Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Policey-Wissenschaft 1 Abschnitt,
§. 14.
Policey-Ge-
setze schren-
ken die na-
türliche
Freyheit ein.

Alle Policey Gesetze setzen unserer natürlichen
Freyheit einige Grenzen.
Aus dem Rechte der
Natur ist es bekannt, daß unsere natürliche Freyheit
in diesem bestehet, daß wir alles dasjenige thun und
unterlassen können, was uns die Vernunft weder ge-
bothen noch verbothen, das ist, was nach der Vernunft
erlaubt ist. Was uns demnach diese Unternehmung
gebiethet oder verbiethet, das setzet unserer natürli-
chen Freyheit einige Grenzen. Die Policey-Gesetze
beschäftigen sich mit diesen Dingen. Sie gebiethen
oder verbiethen uns dieß, was uns nach der Natur
erlaubt ist, (§. 5). Folglich behaupten wir es mit
Grunde, daß die Policey-Gesetze unserer natürlichen
Freyheit einige Grenzen setzen.

§. 15.
Würkungen
von diesem.

Man untersuche die Leidenschaften der Menschen.
Man untersuche diese nicht noch den Begriffen, son-
dern so, wie sie da sind, und man wird es mir bald
verwilligen, daß es dem grösten Haufen der Men-
schen verdrüßlich ist, wenn seiner natürlichen Freyheit
einige Grenzen gesetzet werden. Es wird ihm schwer,
dasjenige zu unterlassen, wozu er, wie er es glaubet,
nach seiner natürlichen Freyheit berechtiget ist. Wird
ihm das gebothen was er nach seiner natürlichen Frey-
heit freywillig würde gerne gethan haben, so wird es
ihm jetzo eine Lust, weil er es thun muß. Die Poli-
cey-Gesetze setzen der natürlichen Freyheit einige Gren-
zen, (§. 14). Was kann nun diese Leidenschaft der
Menschen sehr leicht alsdenn würken, wenn Policey-
Gesetze gegeben werden?

§. 16.
Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,
§. 14.
Policey-Ge-
ſetze ſchren-
ken die na-
tuͤrliche
Freyheit ein.

Alle Policey Geſetze ſetzen unſerer natuͤrlichen
Freyheit einige Grenzen.
Aus dem Rechte der
Natur iſt es bekannt, daß unſere natuͤrliche Freyheit
in dieſem beſtehet, daß wir alles dasjenige thun und
unterlaſſen koͤnnen, was uns die Vernunft weder ge-
bothen noch verbothen, das iſt, was nach der Vernunft
erlaubt iſt. Was uns demnach dieſe Unternehmung
gebiethet oder verbiethet, das ſetzet unſerer natuͤrli-
chen Freyheit einige Grenzen. Die Policey-Geſetze
beſchaͤftigen ſich mit dieſen Dingen. Sie gebiethen
oder verbiethen uns dieß, was uns nach der Natur
erlaubt iſt, (§. 5). Folglich behaupten wir es mit
Grunde, daß die Policey-Geſetze unſerer natuͤrlichen
Freyheit einige Grenzen ſetzen.

§. 15.
Wuͤrkungen
von dieſem.

Man unterſuche die Leidenſchaften der Menſchen.
Man unterſuche dieſe nicht noch den Begriffen, ſon-
dern ſo, wie ſie da ſind, und man wird es mir bald
verwilligen, daß es dem groͤſten Haufen der Men-
ſchen verdruͤßlich iſt, wenn ſeiner natuͤrlichen Freyheit
einige Grenzen geſetzet werden. Es wird ihm ſchwer,
dasjenige zu unterlaſſen, wozu er, wie er es glaubet,
nach ſeiner natuͤrlichen Freyheit berechtiget iſt. Wird
ihm das gebothen was er nach ſeiner natuͤrlichen Frey-
heit freywillig wuͤrde gerne gethan haben, ſo wird es
ihm jetzo eine Luſt, weil er es thun muß. Die Poli-
cey-Geſetze ſetzen der natuͤrlichen Freyheit einige Gren-
zen, (§. 14). Was kann nun dieſe Leidenſchaft der
Menſchen ſehr leicht alsdenn wuͤrken, wenn Policey-
Geſetze gegeben werden?

§. 16.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0420" n="400"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Policey-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft 1 Ab&#x017F;chnitt,</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 14.</head><lb/>
            <note place="left">Policey-Ge-<lb/>
&#x017F;etze &#x017F;chren-<lb/>
ken die na-<lb/>
tu&#x0364;rliche<lb/>
Freyheit ein.</note>
            <p><hi rendition="#fr">Alle Policey Ge&#x017F;etze &#x017F;etzen un&#x017F;erer natu&#x0364;rlichen<lb/>
Freyheit einige Grenzen.</hi> Aus dem Rechte der<lb/>
Natur i&#x017F;t es bekannt, daß un&#x017F;ere natu&#x0364;rliche Freyheit<lb/>
in die&#x017F;em be&#x017F;tehet, daß wir alles dasjenige thun und<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, was uns die Vernunft weder ge-<lb/>
bothen noch verbothen, das i&#x017F;t, was nach der Vernunft<lb/>
erlaubt i&#x017F;t. Was uns demnach die&#x017F;e Unternehmung<lb/>
gebiethet oder verbiethet, das &#x017F;etzet un&#x017F;erer natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Freyheit einige Grenzen. Die Policey-Ge&#x017F;etze<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigen &#x017F;ich mit die&#x017F;en Dingen. Sie gebiethen<lb/>
oder verbiethen uns dieß, was uns nach der Natur<lb/>
erlaubt i&#x017F;t, (§. 5). Folglich behaupten wir es mit<lb/>
Grunde, daß die Policey-Ge&#x017F;etze un&#x017F;erer natu&#x0364;rlichen<lb/>
Freyheit einige Grenzen &#x017F;etzen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 15.</head><lb/>
            <note place="left">Wu&#x0364;rkungen<lb/>
von die&#x017F;em.</note>
            <p>Man unter&#x017F;uche die Leiden&#x017F;chaften der Men&#x017F;chen.<lb/>
Man unter&#x017F;uche die&#x017F;e nicht noch den Begriffen, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;o, wie &#x017F;ie da &#x017F;ind, und man wird es mir bald<lb/>
verwilligen, daß es dem gro&#x0364;&#x017F;ten Haufen der Men-<lb/>
&#x017F;chen verdru&#x0364;ßlich i&#x017F;t, wenn &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen Freyheit<lb/>
einige Grenzen ge&#x017F;etzet werden. Es wird ihm &#x017F;chwer,<lb/>
dasjenige zu unterla&#x017F;&#x017F;en, wozu er, wie er es glaubet,<lb/>
nach &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen Freyheit berechtiget i&#x017F;t. Wird<lb/>
ihm das gebothen was er nach &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen Frey-<lb/>
heit freywillig wu&#x0364;rde gerne gethan haben, &#x017F;o wird es<lb/>
ihm jetzo eine Lu&#x017F;t, weil er es thun muß. Die Poli-<lb/>
cey-Ge&#x017F;etze &#x017F;etzen der natu&#x0364;rlichen Freyheit einige Gren-<lb/>
zen, (§. 14). Was kann nun die&#x017F;e Leiden&#x017F;chaft der<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ehr leicht alsdenn wu&#x0364;rken, wenn Policey-<lb/>
Ge&#x017F;etze gegeben werden?</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 16.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0420] Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt, §. 14. Alle Policey Geſetze ſetzen unſerer natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen. Aus dem Rechte der Natur iſt es bekannt, daß unſere natuͤrliche Freyheit in dieſem beſtehet, daß wir alles dasjenige thun und unterlaſſen koͤnnen, was uns die Vernunft weder ge- bothen noch verbothen, das iſt, was nach der Vernunft erlaubt iſt. Was uns demnach dieſe Unternehmung gebiethet oder verbiethet, das ſetzet unſerer natuͤrli- chen Freyheit einige Grenzen. Die Policey-Geſetze beſchaͤftigen ſich mit dieſen Dingen. Sie gebiethen oder verbiethen uns dieß, was uns nach der Natur erlaubt iſt, (§. 5). Folglich behaupten wir es mit Grunde, daß die Policey-Geſetze unſerer natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen ſetzen. §. 15. Man unterſuche die Leidenſchaften der Menſchen. Man unterſuche dieſe nicht noch den Begriffen, ſon- dern ſo, wie ſie da ſind, und man wird es mir bald verwilligen, daß es dem groͤſten Haufen der Men- ſchen verdruͤßlich iſt, wenn ſeiner natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen geſetzet werden. Es wird ihm ſchwer, dasjenige zu unterlaſſen, wozu er, wie er es glaubet, nach ſeiner natuͤrlichen Freyheit berechtiget iſt. Wird ihm das gebothen was er nach ſeiner natuͤrlichen Frey- heit freywillig wuͤrde gerne gethan haben, ſo wird es ihm jetzo eine Luſt, weil er es thun muß. Die Poli- cey-Geſetze ſetzen der natuͤrlichen Freyheit einige Gren- zen, (§. 14). Was kann nun dieſe Leidenſchaft der Menſchen ſehr leicht alsdenn wuͤrken, wenn Policey- Geſetze gegeben werden? §. 16.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/420
Zitationshilfe: Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/420>, abgerufen am 30.12.2024.