Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, 1715.[Spaltenumbruch]
Kürbis Kuß schüttet das abgerührte hinein, se-tzet solches in heissen Backofen und lasset es backen. So es nun fertig, müsset ihr es in der Torten-Pfanne loß machen, auf eine Schüssel an- richten und hingeben. Kürbis in Milch, Habt ihr denselben auf vorbe- Kürbis nur schlecht, Dieser wird, wenn er erst gepu- Kuß, oder Mäulgen, auch Schmätzgen, und Heitz- gen Genannt, ist eine aus Liebe her- Kuß Plutarchus in seinen QuaestionibusRomanis will den Ursprung der Küsse daher deriviren, weil denen Römischen Weibern der Wein scharff verboten war; auf- daß man nun erfahren hätte, ob auch die Weiber wieder solches Verbot gehandelt, und etwan ihr nach Wein riechender Athem ein Verräther solches Verbrechens wäre, hätte man ein Gesetze ge- macht, daß die nechsten Anverwand- te ihren Freundinnen bey dem Ein- tritt und Gruß ihnen den Mund bieten und sie küssen solten, um zu erforschen, ob selbige auch Wein ge- truncken. Wiewohl auch einige die Ersindung der Küsse denen Tro- janischen Weibern zuschreiben wol- len, welche damahls nach der Zer- störung der Stadt Troja ihrer Männer Schiffe auf dem Fluß Ty- bris in Abwesenheit der Männer damit sie sich nebenst ihnen nicht weiter auf dem ungestümen Meere herum placken dürfften, angestecket und verbrant; weil sie nun ihrer wiederkommenden Männer Zorn und Unmuth verspüret, wären sie ihren erzürnten Männern mit ausgestreckten Armen entgegen ge- gangen, selbige freundlich umfan- gen und geküst, und dadurch den Zorn wieder gestillet. In dem Jure Feudali oder Lehn-Recht ver- liehret ein Vasall, der seines Herrn Weib geküsset, sein gantzes Lehn, wenn nehmlich der Kuß nicht aus Schertz, sondern einer geilen Liebe geschehen. Roman. d. Oscul. §. 24. Die Clerici und Geistlichen ha- ben eine grosse Praerogativ in diesem Stücke, angesehen sie sonder Stra- fe und bösen Argwohn eine Frau oder
[Spaltenumbruch]
Kuͤrbis Kuß ſchuͤttet das abgeruͤhrte hinein, ſe-tzet ſolches in heiſſen Backofen und laſſet es backen. So es nun fertig, muͤſſet ihr es in der Torten-Pfanne loß machen, auf eine Schuͤſſel an- richten und hingeben. Kuͤrbis in Milch, Habt ihr denſelben auf vorbe- Kuͤrbis nur ſchlecht, Dieſer wird, wenn er erſt gepu- Kuß, oder Maͤulgen, auch Schmaͤtzgen, und Heitz- gen Genannt, iſt eine aus Liebe her- Kuß Plutarchus in ſeinen QuæſtionibusRomanis will den Urſprung der Kuͤſſe daher deriviren, weil denen Roͤmiſchen Weibern der Wein ſcharff verboten war; auf- daß man nun erfahren haͤtte, ob auch die Weiber wieder ſolches Verbot gehandelt, und etwan ihr nach Wein riechender Athem ein Verraͤther ſolches Verbrechens waͤre, haͤtte man ein Geſetze ge- macht, daß die nechſten Anveꝛwand- te ihren Freundinnen bey dem Ein- tritt und Gruß ihnen den Mund bieten und ſie kuͤſſen ſolten, um zu erforſchen, ob ſelbige auch Wein ge- truncken. Wiewohl auch einige die Erſindung der Kuͤſſe denen Tro- janiſchen Weibern zuſchreiben wol- len, welche damahls nach der Zer- ſtoͤrung der Stadt Troja ihrer Maͤnner Schiffe auf dem Fluß Ty- bris in Abweſenheit der Maͤnner damit ſie ſich nebenſt ihnen nicht weiter auf dem ungeſtuͤmen Meere herum placken duͤrfften, angeſtecket und verbrant; weil ſie nun ihrer wiederkommenden Maͤnner Zorn und Unmuth verſpuͤret, waͤren ſie ihren erzuͤrnten Maͤnnern mit ausgeſtreckten Armen entgegen ge- gangen, ſelbige freundlich umfan- gen und gekuͤſt, und dadurch den Zorn wieder geſtillet. In dem Jure Feudali oder Lehn-Recht ver- liehret ein Vaſall, der ſeines Herrn Weib gekuͤſſet, ſein gantzes Lehn, wenn nehmlich der Kuß nicht aus Schertz, ſondern einer geilen Liebe geſchehen. Roman. d. Oſcul. §. 24. Die Clerici und Geiſtlichen ha- ben eine groſſe Prærogativ in dieſem Stuͤcke, angeſehen ſie ſonder Stra- fe und boͤſen Argwohn eine Frau oder
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Kuͤrbis Kuß
Kuß
ſchuͤttet das abgeruͤhrte hinein, ſe-
tzet ſolches in heiſſen Backofen und
laſſet es backen. So es nun fertig,
muͤſſet ihr es in der Torten-Pfanne
loß machen, auf eine Schuͤſſel an-
richten und hingeben.
Kuͤrbis in Milch,
Habt ihr denſelben auf vorbe-
ſchriebene Art abgeſeiget, ſo thut
ſolchen mit geriebener Semmel in
einen Topff, gieſſet Milch darauf,
und laſſet es am Feuer kochen.
Hernach quirrelt es klar, wuͤrtzet es
mit Ingber und Pfeffer und leget
ein Stuͤck Butter drein. Wollet
ihr es bald anrichten, koͤnnet ihr ein
Paar Eyer klar quirreln, und ſie
darunter ruͤhren, alsdenn moͤget
ihr es anrichten und hingeben.
Kuͤrbis nur ſchlecht,
Dieſer wird, wenn er erſt gepu-
tzet, abgeſeiget und abgeſotten wor-
den, mit Milch und Semmel wieder
ans Feuer geſetzet, daran er kochen
muß: darnach ſolt ihr ihn mit Ing-
ber und Pfeffer wuͤrtzen, klar
quirreln, ein wenig ſaltzen, ihn an-
richten und braune Butter druͤber
brennen.
Kuß, oder Maͤulgen, auch
Schmaͤtzgen, und Heitz-
gen
Genannt, iſt eine aus Liebe her-
ruͤhrende und entbrannte Zuſam-
menſtoſſung und Vereinigung
derer Lippen, wo der Mund von
zwey Perſonen ſo feſt aneinander
gedruͤcket wird, daß die Lippen bey
dem Abzug einen rechten und deut-
lichen Nachklang zum Zeichen des
Wohlgeſchmacks von ſich geben.
Plutarchus in ſeinen Quæſtionibus
Romanis will den Urſprung der
Kuͤſſe daher deriviren, weil
denen Roͤmiſchen Weibern der
Wein ſcharff verboten war; auf-
daß man nun erfahren haͤtte, ob
auch die Weiber wieder ſolches
Verbot gehandelt, und etwan ihr
nach Wein riechender Athem ein
Verraͤther ſolches Verbrechens
waͤre, haͤtte man ein Geſetze ge-
macht, daß die nechſten Anveꝛwand-
te ihren Freundinnen bey dem Ein-
tritt und Gruß ihnen den Mund
bieten und ſie kuͤſſen ſolten, um zu
erforſchen, ob ſelbige auch Wein ge-
truncken. Wiewohl auch einige
die Erſindung der Kuͤſſe denen Tro-
janiſchen Weibern zuſchreiben wol-
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ſtoͤrung der Stadt Troja ihrer
Maͤnner Schiffe auf dem Fluß Ty-
bris in Abweſenheit der Maͤnner
damit ſie ſich nebenſt ihnen nicht
weiter auf dem ungeſtuͤmen Meere
herum placken duͤrfften, angeſtecket
und verbrant; weil ſie nun ihrer
wiederkommenden Maͤnner Zorn
und Unmuth verſpuͤret, waͤren ſie
ihren erzuͤrnten Maͤnnern mit
ausgeſtreckten Armen entgegen ge-
gangen, ſelbige freundlich umfan-
gen und gekuͤſt, und dadurch den
Zorn wieder geſtillet. In dem
Jure Feudali oder Lehn-Recht ver-
liehret ein Vaſall, der ſeines Herrn
Weib gekuͤſſet, ſein gantzes Lehn,
wenn nehmlich der Kuß nicht aus
Schertz, ſondern einer geilen Liebe
geſchehen. Roman. d. Oſcul. §.
24. Die Clerici und Geiſtlichen ha-
ben eine groſſe Prærogativ in dieſem
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