es wird allemahl anscheinen, als wenn er von an- dern Cörpern umgeben wäre. Es stehet z. E. ein Baum in einer ziemlichen Entfernung von uns; hinter demselben aber eine weisse Wand: so wird es scheinen, als wenn er von der Wand umgeben wäre, oder als ob er in der Wand stün- de: ingleichen wenn hinter ihm eine grosse Ebene ist, dergestalt, daß ich hinter ihm und auf der Seite nichts als den Himmel sehe, so wird es scheinen, als ob er von dem Himmel umgeben wäre; woraus die Poetische, oder vielmehr recht sinnliche Redensart entstanden ist, daß die ho- hen Bäume ihren Gipfel bis in die Wolcken strecken.
§. 20. Gedencken aber doch eintzelne Cörper allein?
Wir haben aber auch von vielen Cörpern sol- che Vorstellungen, daß wir sie ausser irgend einer Verbindung mit umstehenden Cörpern betrachten. Eine Bildsäule z. E. stelle ich mir gantz allein vor, ohne denen umstehenden Dingen, womit man sie doch, nach dem (§. 19.) verbunden gesehen. Eben so stellet man sich alle bekannte Personen vor, oh- ne die Sachen sich mit vorzustellen, die um sie herum gestanden haben, zu der Zeit, da wir sie haben kennen lernen.
§. 21. und wie solches zugehet?
Da wir uns Cörper ausser der Verbindung mit andern umstehenden gedencken (§. 20.); dem blossen Augenschein aber nach kein Cörper erkannt
wird,
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von den Begebenheiten der Coͤrper.
es wird allemahl anſcheinen, als wenn er von an- dern Coͤrpern umgeben waͤre. Es ſtehet z. E. ein Baum in einer ziemlichen Entfernung von uns; hinter demſelben aber eine weiſſe Wand: ſo wird es ſcheinen, als wenn er von der Wand umgeben waͤre, oder als ob er in der Wand ſtuͤn- de: ingleichen wenn hinter ihm eine groſſe Ebene iſt, dergeſtalt, daß ich hinter ihm und auf der Seite nichts als den Himmel ſehe, ſo wird es ſcheinen, als ob er von dem Himmel umgeben waͤre; woraus die Poetiſche, oder vielmehr recht ſinnliche Redensart entſtanden iſt, daß die ho- hen Baͤume ihren Gipfel bis in die Wolcken ſtrecken.
§. 20. Gedencken aber doch eintzelne Coͤrper allein?
Wir haben aber auch von vielen Coͤrpern ſol- che Vorſtellungen, daß wir ſie auſſer irgend einer Verbindung mit umſtehenden Coͤrpern betrachten. Eine Bildſaͤule z. E. ſtelle ich mir gantz allein vor, ohne denen umſtehenden Dingen, womit man ſie doch, nach dem (§. 19.) verbunden geſehen. Eben ſo ſtellet man ſich alle bekannte Perſonen vor, oh- ne die Sachen ſich mit vorzuſtellen, die um ſie herum geſtanden haben, zu der Zeit, da wir ſie haben kennen lernen.
§. 21. und wie ſolches zugehet?
Da wir uns Coͤrper auſſer der Verbindung mit andern umſtehenden gedencken (§. 20.); dem bloſſen Augenſchein aber nach kein Coͤrper erkannt
wird,
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von den Begebenheiten der Coͤrper.
es wird allemahl anſcheinen, als wenn er von an-
dern Coͤrpern umgeben waͤre. Es ſtehet z. E.
ein Baum in einer ziemlichen Entfernung von
uns; hinter demſelben aber eine weiſſe Wand:
ſo wird es ſcheinen, als wenn er von der Wand
umgeben waͤre, oder als ob er in der Wand ſtuͤn-
de: ingleichen wenn hinter ihm eine groſſe Ebene
iſt, dergeſtalt, daß ich hinter ihm und auf der
Seite nichts als den Himmel ſehe, ſo wird es
ſcheinen, als ob er von dem Himmel umgeben
waͤre; woraus die Poetiſche, oder vielmehr recht
ſinnliche Redensart entſtanden iſt, daß die ho-
hen Baͤume ihren Gipfel bis in die Wolcken
ſtrecken.
§. 20.
Gedencken aber doch eintzelne Coͤrper allein?
Wir haben aber auch von vielen Coͤrpern ſol-
che Vorſtellungen, daß wir ſie auſſer irgend einer
Verbindung mit umſtehenden Coͤrpern betrachten.
Eine Bildſaͤule z. E. ſtelle ich mir gantz allein vor,
ohne denen umſtehenden Dingen, womit man ſie
doch, nach dem (§. 19.) verbunden geſehen. Eben
ſo ſtellet man ſich alle bekannte Perſonen vor, oh-
ne die Sachen ſich mit vorzuſtellen, die um ſie
herum geſtanden haben, zu der Zeit, da wir ſie
haben kennen lernen.
§. 21.
und wie ſolches zugehet?
Da wir uns Coͤrper auſſer der Verbindung
mit andern umſtehenden gedencken (§. 20.); dem
bloſſen Augenſchein aber nach kein Coͤrper erkannt
wird,
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/75>, abgerufen am 03.03.2025.
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