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Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756.

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Der Policey-Wissenschaft 1 Abschnitt,
§. 8.
Besondere
Folge aus
diesem.

Dieser Satz giebt uns eine Folge, die wichtig ist.
Wer bey Policey-Gesetzen mit seinem Rathe
würken soll, dessen moralische Begriffe müssen
reine und gegründer seyn.
Der Beweiß hievon
ist dieser. Sind unsere moralischen Begriffe nicht rei-
ne und gegründet, so halten wir Dinge für böse, die
doch die Vernunft erlaubte Dinge nennet. Jst dieß,
so können wir sehr leicht dasjenige verdammen, was
die Policey erlauben oder gebiethen sollte, weil es für
sich erlaubt ist, und einen sehr merklichen Einfluß in
der Beförderung ihrer Absicht hat, (§. 7.) Folglich
ist ein Mensch, der keine reine und deutliche Begriffe
in der Moral hat, ein gefährlicher Rathgeber in der
Policey.

Anmerk. Die Wichtigkeit dieser Sache will ich
in einem Beyspiele darstellen. Die Vernunft
giebt uns Erlaubniß alle Arten von Kleidungen zu
tragen, sie erlaubet es uns, die Mode mit zu ma-
chen. Beydes kann ohne Sünde geschehen. Ca-
jus
hat falsche Begriffe von moralischen Dingen.
Er hält beydes für eine Sünde, und er findet bey
einer ansehnlichen Anzahl der Jnnwohner des
Staats einen Beyfall. Cajus bekommt ein Amt.
Er soll in Policey Sachen rathen, und er verur-
sachet, daß diese Dinge in einem Lande verbothen
werden. Seine Anhänger gehen in schlechten Klei-
dern. Was würket dieß? Viele hundert Menschen
setzet dieses in Hinderung in der Nahrung. Dem
Schneider fehlet es an Arbeit, dem Kaufmann an
Abgang seiner Waaren. Die Künstler können
nichts verdienen, weil jene kein Geld haben. Was
hat dieß für einen Einfluß in den Reichthum ei-
nes Staats.

§. 9.
Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,
§. 8.
Beſondere
Folge aus
dieſem.

Dieſer Satz giebt uns eine Folge, die wichtig iſt.
Wer bey Policey-Geſetzen mit ſeinem Rathe
wuͤrken ſoll, deſſen moraliſche Begriffe muͤſſen
reine und gegruͤnder ſeyn.
Der Beweiß hievon
iſt dieſer. Sind unſere moraliſchen Begriffe nicht rei-
ne und gegruͤndet, ſo halten wir Dinge fuͤr boͤſe, die
doch die Vernunft erlaubte Dinge nennet. Jſt dieß,
ſo koͤnnen wir ſehr leicht dasjenige verdammen, was
die Policey erlauben oder gebiethen ſollte, weil es fuͤr
ſich erlaubt iſt, und einen ſehr merklichen Einfluß in
der Befoͤrderung ihrer Abſicht hat, (§. 7.) Folglich
iſt ein Menſch, der keine reine und deutliche Begriffe
in der Moral hat, ein gefaͤhrlicher Rathgeber in der
Policey.

Anmerk. Die Wichtigkeit dieſer Sache will ich
in einem Beyſpiele darſtellen. Die Vernunft
giebt uns Erlaubniß alle Arten von Kleidungen zu
tragen, ſie erlaubet es uns, die Mode mit zu ma-
chen. Beydes kann ohne Suͤnde geſchehen. Ca-
jus
hat falſche Begriffe von moraliſchen Dingen.
Er haͤlt beydes fuͤr eine Suͤnde, und er findet bey
einer anſehnlichen Anzahl der Jnnwohner des
Staats einen Beyfall. Cajus bekommt ein Amt.
Er ſoll in Policey Sachen rathen, und er verur-
ſachet, daß dieſe Dinge in einem Lande verbothen
werden. Seine Anhaͤnger gehen in ſchlechten Klei-
dern. Was wuͤrket dieß? Viele hundert Menſchen
ſetzet dieſes in Hinderung in der Nahrung. Dem
Schneider fehlet es an Arbeit, dem Kaufmann an
Abgang ſeiner Waaren. Die Kuͤnſtler koͤnnen
nichts verdienen, weil jene kein Geld haben. Was
hat dieß fuͤr einen Einfluß in den Reichthum ei-
nes Staats.

§. 9.
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[396/0416] Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt, §. 8. Dieſer Satz giebt uns eine Folge, die wichtig iſt. Wer bey Policey-Geſetzen mit ſeinem Rathe wuͤrken ſoll, deſſen moraliſche Begriffe muͤſſen reine und gegruͤnder ſeyn. Der Beweiß hievon iſt dieſer. Sind unſere moraliſchen Begriffe nicht rei- ne und gegruͤndet, ſo halten wir Dinge fuͤr boͤſe, die doch die Vernunft erlaubte Dinge nennet. Jſt dieß, ſo koͤnnen wir ſehr leicht dasjenige verdammen, was die Policey erlauben oder gebiethen ſollte, weil es fuͤr ſich erlaubt iſt, und einen ſehr merklichen Einfluß in der Befoͤrderung ihrer Abſicht hat, (§. 7.) Folglich iſt ein Menſch, der keine reine und deutliche Begriffe in der Moral hat, ein gefaͤhrlicher Rathgeber in der Policey. Anmerk. Die Wichtigkeit dieſer Sache will ich in einem Beyſpiele darſtellen. Die Vernunft giebt uns Erlaubniß alle Arten von Kleidungen zu tragen, ſie erlaubet es uns, die Mode mit zu ma- chen. Beydes kann ohne Suͤnde geſchehen. Ca- jus hat falſche Begriffe von moraliſchen Dingen. Er haͤlt beydes fuͤr eine Suͤnde, und er findet bey einer anſehnlichen Anzahl der Jnnwohner des Staats einen Beyfall. Cajus bekommt ein Amt. Er ſoll in Policey Sachen rathen, und er verur- ſachet, daß dieſe Dinge in einem Lande verbothen werden. Seine Anhaͤnger gehen in ſchlechten Klei- dern. Was wuͤrket dieß? Viele hundert Menſchen ſetzet dieſes in Hinderung in der Nahrung. Dem Schneider fehlet es an Arbeit, dem Kaufmann an Abgang ſeiner Waaren. Die Kuͤnſtler koͤnnen nichts verdienen, weil jene kein Geld haben. Was hat dieß fuͤr einen Einfluß in den Reichthum ei- nes Staats. §. 9.

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Zitationshilfe: Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/416>, abgerufen am 13.11.2024.