Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Die wichtigsten Grundsätze des Kriegführens
zur Ergänzung meines Unterrichts bei Sr.
Königlichen Hoheit dem Kronprinzen
.

Diese Grundsätze, obgleich das Resultat längeren Nach-
denkens und eines fortgesetzten Studiums der Kriegsge-
schichte, sind gleichwohl nur ganz flüchtig aufgesetzt und
leiden in Rücksicht auf ihre Form durchaus keine strenge
Kritik. Übrigens sind von der Menge der Gegenstände
nur die wichtigsten herausgehoben, weil es wesentlich auf
eine gewisse Kürze ankam. Es können daher diese Grund-
sätze Ew. Königlichen Hoheit nicht sowohl eine vollständige
Belehrung gewähren, als sie vielmehr Veranlassungen zum
Eignen Nachdenken werden und bei diesem Nachdenken
zum Leitfaden dienen sollen.

I. Grundsätze für den Krieg überhaupt.

1. Die Theorie des Krieges beschäftigt sich zwar
vorzüglich damit wie man auf den entscheidenden Punkten
ein Übergewicht von physischen Kräften und Vortheilen
erhalten könne; allein wenn dieses nicht möglich ist, so
lehrt die Theorie auch auf die moralischen Größen kalku-
liren: auf die wahrscheinlichen Fehler des Feindes, auf
den Eindruck welchen ein kühnes Unternehmen macht u.
s. w., ja auf unsere eigene Verzweiflung selbst. Alles
dieses liegt gar nicht außer dem Gebiete der Kriegskunst
und ihrer Theorie, denn diese ist Nichts als ein vernünf-

Die wichtigſten Grundſaͤtze des Kriegfuͤhrens
zur Ergaͤnzung meines Unterrichts bei Sr.
Koͤniglichen Hoheit dem Kronprinzen
.

Dieſe Grundſaͤtze, obgleich das Reſultat laͤngeren Nach-
denkens und eines fortgeſetzten Studiums der Kriegsge-
ſchichte, ſind gleichwohl nur ganz fluͤchtig aufgeſetzt und
leiden in Ruͤckſicht auf ihre Form durchaus keine ſtrenge
Kritik. Übrigens ſind von der Menge der Gegenſtaͤnde
nur die wichtigſten herausgehoben, weil es weſentlich auf
eine gewiſſe Kuͤrze ankam. Es koͤnnen daher dieſe Grund-
ſaͤtze Ew. Koͤniglichen Hoheit nicht ſowohl eine vollſtaͤndige
Belehrung gewaͤhren, als ſie vielmehr Veranlaſſungen zum
Eignen Nachdenken werden und bei dieſem Nachdenken
zum Leitfaden dienen ſollen.

I. Grundſaͤtze fuͤr den Krieg uͤberhaupt.

1. Die Theorie des Krieges beſchaͤftigt ſich zwar
vorzuͤglich damit wie man auf den entſcheidenden Punkten
ein Übergewicht von phyſiſchen Kraͤften und Vortheilen
erhalten koͤnne; allein wenn dieſes nicht moͤglich iſt, ſo
lehrt die Theorie auch auf die moraliſchen Groͤßen kalku-
liren: auf die wahrſcheinlichen Fehler des Feindes, auf
den Eindruck welchen ein kuͤhnes Unternehmen macht u.
ſ. w., ja auf unſere eigene Verzweiflung ſelbſt. Alles
dieſes liegt gar nicht außer dem Gebiete der Kriegskunſt
und ihrer Theorie, denn dieſe iſt Nichts als ein vernuͤnf-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0224" n="210"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Die wichtig&#x017F;ten Grund&#x017F;a&#x0364;tze des Kriegfu&#x0364;hrens<lb/>
zur Erga&#x0364;nzung meines Unterrichts bei Sr.<lb/>
Ko&#x0364;niglichen Hoheit dem Kronprinzen</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die&#x017F;e Grund&#x017F;a&#x0364;tze, obgleich das Re&#x017F;ultat la&#x0364;ngeren Nach-<lb/>
denkens und eines fortge&#x017F;etzten Studiums der Kriegsge-<lb/>
&#x017F;chichte, &#x017F;ind gleichwohl nur ganz flu&#x0364;chtig aufge&#x017F;etzt und<lb/>
leiden in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf ihre Form durchaus keine &#x017F;trenge<lb/>
Kritik. Übrigens &#x017F;ind von der Menge der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
nur die wichtig&#x017F;ten herausgehoben, weil es we&#x017F;entlich auf<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ku&#x0364;rze ankam. Es ko&#x0364;nnen daher die&#x017F;e Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze Ew. Ko&#x0364;niglichen Hoheit nicht &#x017F;owohl eine voll&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Belehrung gewa&#x0364;hren, als &#x017F;ie vielmehr Veranla&#x017F;&#x017F;ungen zum<lb/>
Eignen Nachdenken werden und bei die&#x017F;em Nachdenken<lb/>
zum Leitfaden dienen &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Grund&#x017F;a&#x0364;tze fu&#x0364;r den Krieg u&#x0364;berhaupt</hi>.</head><lb/>
            <p>1. Die Theorie des Krieges be&#x017F;cha&#x0364;ftigt &#x017F;ich zwar<lb/>
vorzu&#x0364;glich damit wie man auf den ent&#x017F;cheidenden Punkten<lb/>
ein Übergewicht von phy&#x017F;i&#x017F;chen Kra&#x0364;ften und Vortheilen<lb/>
erhalten ko&#x0364;nne; allein wenn die&#x017F;es nicht mo&#x0364;glich i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
lehrt die Theorie auch auf die morali&#x017F;chen Gro&#x0364;ßen kalku-<lb/>
liren: auf die wahr&#x017F;cheinlichen Fehler des Feindes, auf<lb/>
den Eindruck welchen ein ku&#x0364;hnes Unternehmen macht u.<lb/>
&#x017F;. w., ja auf un&#x017F;ere eigene Verzweiflung &#x017F;elb&#x017F;t. Alles<lb/>
die&#x017F;es liegt gar nicht außer dem Gebiete der Kriegskun&#x017F;t<lb/>
und ihrer Theorie, denn die&#x017F;e i&#x017F;t Nichts als ein vernu&#x0364;nf-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0224] Die wichtigſten Grundſaͤtze des Kriegfuͤhrens zur Ergaͤnzung meines Unterrichts bei Sr. Koͤniglichen Hoheit dem Kronprinzen. Dieſe Grundſaͤtze, obgleich das Reſultat laͤngeren Nach- denkens und eines fortgeſetzten Studiums der Kriegsge- ſchichte, ſind gleichwohl nur ganz fluͤchtig aufgeſetzt und leiden in Ruͤckſicht auf ihre Form durchaus keine ſtrenge Kritik. Übrigens ſind von der Menge der Gegenſtaͤnde nur die wichtigſten herausgehoben, weil es weſentlich auf eine gewiſſe Kuͤrze ankam. Es koͤnnen daher dieſe Grund- ſaͤtze Ew. Koͤniglichen Hoheit nicht ſowohl eine vollſtaͤndige Belehrung gewaͤhren, als ſie vielmehr Veranlaſſungen zum Eignen Nachdenken werden und bei dieſem Nachdenken zum Leitfaden dienen ſollen. I. Grundſaͤtze fuͤr den Krieg uͤberhaupt. 1. Die Theorie des Krieges beſchaͤftigt ſich zwar vorzuͤglich damit wie man auf den entſcheidenden Punkten ein Übergewicht von phyſiſchen Kraͤften und Vortheilen erhalten koͤnne; allein wenn dieſes nicht moͤglich iſt, ſo lehrt die Theorie auch auf die moraliſchen Groͤßen kalku- liren: auf die wahrſcheinlichen Fehler des Feindes, auf den Eindruck welchen ein kuͤhnes Unternehmen macht u. ſ. w., ja auf unſere eigene Verzweiflung ſelbſt. Alles dieſes liegt gar nicht außer dem Gebiete der Kriegskunſt und ihrer Theorie, denn dieſe iſt Nichts als ein vernuͤnf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/224
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/224>, abgerufen am 20.11.2024.