Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.I.
Die Lehre, welche zuerst von Leskien aufgestellt, dann *) Delbrück (Einleitung1 S. 60) nennt diesen Satz ein Apercu, Wundt
Logik II S. 553 ein "logisches Postulat". I.
Die Lehre, welche zuerst von Leskien aufgestellt, dann *) Delbrück (Einleitung1 S. 60) nennt diesen Satz ein Aperçu, Wundt
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I.
νόμοι ὑψίποδες, οὐρανίαν δι' αἰθέρα τεκνωθέντες
Soph.
Die Lehre, welche zuerst von Leskien aufgestellt, dann
namentlich von Brugmann und Osthoff geltend gemacht ist,
lautet in ihrer frühesten Fassung *): die Lautgesetze er-
leiden keine Ausnahmen. In dieser Form umfasste aber
dieser Satz noch nicht alles das, was man den bisherigen An-
nahmen gegenüber als neue Grundlage für die Sprachforschung
glaubte bezeichnen zu können. Unter „den Lautgesetzen"
konnte man doch nur die für jedes einzelne Sprachgebiet bis-
her nachgewiesenen und anerkannten Gesetze des Lautwan-
dels verstehen. Unter das Axiom in jener Fassung gehörte
es z. B., von dem bekannten gemeingriechischen Lautgesetz,
dass ursprüngliches σ zwischen Vocalen verklang, keinen Aus-
nahmefall zuzulassen, oder dem lateinischen Sprachforscher zu
verbieten, dass er das intervocalische s, das im Lateinischen
bekanntlich zu r wird, irgendwo als ein altüberliefertes be-
trachte, folglich auch z. B. das lateinische nāsu-s mit skr.
nāsa-s für identisch erkläre. Nur da, wo für einen Kreis
von Wörtern gleicher Art bestimmte Ausnahmen nachweisbar
wären, so schrieb man vor, also z. B. für die deutschen Con-
sonantengruppen sk, st, sp mit ihrer, wie Jacob Grimm sagte,
„stockenden Lautverschiebung“, wo also das weitere Gesetz
*) Delbrück (Einleitung1 S. 60) nennt diesen Satz ein Aperçu, Wundt
Logik II S. 553 ein „logisches Postulat“.
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