Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Policey-Wissenschaft 2 Abschnitt,
den, wenn er Geschicklichkeit genug besitzet, sich zu
ernähren, und durch seine Beschäftigungen auch an-
dern Gelegenheit geben kann, etwas zu erwerben. Je
größer demnach diese Geschicklichkeit, und je fruchtbarer
sie sich bey dem beweiset, daß sich andere in einem
Staate reichlich ernähren können, desto besser ist er
nach dem Urtheile der Policey gebildet worden.

§. 60.
Diese zu
erhalten, hat
man auf
zwey Stükke
zu sehen.

Die gröste Geschiklichkeit beweiset sich insgemein in
dem lezten Falle unfruchtbar, wenn nicht das Herz
des Menschen moralisch ist. Man wird uns fragen,
emmahl: was heist dieß? und fürs andere: war-
um wird es erfodert? Die Beantwortung der ersten
Frage ist diese: das Herz des Menschen ist alsdenn
moralisch, wenn es im Ernste bemühet ist, die Anwen-
dungen seiner Gesch klichkeit nicht nach seinem eigenen
Nutzen, sondern nach der Wohlfarth des Ganzen, worin
er lebet, abzumessen. Wenn man es verstehet, was
die Tugend ist, und wie die Sitten-Lehre einen Men-
schen bildet, so wird man uns diesen Vegriff, ohne
ferner einen Beweiß zu fodern, verwilligen.

§. 61.
Die Noth-
wendigkeit
des ersten.

Jst das Herz des Menschen nicht moralisch, so fehlet
ihm die Lust auch mit einigen Unbequemlichkeiten die
Wohlfarth anderer zu besorgen. Er ist ein Ganzes,
und die Wohlfarth seiner Mitbürger ist ihm so ange-
nehm als deren Untergang, wenn er beydes anwenden
kann, seinen eigenen Nutzen zu besorgen. Dieß
beantwortet die andere Frage, die wir §. 60. aufge-
worfen haben.

Daher die
Schulen in
allgemeine
und besonde-
re zu ver-theiten.
§. 62.

Dieß ist genug zu beweisen, es müsse die Policey
bey der Einrichtung der Schulen allemal eine gedop-

pelte

Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,
den, wenn er Geſchicklichkeit genug beſitzet, ſich zu
ernaͤhren, und durch ſeine Beſchaͤftigungen auch an-
dern Gelegenheit geben kann, etwas zu erwerben. Je
groͤßer demnach dieſe Geſchicklichkeit, und je fruchtbarer
ſie ſich bey dem beweiſet, daß ſich andere in einem
Staate reichlich ernaͤhren koͤnnen, deſto beſſer iſt er
nach dem Urtheile der Policey gebildet worden.

§. 60.
Dieſe zu
erhalten, hat
man auf
zwey Stuͤkke
zu ſehen.

Die groͤſte Geſchiklichkeit beweiſet ſich insgemein in
dem lezten Falle unfruchtbar, wenn nicht das Herz
des Menſchen moraliſch iſt. Man wird uns fragen,
emmahl: was heiſt dieß? und fuͤrs andere: war-
um wird es erfodert? Die Beantwortung der erſten
Frage iſt dieſe: das Herz des Menſchen iſt alsdenn
moraliſch, wenn es im Ernſte bemuͤhet iſt, die Anwen-
dungen ſeiner Geſch klichkeit nicht nach ſeinem eigenen
Nutzen, ſondern nach der Wohlfarth des Ganzen, worin
er lebet, abzumeſſen. Wenn man es verſtehet, was
die Tugend iſt, und wie die Sitten-Lehre einen Men-
ſchen bildet, ſo wird man uns dieſen Vegriff, ohne
ferner einen Beweiß zu fodern, verwilligen.

§. 61.
Die Noth-
wendigkeit
des erſten.

Jſt das Herz des Menſchen nicht moraliſch, ſo fehlet
ihm die Luſt auch mit einigen Unbequemlichkeiten die
Wohlfarth anderer zu beſorgen. Er iſt ein Ganzes,
und die Wohlfarth ſeiner Mitbuͤrger iſt ihm ſo ange-
nehm als deren Untergang, wenn er beydes anwenden
kann, ſeinen eigenen Nutzen zu beſorgen. Dieß
beantwortet die andere Frage, die wir §. 60. aufge-
worfen haben.

Daher die
Schulen in
allgemeine
und beſonde-
re zu ver-theiten.
§. 62.

Dieß iſt genug zu beweiſen, es muͤſſe die Policey
bey der Einrichtung der Schulen allemal eine gedop-

pelte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0446" n="426"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Policey-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft 2 Ab&#x017F;chnitt,</hi></fw><lb/>
den, wenn er Ge&#x017F;chicklichkeit genug be&#x017F;itzet, &#x017F;ich zu<lb/>
erna&#x0364;hren, und durch &#x017F;eine Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen auch an-<lb/>
dern Gelegenheit geben kann, etwas zu erwerben. Je<lb/>
gro&#x0364;ßer demnach die&#x017F;e Ge&#x017F;chicklichkeit, und je fruchtbarer<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich bey dem bewei&#x017F;et, daß &#x017F;ich andere in einem<lb/>
Staate reichlich erna&#x0364;hren ko&#x0364;nnen, de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t er<lb/>
nach dem Urtheile der Policey gebildet worden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 60.</head><lb/>
              <note place="left">Die&#x017F;e zu<lb/>
erhalten, hat<lb/>
man auf<lb/>
zwey Stu&#x0364;kke<lb/>
zu &#x017F;ehen.</note>
              <p>Die gro&#x0364;&#x017F;te Ge&#x017F;chiklichkeit bewei&#x017F;et &#x017F;ich insgemein in<lb/>
dem lezten Falle unfruchtbar, wenn nicht das Herz<lb/>
des Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">morali&#x017F;ch</hi> i&#x017F;t. Man wird uns fragen,<lb/><hi rendition="#fr">emmahl:</hi> was hei&#x017F;t dieß? und <hi rendition="#fr">fu&#x0364;rs andere:</hi> war-<lb/>
um wird es erfodert? Die Beantwortung der er&#x017F;ten<lb/>
Frage i&#x017F;t die&#x017F;e: das Herz des Men&#x017F;chen i&#x017F;t alsdenn<lb/>
morali&#x017F;ch, wenn es im Ern&#x017F;te bemu&#x0364;het i&#x017F;t, die Anwen-<lb/>
dungen &#x017F;einer Ge&#x017F;ch klichkeit nicht nach &#x017F;einem eigenen<lb/>
Nutzen, &#x017F;ondern nach der Wohlfarth des Ganzen, worin<lb/>
er lebet, abzume&#x017F;&#x017F;en. Wenn man es ver&#x017F;tehet, was<lb/>
die Tugend i&#x017F;t, und wie die Sitten-Lehre einen Men-<lb/>
&#x017F;chen bildet, &#x017F;o wird man uns die&#x017F;en Vegriff, ohne<lb/>
ferner einen Beweiß zu fodern, verwilligen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 61.</head><lb/>
              <note place="left">Die Noth-<lb/>
wendigkeit<lb/>
des er&#x017F;ten.</note>
              <p>J&#x017F;t das Herz des Men&#x017F;chen nicht morali&#x017F;ch, &#x017F;o fehlet<lb/>
ihm die Lu&#x017F;t auch mit einigen Unbequemlichkeiten die<lb/>
Wohlfarth anderer zu be&#x017F;orgen. Er i&#x017F;t ein Ganzes,<lb/>
und die Wohlfarth &#x017F;einer Mitbu&#x0364;rger i&#x017F;t ihm &#x017F;o ange-<lb/>
nehm als deren Untergang, wenn er beydes anwenden<lb/>
kann, &#x017F;einen eigenen Nutzen zu be&#x017F;orgen. Dieß<lb/>
beantwortet die andere Frage, die wir §. 60. aufge-<lb/>
worfen haben.</p><lb/>
              <note place="left">Daher die<lb/>
Schulen in<lb/>
allgemeine<lb/>
und be&#x017F;onde-<lb/>
re zu ver-theiten.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 62.</head><lb/>
              <p>Dieß i&#x017F;t genug zu bewei&#x017F;en, es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die Policey<lb/>
bey der Einrichtung der Schulen allemal eine gedop-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pelte</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0446] Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt, den, wenn er Geſchicklichkeit genug beſitzet, ſich zu ernaͤhren, und durch ſeine Beſchaͤftigungen auch an- dern Gelegenheit geben kann, etwas zu erwerben. Je groͤßer demnach dieſe Geſchicklichkeit, und je fruchtbarer ſie ſich bey dem beweiſet, daß ſich andere in einem Staate reichlich ernaͤhren koͤnnen, deſto beſſer iſt er nach dem Urtheile der Policey gebildet worden. §. 60. Die groͤſte Geſchiklichkeit beweiſet ſich insgemein in dem lezten Falle unfruchtbar, wenn nicht das Herz des Menſchen moraliſch iſt. Man wird uns fragen, emmahl: was heiſt dieß? und fuͤrs andere: war- um wird es erfodert? Die Beantwortung der erſten Frage iſt dieſe: das Herz des Menſchen iſt alsdenn moraliſch, wenn es im Ernſte bemuͤhet iſt, die Anwen- dungen ſeiner Geſch klichkeit nicht nach ſeinem eigenen Nutzen, ſondern nach der Wohlfarth des Ganzen, worin er lebet, abzumeſſen. Wenn man es verſtehet, was die Tugend iſt, und wie die Sitten-Lehre einen Men- ſchen bildet, ſo wird man uns dieſen Vegriff, ohne ferner einen Beweiß zu fodern, verwilligen. §. 61. Jſt das Herz des Menſchen nicht moraliſch, ſo fehlet ihm die Luſt auch mit einigen Unbequemlichkeiten die Wohlfarth anderer zu beſorgen. Er iſt ein Ganzes, und die Wohlfarth ſeiner Mitbuͤrger iſt ihm ſo ange- nehm als deren Untergang, wenn er beydes anwenden kann, ſeinen eigenen Nutzen zu beſorgen. Dieß beantwortet die andere Frage, die wir §. 60. aufge- worfen haben. §. 62. Dieß iſt genug zu beweiſen, es muͤſſe die Policey bey der Einrichtung der Schulen allemal eine gedop- pelte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/446
Zitationshilfe: Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/446>, abgerufen am 13.11.2024.