Die deutsche Frauenbewegung gleicht in ihren Anfängen den ersten Stadien der deutschen Arbeiterbewegung. Aber sehr bald hört die Aehnlichkeit auf. Die Arbeiterbewegung erlangt Bedeutung dadurch, daß sie den radicalen Zug annimmt; die Frauenbewegung dadurch, daß sie den Charakter der Mäßigung festhält. Die Arbeiterbewegung ist eine Bewegung des Pro- letariats; die Frauenbewegung ist eine Bewegung der Mittel- classen. Beide berühren sich zwar durch einige Ausläufer; aber diese Erscheinung ist nicht das, was uns beschäftigt. Die Frauen- bewegung hat zum Gegenstande die fortschreitende Bethätigung weiblicher Kräfte, hierbei zunächst so wenig die Erweiterung ihrer Rechte betonend, daß es vielmehr die Pflichten zu sein scheinen, auf welche der Nachdruck fällt. Jhr Schwerpunkt liegt weit mehr in den Anregungen und Veranstaltungen, durch welche sie die Kräfte des weiblichen Geschlechts entwickeln will, als in den Forderungen, welche sie für deren Wirksamkeit an Staat und Gesellschaft stellt. Diese Forderungen werden erst in den letzten Jahren etwas lebhafter; aber auch jetzt zeigt ihre Vor- bereitung, ihr Zusammenhang und ihr Erfolg (selbst für den, der ihnen nicht geneigt ist), daß sie an die gegebenen Zustände und an das Maß des Erreichbaren anknüpfen.
Ein Blick auf den bisherigen Gang der Dinge soll dies verdeutlichen.
I.
Die deutsche Frauenbewegung gleicht in ihren Anfängen den ersten Stadien der deutschen Arbeiterbewegung. Aber sehr bald hört die Aehnlichkeit auf. Die Arbeiterbewegung erlangt Bedeutung dadurch, daß sie den radicalen Zug annimmt; die Frauenbewegung dadurch, daß sie den Charakter der Mäßigung festhält. Die Arbeiterbewegung ist eine Bewegung des Pro- letariats; die Frauenbewegung ist eine Bewegung der Mittel- classen. Beide berühren sich zwar durch einige Ausläufer; aber diese Erscheinung ist nicht das, was uns beschäftigt. Die Frauen- bewegung hat zum Gegenstande die fortschreitende Bethätigung weiblicher Kräfte, hierbei zunächst so wenig die Erweiterung ihrer Rechte betonend, daß es vielmehr die Pflichten zu sein scheinen, auf welche der Nachdruck fällt. Jhr Schwerpunkt liegt weit mehr in den Anregungen und Veranstaltungen, durch welche sie die Kräfte des weiblichen Geschlechts entwickeln will, als in den Forderungen, welche sie für deren Wirksamkeit an Staat und Gesellschaft stellt. Diese Forderungen werden erst in den letzten Jahren etwas lebhafter; aber auch jetzt zeigt ihre Vor- bereitung, ihr Zusammenhang und ihr Erfolg (selbst für den, der ihnen nicht geneigt ist), daß sie an die gegebenen Zustände und an das Maß des Erreichbaren anknüpfen.
Ein Blick auf den bisherigen Gang der Dinge soll dies verdeutlichen.
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I.
Die deutsche Frauenbewegung gleicht in ihren Anfängen
den ersten Stadien der deutschen Arbeiterbewegung. Aber sehr
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Bedeutung dadurch, daß sie den radicalen Zug annimmt; die
Frauenbewegung dadurch, daß sie den Charakter der Mäßigung
festhält. Die Arbeiterbewegung ist eine Bewegung des Pro-
letariats; die Frauenbewegung ist eine Bewegung der Mittel-
classen. Beide berühren sich zwar durch einige Ausläufer; aber
diese Erscheinung ist nicht das, was uns beschäftigt. Die Frauen-
bewegung hat zum Gegenstande die fortschreitende Bethätigung
weiblicher Kräfte, hierbei zunächst so wenig die Erweiterung
ihrer Rechte betonend, daß es vielmehr die Pflichten zu sein
scheinen, auf welche der Nachdruck fällt. Jhr Schwerpunkt liegt
weit mehr in den Anregungen und Veranstaltungen, durch welche
sie die Kräfte des weiblichen Geschlechts entwickeln will, als in
den Forderungen, welche sie für deren Wirksamkeit an Staat
und Gesellschaft stellt. Diese Forderungen werden erst in den
letzten Jahren etwas lebhafter; aber auch jetzt zeigt ihre Vor-
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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. [13]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/29>, abgerufen am 03.03.2025.
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