Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Staatsbeamten.
Eilftes Capitel.
Von den Staatsbeamten
.

251. Dem Staate, welcher Alle schützt und trägt,
darf niemand seinen Dienst entziehen, aber niemand hat
auch ein Recht darauf, daß gerade er und kein anderer
diene. Das Recht sich seine Beamten zu wählen, welches
die Gemeinde in Anspruch nimmt, übt unerläßlich der
Staat und darf es keinen Augenblick aufgeben, darf nicht
zugeben, daß er es durch die einmahl getroffene Wahl
verloren habe. Staatsämter aber sind von jeher öfter ge-
sucht als aufgedrungen worden. Man kündigt, daß man
dereinst suchen wolle, durch Studien an, noch bestimmter
dadurch, daß man um die Staatsprüfung bittet, unzwei-
felhaft durch seine Bewerbung; daher kommt der Gebrauch
des Zwangsrechtes nur ausnahmsweise etwa in kleinen
Freistaaten vor, wo großer Reichthum sich der Last von
Staatsbedienungen entziehen möchte, welche den Ehrgeiz
nicht reizen, dem Erwerbe und seinen Genüssen im Wege
stehen. Auch kommt es dem Gemeinwesen zu sehr auf
gutwillige Diener an, als daß man nicht lieber gewönne
für den Staatsdienst als dazu zwänge. Weit öfter tritt
der Fall ein, daß man den Staat zwingen will, den Die-
ner, den er nicht brauchen kann, doch zu behalten. Man
rühmt sich eines Privatrechtes, dem Staate üble Dienste
zu erweisen.

252. Den Steuern sieht man es nicht an, daß sie
mit saurer Miene bezahlt sind, darum nimmt man sie den
Willigen und den Unwilligen ab; allein Dienste, selbst ge-
meine Dienste, taugen nicht, widerwillig verrichtet, darum

Von den Staatsbeamten.
Eilftes Capitel.
Von den Staatsbeamten
.

251. Dem Staate, welcher Alle ſchuͤtzt und traͤgt,
darf niemand ſeinen Dienſt entziehen, aber niemand hat
auch ein Recht darauf, daß gerade er und kein anderer
diene. Das Recht ſich ſeine Beamten zu waͤhlen, welches
die Gemeinde in Anſpruch nimmt, uͤbt unerlaͤßlich der
Staat und darf es keinen Augenblick aufgeben, darf nicht
zugeben, daß er es durch die einmahl getroffene Wahl
verloren habe. Staatsaͤmter aber ſind von jeher oͤfter ge-
ſucht als aufgedrungen worden. Man kuͤndigt, daß man
dereinſt ſuchen wolle, durch Studien an, noch beſtimmter
dadurch, daß man um die Staatspruͤfung bittet, unzwei-
felhaft durch ſeine Bewerbung; daher kommt der Gebrauch
des Zwangsrechtes nur ausnahmsweiſe etwa in kleinen
Freiſtaaten vor, wo großer Reichthum ſich der Laſt von
Staatsbedienungen entziehen moͤchte, welche den Ehrgeiz
nicht reizen, dem Erwerbe und ſeinen Genuͤſſen im Wege
ſtehen. Auch kommt es dem Gemeinweſen zu ſehr auf
gutwillige Diener an, als daß man nicht lieber gewoͤnne
fuͤr den Staatsdienſt als dazu zwaͤnge. Weit oͤfter tritt
der Fall ein, daß man den Staat zwingen will, den Die-
ner, den er nicht brauchen kann, doch zu behalten. Man
ruͤhmt ſich eines Privatrechtes, dem Staate uͤble Dienſte
zu erweiſen.

252. Den Steuern ſieht man es nicht an, daß ſie
mit ſaurer Miene bezahlt ſind, darum nimmt man ſie den
Willigen und den Unwilligen ab; allein Dienſte, ſelbſt ge-
meine Dienſte, taugen nicht, widerwillig verrichtet, darum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0257" n="245"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von den Staatsbeamten</hi>.</fw>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Eilftes Capitel.<lb/>
Von den Staatsbeamten</hi>.</head><lb/>
              <p>251. Dem Staate, welcher Alle &#x017F;chu&#x0364;tzt und tra&#x0364;gt,<lb/>
darf niemand &#x017F;einen Dien&#x017F;t entziehen, aber niemand hat<lb/>
auch ein Recht darauf, daß gerade er und kein anderer<lb/>
diene. Das Recht &#x017F;ich &#x017F;eine Beamten zu wa&#x0364;hlen, welches<lb/>
die Gemeinde in An&#x017F;pruch nimmt, u&#x0364;bt unerla&#x0364;ßlich der<lb/>
Staat und darf es keinen Augenblick aufgeben, darf nicht<lb/>
zugeben, daß er es durch die einmahl getroffene Wahl<lb/>
verloren habe. Staatsa&#x0364;mter aber &#x017F;ind von jeher o&#x0364;fter ge-<lb/>
&#x017F;ucht als aufgedrungen worden. Man ku&#x0364;ndigt, daß man<lb/>
derein&#x017F;t &#x017F;uchen wolle, durch Studien an, noch be&#x017F;timmter<lb/>
dadurch, daß man um die Staatspru&#x0364;fung bittet, unzwei-<lb/>
felhaft durch &#x017F;eine Bewerbung; daher kommt der Gebrauch<lb/>
des Zwangsrechtes nur ausnahmswei&#x017F;e etwa in kleinen<lb/>
Frei&#x017F;taaten vor, wo großer Reichthum &#x017F;ich der La&#x017F;t von<lb/>
Staatsbedienungen entziehen mo&#x0364;chte, welche den Ehrgeiz<lb/>
nicht reizen, dem Erwerbe und &#x017F;einen Genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en im Wege<lb/>
&#x017F;tehen. Auch kommt es dem Gemeinwe&#x017F;en zu &#x017F;ehr auf<lb/>
gutwillige Diener an, als daß man nicht lieber gewo&#x0364;nne<lb/>
fu&#x0364;r den Staatsdien&#x017F;t als dazu zwa&#x0364;nge. Weit o&#x0364;fter tritt<lb/>
der Fall ein, daß man den Staat zwingen will, den Die-<lb/>
ner, den er nicht brauchen kann, doch zu behalten. Man<lb/>
ru&#x0364;hmt &#x017F;ich eines Privatrechtes, dem Staate u&#x0364;ble Dien&#x017F;te<lb/>
zu erwei&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>252. Den Steuern &#x017F;ieht man es nicht an, daß &#x017F;ie<lb/>
mit &#x017F;aurer Miene bezahlt &#x017F;ind, darum nimmt man &#x017F;ie den<lb/>
Willigen und den Unwilligen ab; allein Dien&#x017F;te, &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
meine Dien&#x017F;te, taugen nicht, widerwillig verrichtet, darum<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0257] Von den Staatsbeamten. Eilftes Capitel. Von den Staatsbeamten. 251. Dem Staate, welcher Alle ſchuͤtzt und traͤgt, darf niemand ſeinen Dienſt entziehen, aber niemand hat auch ein Recht darauf, daß gerade er und kein anderer diene. Das Recht ſich ſeine Beamten zu waͤhlen, welches die Gemeinde in Anſpruch nimmt, uͤbt unerlaͤßlich der Staat und darf es keinen Augenblick aufgeben, darf nicht zugeben, daß er es durch die einmahl getroffene Wahl verloren habe. Staatsaͤmter aber ſind von jeher oͤfter ge- ſucht als aufgedrungen worden. Man kuͤndigt, daß man dereinſt ſuchen wolle, durch Studien an, noch beſtimmter dadurch, daß man um die Staatspruͤfung bittet, unzwei- felhaft durch ſeine Bewerbung; daher kommt der Gebrauch des Zwangsrechtes nur ausnahmsweiſe etwa in kleinen Freiſtaaten vor, wo großer Reichthum ſich der Laſt von Staatsbedienungen entziehen moͤchte, welche den Ehrgeiz nicht reizen, dem Erwerbe und ſeinen Genuͤſſen im Wege ſtehen. Auch kommt es dem Gemeinweſen zu ſehr auf gutwillige Diener an, als daß man nicht lieber gewoͤnne fuͤr den Staatsdienſt als dazu zwaͤnge. Weit oͤfter tritt der Fall ein, daß man den Staat zwingen will, den Die- ner, den er nicht brauchen kann, doch zu behalten. Man ruͤhmt ſich eines Privatrechtes, dem Staate uͤble Dienſte zu erweiſen. 252. Den Steuern ſieht man es nicht an, daß ſie mit ſaurer Miene bezahlt ſind, darum nimmt man ſie den Willigen und den Unwilligen ab; allein Dienſte, ſelbſt ge- meine Dienſte, taugen nicht, widerwillig verrichtet, darum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/257
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/257>, abgerufen am 21.12.2024.