Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Neuntes Capitel. Neuntes Capitel. Blick auf die Systematik der Staatswissenschaft. 208. Neben den Gebundenheiten der Staaten wie sie Neuntes Capitel. Neuntes Capitel. Blick auf die Syſtematik der Staatswiſſenſchaft. 208. Neben den Gebundenheiten der Staaten wie ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0194" n="182"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Capitel</hi>.</fw> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Neuntes Capitel.<lb/> Blick auf die Syſtematik der Staatswiſſenſchaft</hi>.</head><lb/> <p>208. Neben den Gebundenheiten der Staaten wie ſie<lb/> waren und ſind bewegt ſich ein Syſtem der Meinungen<lb/> fort, warum die Staaten gerade ſo ſeyn moͤgen und wie<lb/> ſie anders doch ſeyn koͤnnten und anders kuͤnftig werden<lb/> muͤſſen. Dieſe Meinungen haben von jeher eine nicht un-<lb/> bedeutende Herrſchaft uͤber die Dinge ſelber geuͤbt, man<lb/> war im Alterthum durchaus nicht ungeneigt, wenn der<lb/> Volksgedanke ſich verwirrte, mit dem Werdenden nicht zu<lb/> bleiben wußte, einem hervorragenden Manne das Schick-<lb/> ſal ſeines oͤffentlichen und ſelbſt ſeines Privat-Rechts zu<lb/> vertrauen. Berg und Thal ſtanden damahls geſchiedener.<lb/> Heutzutage, wo ein geſteigertes Selbſtgefuͤhl die Staats-<lb/> verfaſſungen ſcheinbar zur Dispoſition der Voͤlker ſtellt,<lb/> die oͤffentliche Meinung allein hervorragen und entſcheiden<lb/> will, iſt es doppelt noth, daß dieſe ſich durch Erfahrung<lb/> zu berichtigen eile und den politiſchen Vorwitz mindeſtens<lb/> an der Originalitaͤt ſeiner Irrthuͤmer verzweifeln laſſe.<lb/> Überhaͤuft man nur den Stoff der Meinungen nicht bis<lb/> zum widerwaͤrtigen Gemiſche gemein ſubjectiver Gegenſaͤtze,<lb/> laͤßt es ſich gefallen lieber belehrt als gelehrt zu ſeyn und<lb/> ruht bloß bei den bedeutenderen Erſcheinungen aus, ſo<lb/> enthaͤlt es einen großen Beitrag zur Verſtaͤndigung zu be-<lb/> trachten, wie der Eine um den Staat herauszubringen<lb/> die Familie befeſtigt, der Andere ſie zerſtoͤrt hat, wie man<lb/> den Naturſtand zur Grundlage macht und Despotie dar-<lb/> aus folgert oder mit eben ſo leichter Muͤhe auch ihr Ge-<lb/> gentheil, wie man aus der Bibel den Staat baut und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0194]
Neuntes Capitel.
Neuntes Capitel.
Blick auf die Syſtematik der Staatswiſſenſchaft.
208. Neben den Gebundenheiten der Staaten wie ſie
waren und ſind bewegt ſich ein Syſtem der Meinungen
fort, warum die Staaten gerade ſo ſeyn moͤgen und wie
ſie anders doch ſeyn koͤnnten und anders kuͤnftig werden
muͤſſen. Dieſe Meinungen haben von jeher eine nicht un-
bedeutende Herrſchaft uͤber die Dinge ſelber geuͤbt, man
war im Alterthum durchaus nicht ungeneigt, wenn der
Volksgedanke ſich verwirrte, mit dem Werdenden nicht zu
bleiben wußte, einem hervorragenden Manne das Schick-
ſal ſeines oͤffentlichen und ſelbſt ſeines Privat-Rechts zu
vertrauen. Berg und Thal ſtanden damahls geſchiedener.
Heutzutage, wo ein geſteigertes Selbſtgefuͤhl die Staats-
verfaſſungen ſcheinbar zur Dispoſition der Voͤlker ſtellt,
die oͤffentliche Meinung allein hervorragen und entſcheiden
will, iſt es doppelt noth, daß dieſe ſich durch Erfahrung
zu berichtigen eile und den politiſchen Vorwitz mindeſtens
an der Originalitaͤt ſeiner Irrthuͤmer verzweifeln laſſe.
Überhaͤuft man nur den Stoff der Meinungen nicht bis
zum widerwaͤrtigen Gemiſche gemein ſubjectiver Gegenſaͤtze,
laͤßt es ſich gefallen lieber belehrt als gelehrt zu ſeyn und
ruht bloß bei den bedeutenderen Erſcheinungen aus, ſo
enthaͤlt es einen großen Beitrag zur Verſtaͤndigung zu be-
trachten, wie der Eine um den Staat herauszubringen
die Familie befeſtigt, der Andere ſie zerſtoͤrt hat, wie man
den Naturſtand zur Grundlage macht und Despotie dar-
aus folgert oder mit eben ſo leichter Muͤhe auch ihr Ge-
gentheil, wie man aus der Bibel den Staat baut und
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