Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, 1715.[Spaltenumbruch]
Margaretha die Hauß-Jungfern, Haußhälterinoder Köchinnen ihrer Frau, wenn sie von dem Marckte wieder heim kommen, wegen ihres Einkauffs und Ausgaben ablegen. Margaretha, Hertzog Heinrichs in Kärndten, Margaretha sie sich mit dem Böhmischen Prin-tzen Johanne, Käysers Caroli IV. Bruder, vermählet, weil er aber ei- nes stillen Humeurs war, konte sie ihn nicht wohl leiden, ja endlich be- schuldigte sie ihn gar, daß er zum Ehestand untüchtig wäre, ohnge- achtet hernach die Erfahrung bey seiner andern Gemahlin das Ge- genspiel auswiese. Letztens, als dieser ihr Gemahl einstens auf die Jagd geritten war, wolte diese Margaretha ihn bey seiner Rück- kunfft nicht wieder auf das Schloß Tyrol zu sich lassen, er ritte von ei- ner Festung zur andern, ward aber, weil Margaretha solches befohlen hatte, aller Orten abgewiesen, und muste sich also wieder nach Böh- men begeben. Unterdessen aber hatte Margaretha mit dem Käyser Ludovico Bavaro heimliche Tracta- ten gepflogen, daß sie seinen Sohn Ludovicum zum Gemahl nehmen, und ihme die Grafschafft Tyrol zu- wenden wolte. Hierauf ließ der Käyser durch einen Bischoff die Ehe mit dem Böhmischen Prin- tzen Johanne solenniter aufheben, und die andere Ehe mit seinem Printzen vollziehen, wobey dieses merckwürdig war, daß, da sie als ei- ne vermählte Princessin nach da- maliger Art einen Schleyer getra- gen, sie selbigen bey ihrer anderen Vermählung mit grosser Ceremo- nie in der Kirche auf einen Altar geleget, und einen Jungfer-Crantz auffgesetzet, mit ausdrücklicher Protestation, daß sie, ohngeachtet eines zehn-jährigen Ehestandes, gleichwol noch eine unverletzte Jungfer wäre. Sie lebte mit ihrem andern Gemahl 19. Jahr, und
[Spaltenumbruch]
Margaretha die Hauß-Jungfern, Haußhaͤlterinoder Koͤchinnen ihrer Frau, wenn ſie von dem Marckte wieder heim kommen, wegen ihres Einkauffs und Ausgaben ablegen. Margaretha, Hertzog Heinrichs in Kaͤrndten, Margaretha ſie ſich mit dem Boͤhmiſchen Prin-tzen Johanne, Kaͤyſers Caroli IV. Bruder, vermaͤhlet, weil er aber ei- nes ſtillen Humeurs war, konte ſie ihn nicht wohl leiden, ja endlich be- ſchuldigte ſie ihn gar, daß er zum Eheſtand untuͤchtig waͤre, ohnge- achtet hernach die Erfahrung bey ſeiner andern Gemahlin das Ge- genſpiel auswieſe. Letztens, als dieſer ihr Gemahl einſtens auf die Jagd geritten war, wolte dieſe Margaretha ihn bey ſeiner Ruͤck- kunfft nicht wieder auf das Schloß Tyrol zu ſich laſſen, er ritte von ei- ner Feſtung zur andern, ward aber, weil Margaretha ſolches befohlen hatte, aller Orten abgewieſen, und muſte ſich alſo wieder nach Boͤh- men begeben. Unterdeſſen aber hatte Margaretha mit dem Kaͤyſer Ludovico Bavaro heimliche Tracta- ten gepflogen, daß ſie ſeinen Sohn Ludovicum zum Gemahl nehmen, und ihme die Grafſchafft Tyrol zu- wenden wolte. Hierauf ließ der Kaͤyſer durch einen Biſchoff die Ehe mit dem Boͤhmiſchen Prin- tzen Johanne ſolenniter aufheben, und die andere Ehe mit ſeinem Printzen vollziehen, wobey dieſes merckwuͤrdig war, daß, da ſie als ei- ne vermaͤhlte Princeſſin nach da- maliger Art einen Schleyer getra- gen, ſie ſelbigen bey ihrer anderen Vermaͤhlung mit groſſer Ceremo- nie in der Kirche auf einen Altar geleget, und einen Jungfer-Crantz auffgeſetzet, mit ausdruͤcklicher Proteſtation, daß ſie, ohngeachtet eines zehn-jaͤhrigen Eheſtandes, gleichwol noch eine unverletzte Jungfer waͤre. Sie lebte mit ihrem andern Gemahl 19. Jahr, und
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Margaretha
Margaretha
die Hauß-Jungfern, Haußhaͤlterin
oder Koͤchinnen ihrer Frau, wenn
ſie von dem Marckte wieder heim
kommen, wegen ihres Einkauffs
und Ausgaben ablegen.
Margaretha,
Hertzog Heinrichs in Kaͤrndten,
Grafens in Tyrol, und Adelheits,
einer Hertzogin von Braunſchweig,
tapffere und behertzte Tochter, ſo
wegen ihres unfoͤrmlichen Mauls
die Maultaſch benennet ward.
Nach ihres Vaters Tode wolte ſie
eine Erbin von allen ſeinen Laͤndern
ſeyn, ſie muſte aber nur mit Tyrol
vorlieb nehmen, weil der Kaͤyſer
das Hauß Oeſterreich mit Kaͤrnd-
ten belehnet hatte, worzu die Kaͤrnd-
tiſchen Land-Staͤnde den Kaͤyſer
ſelbſt angeflammet hatten. Wor-
uͤber dieſe Margaretha ſo entzuͤn-
det ward, daß ſie die Kaͤrndter mit
Feuer und Schwerdt heimſuchte.
Sie eroberte auch unterſchiedene
Schloͤſſer, und ließ uͤberall Zeichen
ihrer Grauſamkeit hinter ſich;
Endlich kam es gar zu einem groſſen
Treffen, worinnen die Oeſterrei-
chiſch-Geſinneten in die Flucht ge-
ſchlagen wurden. Sie befand ſich
mehrentheils bey denen Belage-
tungen in Perſon, um ihre Offi-
ciers und Soldaten durch ihre Ge-
genwart zu deſto groͤſſerer Tapffer-
keit aufzumuntern. Und als ſie
eben vor dem feſten Schloſſe Oſter-
witz lage, kam ihr ein Schreiben in
die Hand, darinnen ihr der getrof-
fene Vergleich mit Oeſterreich kund
gemacht wurde, worauf ſie die
Waffen niederlegte, und ſich wieder
in ihre Reſidentz Inſpruck begab.
Bey Lebzeiten ihres Vaters hatte
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ſie ſich mit dem Boͤhmiſchen Prin-
tzen Johanne, Kaͤyſers Caroli IV.
Bruder, vermaͤhlet, weil er aber ei-
nes ſtillen Humeurs war, konte ſie
ihn nicht wohl leiden, ja endlich be-
ſchuldigte ſie ihn gar, daß er zum
Eheſtand untuͤchtig waͤre, ohnge-
achtet hernach die Erfahrung bey
ſeiner andern Gemahlin das Ge-
genſpiel auswieſe. Letztens, als
dieſer ihr Gemahl einſtens auf die
Jagd geritten war, wolte dieſe
Margaretha ihn bey ſeiner Ruͤck-
kunfft nicht wieder auf das Schloß
Tyrol zu ſich laſſen, er ritte von ei-
ner Feſtung zur andern, ward aber,
weil Margaretha ſolches befohlen
hatte, aller Orten abgewieſen, und
muſte ſich alſo wieder nach Boͤh-
men begeben. Unterdeſſen aber
hatte Margaretha mit dem Kaͤyſer
Ludovico Bavaro heimliche Tracta-
ten gepflogen, daß ſie ſeinen Sohn
Ludovicum zum Gemahl nehmen,
und ihme die Grafſchafft Tyrol zu-
wenden wolte. Hierauf ließ der
Kaͤyſer durch einen Biſchoff die
Ehe mit dem Boͤhmiſchen Prin-
tzen Johanne ſolenniter aufheben,
und die andere Ehe mit ſeinem
Printzen vollziehen, wobey dieſes
merckwuͤrdig war, daß, da ſie als ei-
ne vermaͤhlte Princeſſin nach da-
maliger Art einen Schleyer getra-
gen, ſie ſelbigen bey ihrer anderen
Vermaͤhlung mit groſſer Ceremo-
nie in der Kirche auf einen Altar
geleget, und einen Jungfer-Crantz
auffgeſetzet, mit ausdruͤcklicher
Proteſtation, daß ſie, ohngeachtet
eines zehn-jaͤhrigen Eheſtandes,
gleichwol noch eine unverletzte
Jungfer waͤre. Sie lebte mit
ihrem andern Gemahl 19. Jahr,
und
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