Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, 1715.[Spaltenumbruch]
Austern im Winter am fettesten, und lassensich auch am besten versenden; da- [h]ero werden sie um selbige Zeit von [d]enen Liebhabern am meisten genos- sen. Man will sie zwar unter die gesundesten Speisen nicht zehlen, weil ihr Fleisch kalt, feucht und un- artig; gleichwohl aber ist nicht zu leugnen, daß sie ein gutes Mittel die scorbutischen Feuchtigkeiten ge- [l]inde abzuführen, wie schon oben beym Aal ist angeführet worden. In denen See-Städten isset man bey einen Glas Wein sie gern roh, dabey Citronen- oder Tamarinden- Safft, Ingber, Pfeffer gebrauchet wird; jedoch sind die gebratenen wohl die annehmlichsten, wer Un- verdaulichkeit liebt; am besten und gesundesten aber die rohen; da das Feuer daran nichts verderbet. Ein Koch hat sich nach dem Appetit des Liebhabers zu richten, und kan er sei- nen Küch-Zedel also machen, daß er die Austern bald roh, bald auf eine andere Art zubereitet, auftragen lasse. Unser Küch-Meister lehret 1) Austern zuzurichten, 2) selbige roh zu geben, 3) Austern zu ver- mehren, 4) Austern wie Gänse-Le- bern zu machen, 5) Fässel-Austern zuzurichten, 6) Austern mit Sau- erkraut zubereiten. Austern zuzurichten, Nehmet frische Austern, wie sie Austern wird,) machet solche auf, wie sie sichdenn durch das Messer klopffen schon ein wenig öffnen werden, lö- set die Auster mit dem Messer ab, und setzet sie in die tieffe Seite der Schale, denn eine Schale ist tieff, die andere gantz platt. Wenn ihr nun mit dieser Arbeit fertig, und wollet die Austern braten, so leget selbige auf den Rost, lasset aber erst frische und wohl ausgelassene But- ter zergehen, giesset in jede Schale, darinne die Auster lieget, einen klei- nen Eß-Löffel voll, nachdem die Au- ster-Schale groß, solcher Butter, streuet auch in jede ein wenig gestos- sene Muscaten-Blüten und klein geschnittene Citronenscheller, setzet den Rost mit denen Austern aufs Kohlfener, habt aber darbey wohl acht, daß keine untern braten sich an die Schale henge, sonst springet sie in die Lufft. Streuet endlich, wenn sie bald gar gebraten, ein we- nig klar geriebene Semmel drüber, setzet beym Anrichten halb geschnit- tene Citronen darzu und gebet sie hin. Austern roh zu geben, Die Austern müssen wie vorige Austern zu vermehren, Schneidet aufgemachte Austern sie
[Spaltenumbruch]
Auſtern im Winter am fetteſten, und laſſenſich auch am beſten verſenden; da- [h]ero werden ſie um ſelbige Zeit von [d]enen Liebhabern am meiſten genoſ- ſen. Man will ſie zwar unter die geſundeſten Speiſen nicht zehlen, weil ihr Fleiſch kalt, feucht und un- artig; gleichwohl aber iſt nicht zu leugnen, daß ſie ein gutes Mittel die ſcorbutiſchen Feuchtigkeiten ge- [l]inde abzufuͤhren, wie ſchon oben beym Aal iſt angefuͤhret worden. In denen See-Staͤdten iſſet man bey einen Glas Wein ſie gern roh, dabey Citronen- oder Tamarinden- Safft, Ingber, Pfeffer gebrauchet wird; jedoch ſind die gebratenen wohl die annehmlichſten, wer Un- verdaulichkeit liebt; am beſten und geſundeſten aber die rohen; da das Feuer daran nichts verderbet. Ein Koch hat ſich nach dem Appetit des Liebhabers zu richten, und kan er ſei- nen Kuͤch-Zedel alſo machen, daß er die Auſtern bald roh, bald auf eine andere Art zubereitet, auftragen laſſe. Unſer Kuͤch-Meiſter lehret 1) Auſtern zuzurichten, 2) ſelbige roh zu geben, 3) Auſtern zu ver- mehren, 4) Auſtern wie Gaͤnſe-Le- bern zu machen, 5) Faͤſſel-Auſtern zuzurichten, 6) Auſtern mit Sau- erkraut zubereiten. Auſtern zuzurichten, Nehmet friſche Auſtern, wie ſie Auſtern wird,) machet ſolche auf, wie ſie ſichdenn durch das Meſſer klopffen ſchon ein wenig oͤffnen werden, loͤ- ſet die Auſter mit dem Meſſer ab, und ſetzet ſie in die tieffe Seite der Schale, denn eine Schale iſt tieff, die andere gantz platt. Wenn ihr nun mit dieſer Arbeit fertig, und wollet die Auſtern braten, ſo leget ſelbige auf den Roſt, laſſet aber erſt friſche und wohl ausgelaſſene But- ter zergehen, gieſſet in jede Schale, darinne die Auſter lieget, einen klei- nen Eß-Loͤffel voll, nachdem die Au- ſter-Schale groß, ſolcher Butter, ſtreuet auch in jede ein wenig geſtoſ- ſene Muſcaten-Bluͤten und klein geſchnittene Citronenſcheller, ſetzet den Roſt mit denen Auſtern aufs Kohlfener, habt aber darbey wohl acht, daß keine untern braten ſich an die Schale henge, ſonſt ſpringet ſie in die Lufft. Streuet endlich, wenn ſie bald gar gebraten, ein we- nig klar geriebene Semmel druͤber, ſetzet beym Anrichten halb geſchnit- tene Citronen darzu und gebet ſie hin. Auſtern roh zu geben, Die Auſtern muͤſſen wie vorige Auſtern zu vermehren, Schneidet aufgemachte Auſtern ſie
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Auſtern
Auſtern
im Winter am fetteſten, und laſſen
ſich auch am beſten verſenden; da-
hero werden ſie um ſelbige Zeit von
denen Liebhabern am meiſten genoſ-
ſen. Man will ſie zwar unter die
geſundeſten Speiſen nicht zehlen,
weil ihr Fleiſch kalt, feucht und un-
artig; gleichwohl aber iſt nicht zu
leugnen, daß ſie ein gutes Mittel
die ſcorbutiſchen Feuchtigkeiten ge-
linde abzufuͤhren, wie ſchon oben
beym Aal iſt angefuͤhret worden.
In denen See-Staͤdten iſſet man
bey einen Glas Wein ſie gern roh,
dabey Citronen- oder Tamarinden-
Safft, Ingber, Pfeffer gebrauchet
wird; jedoch ſind die gebratenen
wohl die annehmlichſten, wer Un-
verdaulichkeit liebt; am beſten und
geſundeſten aber die rohen; da das
Feuer daran nichts verderbet. Ein
Koch hat ſich nach dem Appetit des
Liebhabers zu richten, und kan er ſei-
nen Kuͤch-Zedel alſo machen, daß er
die Auſtern bald roh, bald auf eine
andere Art zubereitet, auftragen
laſſe. Unſer Kuͤch-Meiſter lehret
1) Auſtern zuzurichten, 2) ſelbige
roh zu geben, 3) Auſtern zu ver-
mehren, 4) Auſtern wie Gaͤnſe-Le-
bern zu machen, 5) Faͤſſel-Auſtern
zuzurichten, 6) Auſtern mit Sau-
erkraut zubereiten.
Auſtern zuzurichten,
Nehmet friſche Auſtern, wie ſie
von Italiaͤnern oder aus dem Faß
kommen, klopffet das garſtige Zeug
mit einen ſtarcken Meſſer herunter,
(NB. Etliche waſchen die Auſtern,
ſo aber nicht rathſam; Denn weil
manche unter weilen offen, kan das
Waſſer hinein dringen, wodurch
der Auſter Geſchmack verderbet
wird,) machet ſolche auf, wie ſie ſich
denn durch das Meſſer klopffen
ſchon ein wenig oͤffnen werden, loͤ-
ſet die Auſter mit dem Meſſer ab,
und ſetzet ſie in die tieffe Seite der
Schale, denn eine Schale iſt tieff,
die andere gantz platt. Wenn ihr
nun mit dieſer Arbeit fertig, und
wollet die Auſtern braten, ſo leget
ſelbige auf den Roſt, laſſet aber erſt
friſche und wohl ausgelaſſene But-
ter zergehen, gieſſet in jede Schale,
darinne die Auſter lieget, einen klei-
nen Eß-Loͤffel voll, nachdem die Au-
ſter-Schale groß, ſolcher Butter,
ſtreuet auch in jede ein wenig geſtoſ-
ſene Muſcaten-Bluͤten und klein
geſchnittene Citronenſcheller, ſetzet
den Roſt mit denen Auſtern aufs
Kohlfener, habt aber darbey wohl
acht, daß keine untern braten ſich
an die Schale henge, ſonſt ſpringet
ſie in die Lufft. Streuet endlich,
wenn ſie bald gar gebraten, ein we-
nig klar geriebene Semmel druͤber,
ſetzet beym Anrichten halb geſchnit-
tene Citronen darzu und gebet
ſie hin.
Auſtern roh zu geben,
Die Auſtern muͤſſen wie vorige
aufgemachet, auf einer Schuͤſſel an-
gerichtet und mit halb geſchnitte-
nen Citronen, Pfeffer, Ingber,
Weineßig und Saltz aufgetragen
werden, welche hernach ein jeder
nach ſeinen goût zubereiten und eſ-
ſen kan.
Auſtern zu vermehren,
Schneidet aufgemachte Auſtern
halb entzwey, und leget ſie in die
Schalen. Blanchiret hierauf
Kalbs-Milch in heiſſen Waſſer, bu-
tzet ſelbe hernach ſauber aus, thut
ſie
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