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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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von den Begebenheiten der Cörper.
einerley Handlung seyn, wenn sie gleich die Ku-
geln nur in die freye Lufft schössen, aber weil es
dabey nicht um die Abfeurung der Canonen, son-
dern um den Umsturtz des Walles zu thun ist, so
wird davon die Arbeit der Canonirer benennet.

§. 35.
Ein anscheinender Widerspruch bey cör-
perlichen Begebenheiten.

Die Handlungen der Dinge sind öffters ver-
gebens, besonders der Menschen: wie viele ma-
chen
nicht, wie man sagt, Gold, ohne jemahls
darzu zu gelangen? Wie viele fahren nach Ost-
indien, die dasselbe doch nie zu sehen bekommen?
man führet offt die Feder, da doch wegen Zähig-
keit der Dinten keine Buchstaben werden. Da
man nun die Handlungen nach ihren Würckun-
gen zu benennen pflegt (§. 34.); so kan eine Er-
zehlung vorkommen, daß etwas geschehen sey,
welches nach einer andern Erzehlung doch nicht
geschehen ist: Sie sind beyde wahr, aber im ver-
schiedenen Verstande. Man sagt z. E. in dieser
oder jener Stadt würden die Armen reichlich
versorgt:
wenn nehmlich milde Stifftungen und
andere nöthige fonds darzu vorhanden sind. Ob
es aber deswegen würcklich geschehe, ist eine an-
dere Frage. Wir wollen ein noch sinnlicher Ex-
empel beyfügen. Der Schlosser wird zu Oeff-
nung einer Thüre herbey geholt; man siehet ihm
zu, wie er sich ans Werck macht: jedermann sagt:
er mache die Thüre auf: gleichwohl wenn das
Schloß wegen seiner künstlichen Riegel nicht auf-

gehet,
D

von den Begebenheiten der Coͤrper.
einerley Handlung ſeyn, wenn ſie gleich die Ku-
geln nur in die freye Lufft ſchoͤſſen, aber weil es
dabey nicht um die Abfeurung der Canonen, ſon-
dern um den Umſturtz des Walles zu thun iſt, ſo
wird davon die Arbeit der Canonirer benennet.

§. 35.
Ein anſcheinender Widerſpruch bey coͤr-
perlichen Begebenheiten.

Die Handlungen der Dinge ſind oͤffters ver-
gebens, beſonders der Menſchen: wie viele ma-
chen
nicht, wie man ſagt, Gold, ohne jemahls
darzu zu gelangen? Wie viele fahren nach Oſt-
indien, die daſſelbe doch nie zu ſehen bekommen?
man fuͤhret offt die Feder, da doch wegen Zaͤhig-
keit der Dinten keine Buchſtaben werden. Da
man nun die Handlungen nach ihren Wuͤrckun-
gen zu benennen pflegt (§. 34.); ſo kan eine Er-
zehlung vorkommen, daß etwas geſchehen ſey,
welches nach einer andern Erzehlung doch nicht
geſchehen iſt: Sie ſind beyde wahr, aber im ver-
ſchiedenen Verſtande. Man ſagt z. E. in dieſer
oder jener Stadt wuͤrden die Armen reichlich
verſorgt:
wenn nehmlich milde Stifftungen und
andere noͤthige fonds darzu vorhanden ſind. Ob
es aber deswegen wuͤrcklich geſchehe, iſt eine an-
dere Frage. Wir wollen ein noch ſinnlicher Ex-
empel beyfuͤgen. Der Schloſſer wird zu Oeff-
nung einer Thuͤre herbey geholt; man ſiehet ihm
zu, wie er ſich ans Werck macht: jedermann ſagt:
er mache die Thuͤre auf: gleichwohl wenn das
Schloß wegen ſeiner kuͤnſtlichen Riegel nicht auf-

gehet,
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[49/0085] von den Begebenheiten der Coͤrper. einerley Handlung ſeyn, wenn ſie gleich die Ku- geln nur in die freye Lufft ſchoͤſſen, aber weil es dabey nicht um die Abfeurung der Canonen, ſon- dern um den Umſturtz des Walles zu thun iſt, ſo wird davon die Arbeit der Canonirer benennet. §. 35. Ein anſcheinender Widerſpruch bey coͤr- perlichen Begebenheiten. Die Handlungen der Dinge ſind oͤffters ver- gebens, beſonders der Menſchen: wie viele ma- chen nicht, wie man ſagt, Gold, ohne jemahls darzu zu gelangen? Wie viele fahren nach Oſt- indien, die daſſelbe doch nie zu ſehen bekommen? man fuͤhret offt die Feder, da doch wegen Zaͤhig- keit der Dinten keine Buchſtaben werden. Da man nun die Handlungen nach ihren Wuͤrckun- gen zu benennen pflegt (§. 34.); ſo kan eine Er- zehlung vorkommen, daß etwas geſchehen ſey, welches nach einer andern Erzehlung doch nicht geſchehen iſt: Sie ſind beyde wahr, aber im ver- ſchiedenen Verſtande. Man ſagt z. E. in dieſer oder jener Stadt wuͤrden die Armen reichlich verſorgt: wenn nehmlich milde Stifftungen und andere noͤthige fonds darzu vorhanden ſind. Ob es aber deswegen wuͤrcklich geſchehe, iſt eine an- dere Frage. Wir wollen ein noch ſinnlicher Ex- empel beyfuͤgen. Der Schloſſer wird zu Oeff- nung einer Thuͤre herbey geholt; man ſiehet ihm zu, wie er ſich ans Werck macht: jedermann ſagt: er mache die Thuͤre auf: gleichwohl wenn das Schloß wegen ſeiner kuͤnſtlichen Riegel nicht auf- gehet, D

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/85>, abgerufen am 13.11.2024.