Und nun war die Stunde gekommen, da Adam sich aufmachen durfte, der Irmer'schen Einladung Folge zu leisten.
Um die Zeit, da der Nachmittag Miene zu machen begann, sich zum Abend auszuwölben, war der Herr Doctor natürlich mit sich einig gewesen, nicht zu Irmers zu gehen, sich noch entschuldigen zu lassen.
Er war soeben erst nach Hause gekommen.
Am Vormittage hatte er sich, von einer uner- träglich zerfaserten und zerkrümelten Stimmung gequält, fast aus seiner Wohnung geflüchtet .. hatte er sich geflüchtet vor sich selber .. vor einem Gespenst ... vor der furchtbaren Entdeckung, daß er in dieser Stimmung Welt und Leben gegenüber vollständig waffenlos wäre. Die stille, köstliche Heiter- keit des Herzens, mit welcher er gestern heimgekehrt war, hatte sich ihm bis auf den letzten, mageren Nachglanz entzogen .. er verstand sie nicht mehr .. er konnte nicht begreifen, daß er sie besessen .. er verachtete sich, weil er das nicht begreifen, weil er keinen Zusammenhang finden konnte .. und
XIII
Und nun war die Stunde gekommen, da Adam ſich aufmachen durfte, der Irmer'ſchen Einladung Folge zu leiſten.
Um die Zeit, da der Nachmittag Miene zu machen begann, ſich zum Abend auszuwölben, war der Herr Doctor natürlich mit ſich einig geweſen, nicht zu Irmers zu gehen, ſich noch entſchuldigen zu laſſen.
Er war ſoeben erſt nach Hauſe gekommen.
Am Vormittage hatte er ſich, von einer uner- träglich zerfaſerten und zerkrümelten Stimmung gequält, faſt aus ſeiner Wohnung geflüchtet .. hatte er ſich geflüchtet vor ſich ſelber .. vor einem Geſpenſt ... vor der furchtbaren Entdeckung, daß er in dieſer Stimmung Welt und Leben gegenüber vollſtändig waffenlos wäre. Die ſtille, köſtliche Heiter- keit des Herzens, mit welcher er geſtern heimgekehrt war, hatte ſich ihm bis auf den letzten, mageren Nachglanz entzogen .. er verſtand ſie nicht mehr .. er konnte nicht begreifen, daß er ſie beſeſſen .. er verachtete ſich, weil er das nicht begreifen, weil er keinen Zuſammenhang finden konnte .. und
<TEI><text><body><pbfacs="#f0207"n="[199]"/><divn="1"><head><hirendition="#c"><hirendition="#aq">XIII</hi></hi></head><lb/><p>Und nun war die Stunde gekommen, da Adam<lb/>ſich aufmachen durfte, der Irmer'ſchen Einladung<lb/>
Folge zu leiſten.</p><lb/><p>Um die Zeit, da der Nachmittag Miene zu<lb/>
machen begann, ſich zum Abend auszuwölben, war<lb/>
der Herr Doctor natürlich mit ſich einig geweſen,<lb/>
nicht zu Irmers zu gehen, ſich noch entſchuldigen zu<lb/>
laſſen.</p><lb/><p>Er war ſoeben erſt nach Hauſe gekommen.</p><lb/><p>Am Vormittage hatte er ſich, von einer uner-<lb/>
träglich zerfaſerten und zerkrümelten Stimmung<lb/>
gequält, faſt aus ſeiner Wohnung geflüchtet ..<lb/>
hatte er ſich geflüchtet vor ſich ſelber .. vor einem<lb/>
Geſpenſt ... vor der furchtbaren Entdeckung, daß<lb/>
er in dieſer Stimmung Welt und Leben gegenüber<lb/>
vollſtändig waffenlos wäre. Die ſtille, köſtliche Heiter-<lb/>
keit des Herzens, mit welcher er geſtern heimgekehrt<lb/>
war, hatte ſich ihm bis auf den letzten, mageren<lb/>
Nachglanz entzogen .. er verſtand ſie nicht mehr ..<lb/>
er konnte nicht begreifen, daß er ſie beſeſſen ..<lb/>
er verachtete ſich, weil er das nicht begreifen, weil<lb/>
er keinen Zuſammenhang finden konnte .. und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[199]/0207]
XIII
Und nun war die Stunde gekommen, da Adam
ſich aufmachen durfte, der Irmer'ſchen Einladung
Folge zu leiſten.
Um die Zeit, da der Nachmittag Miene zu
machen begann, ſich zum Abend auszuwölben, war
der Herr Doctor natürlich mit ſich einig geweſen,
nicht zu Irmers zu gehen, ſich noch entſchuldigen zu
laſſen.
Er war ſoeben erſt nach Hauſe gekommen.
Am Vormittage hatte er ſich, von einer uner-
träglich zerfaſerten und zerkrümelten Stimmung
gequält, faſt aus ſeiner Wohnung geflüchtet ..
hatte er ſich geflüchtet vor ſich ſelber .. vor einem
Geſpenſt ... vor der furchtbaren Entdeckung, daß
er in dieſer Stimmung Welt und Leben gegenüber
vollſtändig waffenlos wäre. Die ſtille, köſtliche Heiter-
keit des Herzens, mit welcher er geſtern heimgekehrt
war, hatte ſich ihm bis auf den letzten, mageren
Nachglanz entzogen .. er verſtand ſie nicht mehr ..
er konnte nicht begreifen, daß er ſie beſeſſen ..
er verachtete ſich, weil er das nicht begreifen, weil
er keinen Zuſammenhang finden konnte .. und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [199]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/207>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.