſen in der Nacht vor dem Theſen- Anſchlag Luthers dreimal denſelben wunderbaren Traum ge- habt habe. Er ſah nämlich, wie ein Mönch mit einer wun- derbaren Rieſenfeder eifrig ſchrieb, die ſo groß war, daß ſie 1) Gedruckt und verlegt durch Joh. Andreä ſel. Söhne. Ohne Jahreszahl. 2) Ditrich zu Ulm in ſeiner „Traumpredigt‟ 1625.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/41>, abgerufen am 26.04.2024.