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Collin, Heinrich Joseph von: Coriolan. Berlin, 1804.

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Ich hab's um dich verdient -- Die Götter wissen's!
Früh starb dein Vater -- doch -- ich faßte Muth.
So sehr sich das Gefühl der Mutter sträubte,
Ich nahm die schwere Vaterpflicht auf mich;
Und siegend hob ich dich zum Mann empor.
Wer hat den Bürgersinn, den Heldenmuth
In dir geweckt, genährt? Ich war es, Sohn --
Ein schwaches Weib, durch Mutterliebe stark.
Wie groß du bist, du bist es auch durch mich!
Bedenke dies, und sey nicht rauh, mein Sohn!
Volumnia.
Er hat dir's oft gedankt; er dankt dir's noch!
Coriolan.
Was du nun Wahres sprachst, o Mutter, oft
Und in dem tiefsten Herzen hab' ich mir's
Bedacht, und Unmuth hat mich dann ergriffen,
Daß ich die Liebe dir nicht lohnen kann.
Veturia.
Du kannst mir lohnen, jetzt, mein Marcius!
Mein edler Sohn! du kannst mir herrlich lohnen.
So ward noch keine Mutter je geehrt,
Wie du mich ehrst, wenn du mein Flehn erfüllest.
Dann preist mich Rom als seine Retterin,
Dann nennt der Enkel mich in ferner Zeit,
Dann reicht dein Ahnherr Ancus Marcius
Mir dankend im Elysium die Hand --
O guter Sohn! dann bin ich hochbeglückt!
Coriolan.
Ha, welche Qual!
Ich hab’s um dich verdient — Die Götter wiſſen’s!
Früh ſtarb dein Vater — doch — ich faßte Muth.
So ſehr ſich das Gefühl der Mutter ſträubte,
Ich nahm die ſchwere Vaterpflicht auf mich;
Und ſiegend hob ich dich zum Mann empor.
Wer hat den Bürgerſinn, den Heldenmuth
In dir geweckt, genährt? Ich war es, Sohn —
Ein ſchwaches Weib, durch Mutterliebe ſtark.
Wie groß du biſt, du biſt es auch durch mich!
Bedenke dies, und ſey nicht rauh, mein Sohn!
Volumnia.
Er hat dir’s oft gedankt; er dankt dir’s noch!
Coriolan.
Was du nun Wahres ſprachſt, o Mutter, oft
Und in dem tiefſten Herzen hab’ ich mir’s
Bedacht, und Unmuth hat mich dann ergriffen,
Daß ich die Liebe dir nicht lohnen kann.
Veturia.
Du kannſt mir lohnen, jetzt, mein Marcius!
Mein edler Sohn! du kannſt mir herrlich lohnen.
So ward noch keine Mutter je geehrt,
Wie du mich ehrſt, wenn du mein Flehn erfülleſt.
Dann preiſt mich Rom als ſeine Retterin,
Dann nennt der Enkel mich in ferner Zeit,
Dann reicht dein Ahnherr Ancus Marcius
Mir dankend im Elyſium die Hand —
O guter Sohn! dann bin ich hochbeglückt!
Coriolan.
Ha, welche Qual!
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[111/0119] Ich hab’s um dich verdient — Die Götter wiſſen’s! Früh ſtarb dein Vater — doch — ich faßte Muth. So ſehr ſich das Gefühl der Mutter ſträubte, Ich nahm die ſchwere Vaterpflicht auf mich; Und ſiegend hob ich dich zum Mann empor. Wer hat den Bürgerſinn, den Heldenmuth In dir geweckt, genährt? Ich war es, Sohn — Ein ſchwaches Weib, durch Mutterliebe ſtark. Wie groß du biſt, du biſt es auch durch mich! Bedenke dies, und ſey nicht rauh, mein Sohn! Volumnia. Er hat dir’s oft gedankt; er dankt dir’s noch! Coriolan. Was du nun Wahres ſprachſt, o Mutter, oft Und in dem tiefſten Herzen hab’ ich mir’s Bedacht, und Unmuth hat mich dann ergriffen, Daß ich die Liebe dir nicht lohnen kann. Veturia. Du kannſt mir lohnen, jetzt, mein Marcius! Mein edler Sohn! du kannſt mir herrlich lohnen. So ward noch keine Mutter je geehrt, Wie du mich ehrſt, wenn du mein Flehn erfülleſt. Dann preiſt mich Rom als ſeine Retterin, Dann nennt der Enkel mich in ferner Zeit, Dann reicht dein Ahnherr Ancus Marcius Mir dankend im Elyſium die Hand — O guter Sohn! dann bin ich hochbeglückt! Coriolan. Ha, welche Qual!

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Collin, Heinrich Joseph von: Coriolan. Berlin, 1804, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/collin_coriolan_1804/119>, abgerufen am 27.04.2024.