selbe aus festen oder flüssigen Körpern, wie z. B. einem Aufgusse von rohem Fleisch, Milch oder einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak herrühren, so wird es schnell absorbirt; und die Drüsen, welche vorher klar und von einer grünlichen Färbung waren, werden bräunlich und enthalten Massen von zusammengeballter granulirter Substanz. Nach ihrer freiwilligen Bewegung zu urtheilen, besteht diese Substanz ohne Zweifel aus Protoplasma. Durch die Einwirkung nichtstickstoffhalti- ger Flüssigkeiten wird keine solche Wirkung hervorgebracht. Nach- dem die Drüsen gereizt worden sind, reichlich abzusondern, hören sie eine Zeit lang zu secreniren auf, fangen aber im Laufe weniger Tage wieder an.
Drüsen in Berührung mit Pollen, mit den Blättern anderer Pflan- zen und mit verschiedenen Arten von Samen ergieszen viel saures Secret und absorbiren nachher Substanz, wahrscheinlich von einer eiweiszartigen Natur, aus ihnen. Es kann auch der dadurch erlangte Vortheil nicht bedeutungslos sein; denn es musz eine beträchtliche Menge Pollen von den vielen durch den Wind befruchteten Ried- gräsern, Gräsern u. s. w., welche da wo Pinguicula lebt wachsen, auf die dicht mit klebrigen Drüsen besetzten und grosze Rosetten bilden- den Blätter geweht werden. Selbst einige wenige Körner Pollen auf einer einzelnen Drüse bewirken, dasz diese reichlich absondert. Wir haben auch gesehen, wie häufig die kleinen Blätter der Erica tetralix und anderer Pflanzen, ebenso wie verschiedene Arten von Samen und Früchten, besonders von Carex an den Blättern hängen. Ein einzel- nes Blatt der Pinguicula hatte zehn von den kleinen Blättern der Erica gefangen; und drei Blätter an der nämlichen Pflanze hatten jedes einen Samen gefangen. Samen, welche der Einwirkung des Se- crets ausgesetzt werden, werden zuweilen getödtet oder die Sämlinge verletzt. Wir können daher schlieszen, dasz Pinguicula vulgaris mit ihren kleinen Wurzeln nicht blosz in einem hohen Grade durch die auszerordentliche Anzahl von Insecten erhalten wird, welche sie ge- wöhnlich fängt, sondern gleichfalls etwas Nahrung aus dem Pollen, den Blättern und Samen anderer Pflanzen zieht, welche häufig ihren Blättern anhängen. Sie ist daher zum Theil ein Pflanzenfresser, zum Theil ein Fleischfresser.
Pinguicula grandiflora.
Diese Species ist mit der letztgeschilderten so nahe verwandt, dasz sie von Dr. Hooker nur als eine Unterart classificirt wird. Sie
Pinguicula vulgaris. Cap. 16.
selbe aus festen oder flüssigen Körpern, wie z. B. einem Aufgusse von rohem Fleisch, Milch oder einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak herrühren, so wird es schnell absorbirt; und die Drüsen, welche vorher klar und von einer grünlichen Färbung waren, werden bräunlich und enthalten Massen von zusammengeballter granulirter Substanz. Nach ihrer freiwilligen Bewegung zu urtheilen, besteht diese Substanz ohne Zweifel aus Protoplasma. Durch die Einwirkung nichtstickstoffhalti- ger Flüssigkeiten wird keine solche Wirkung hervorgebracht. Nach- dem die Drüsen gereizt worden sind, reichlich abzusondern, hören sie eine Zeit lang zu secreniren auf, fangen aber im Laufe weniger Tage wieder an.
Drüsen in Berührung mit Pollen, mit den Blättern anderer Pflan- zen und mit verschiedenen Arten von Samen ergieszen viel saures Secret und absorbiren nachher Substanz, wahrscheinlich von einer eiweiszartigen Natur, aus ihnen. Es kann auch der dadurch erlangte Vortheil nicht bedeutungslos sein; denn es musz eine beträchtliche Menge Pollen von den vielen durch den Wind befruchteten Ried- gräsern, Gräsern u. s. w., welche da wo Pinguicula lebt wachsen, auf die dicht mit klebrigen Drüsen besetzten und grosze Rosetten bilden- den Blätter geweht werden. Selbst einige wenige Körner Pollen auf einer einzelnen Drüse bewirken, dasz diese reichlich absondert. Wir haben auch gesehen, wie häufig die kleinen Blätter der Erica tetralix und anderer Pflanzen, ebenso wie verschiedene Arten von Samen und Früchten, besonders von Carex an den Blättern hängen. Ein einzel- nes Blatt der Pinguicula hatte zehn von den kleinen Blättern der Erica gefangen; und drei Blätter an der nämlichen Pflanze hatten jedes einen Samen gefangen. Samen, welche der Einwirkung des Se- crets ausgesetzt werden, werden zuweilen getödtet oder die Sämlinge verletzt. Wir können daher schlieszen, dasz Pinguicula vulgaris mit ihren kleinen Wurzeln nicht blosz in einem hohen Grade durch die auszerordentliche Anzahl von Insecten erhalten wird, welche sie ge- wöhnlich fängt, sondern gleichfalls etwas Nahrung aus dem Pollen, den Blättern und Samen anderer Pflanzen zieht, welche häufig ihren Blättern anhängen. Sie ist daher zum Theil ein Pflanzenfresser, zum Theil ein Fleischfresser.
Pinguicula grandiflora.
Diese Species ist mit der letztgeschilderten so nahe verwandt, dasz sie von Dr. Hooker nur als eine Unterart classificirt wird. Sie
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[352/0366]
Pinguicula vulgaris. Cap. 16.
selbe aus festen oder flüssigen Körpern, wie z. B. einem Aufgusse von
rohem Fleisch, Milch oder einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak
herrühren, so wird es schnell absorbirt; und die Drüsen, welche vorher
klar und von einer grünlichen Färbung waren, werden bräunlich und
enthalten Massen von zusammengeballter granulirter Substanz. Nach
ihrer freiwilligen Bewegung zu urtheilen, besteht diese Substanz ohne
Zweifel aus Protoplasma. Durch die Einwirkung nichtstickstoffhalti-
ger Flüssigkeiten wird keine solche Wirkung hervorgebracht. Nach-
dem die Drüsen gereizt worden sind, reichlich abzusondern, hören sie
eine Zeit lang zu secreniren auf, fangen aber im Laufe weniger Tage
wieder an.
Drüsen in Berührung mit Pollen, mit den Blättern anderer Pflan-
zen und mit verschiedenen Arten von Samen ergieszen viel saures
Secret und absorbiren nachher Substanz, wahrscheinlich von einer
eiweiszartigen Natur, aus ihnen. Es kann auch der dadurch erlangte
Vortheil nicht bedeutungslos sein; denn es musz eine beträchtliche
Menge Pollen von den vielen durch den Wind befruchteten Ried-
gräsern, Gräsern u. s. w., welche da wo Pinguicula lebt wachsen, auf
die dicht mit klebrigen Drüsen besetzten und grosze Rosetten bilden-
den Blätter geweht werden. Selbst einige wenige Körner Pollen auf
einer einzelnen Drüse bewirken, dasz diese reichlich absondert. Wir
haben auch gesehen, wie häufig die kleinen Blätter der Erica tetralix
und anderer Pflanzen, ebenso wie verschiedene Arten von Samen und
Früchten, besonders von Carex an den Blättern hängen. Ein einzel-
nes Blatt der Pinguicula hatte zehn von den kleinen Blättern der
Erica gefangen; und drei Blätter an der nämlichen Pflanze hatten
jedes einen Samen gefangen. Samen, welche der Einwirkung des Se-
crets ausgesetzt werden, werden zuweilen getödtet oder die Sämlinge
verletzt. Wir können daher schlieszen, dasz Pinguicula vulgaris mit
ihren kleinen Wurzeln nicht blosz in einem hohen Grade durch die
auszerordentliche Anzahl von Insecten erhalten wird, welche sie ge-
wöhnlich fängt, sondern gleichfalls etwas Nahrung aus dem Pollen,
den Blättern und Samen anderer Pflanzen zieht, welche häufig ihren
Blättern anhängen. Sie ist daher zum Theil ein Pflanzenfresser, zum
Theil ein Fleischfresser.
Pinguicula grandiflora.
Diese Species ist mit der letztgeschilderten so nahe verwandt,
dasz sie von Dr. Hooker nur als eine Unterart classificirt wird. Sie
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/366>, abgerufen am 03.07.2024.
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