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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Zweytes Capitel,
§. 8.
Was es heisset: auf eine Sache sehen?

Ohngeachtet wir uns jedem Augenblick einen
gantzen Prospeckt, und mithin eine Menge Cör-
per vorstellen (§. 7.), so ist doch aus der Erfah-
rung bekannt, daß wir uns nur eines gewissen
Gegenstandes, aus der gantzen Aussicht, auf ein-
mahl bewußt seyn. Und dieses ist allemahl der-
jenige Cörper, von welchem die Stralen perpen-
diculär auf unsere Sehe fallen. Man sagt von
diesem Theile der Aussicht: man sehe drauf.
Z. E. ich sehe aufs Buch: ich sehe jemanden auf
die Finger. Jngleichen, weil derselbe Cörper zu
derselben Zeit das vornehmste von der gantzen
Aussicht ist; so pflegt man, wenn man sagen soll,
was man siehet, nicht die gantze Aussicht anzuge-
ben, sondern nur das, was directe in unsere
Augen fället.

§. 9.
Wie der erste Anblick einer Sache be-
schaffen?

Der erste Anblick eines Cörpers ist nicht zu-
reichend, einen klaren Begriff davon in uns zu
erwecken. Die Erfahrung beweiset solches zur
Gnüge. Man lasse jemanden einen Blick durchs
Vergrösserungsglaß auf einen Cörper thun, so
wird er nicht wissen, was er gesehen hat, ohn-
geachtet es gewiß ist, daß er nicht allein eine neue
Aussicht gehabt, sondern auch einen gewissen Theil
des Cörpers insbesondere erblickt hat. Ein an-
ders ist, wenn ihm die Sache schon vorher bekannt

ist;
Zweytes Capitel,
§. 8.
Was es heiſſet: auf eine Sache ſehen?

Ohngeachtet wir uns jedem Augenblick einen
gantzen Proſpeckt, und mithin eine Menge Coͤr-
per vorſtellen (§. 7.), ſo iſt doch aus der Erfah-
rung bekannt, daß wir uns nur eines gewiſſen
Gegenſtandes, aus der gantzen Ausſicht, auf ein-
mahl bewußt ſeyn. Und dieſes iſt allemahl der-
jenige Coͤrper, von welchem die Stralen perpen-
diculaͤr auf unſere Sehe fallen. Man ſagt von
dieſem Theile der Ausſicht: man ſehe drauf.
Z. E. ich ſehe aufs Buch: ich ſehe jemanden auf
die Finger. Jngleichen, weil derſelbe Coͤrper zu
derſelben Zeit das vornehmſte von der gantzen
Ausſicht iſt; ſo pflegt man, wenn man ſagen ſoll,
was man ſiehet, nicht die gantze Ausſicht anzuge-
ben, ſondern nur das, was directe in unſere
Augen faͤllet.

§. 9.
Wie der erſte Anblick einer Sache be-
ſchaffen?

Der erſte Anblick eines Coͤrpers iſt nicht zu-
reichend, einen klaren Begriff davon in uns zu
erwecken. Die Erfahrung beweiſet ſolches zur
Gnuͤge. Man laſſe jemanden einen Blick durchs
Vergroͤſſerungsglaß auf einen Coͤrper thun, ſo
wird er nicht wiſſen, was er geſehen hat, ohn-
geachtet es gewiß iſt, daß er nicht allein eine neue
Ausſicht gehabt, ſondern auch einen gewiſſen Theil
des Coͤrpers insbeſondere erblickt hat. Ein an-
ders iſt, wenn ihm die Sache ſchon vorher bekannt

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[32/0068] Zweytes Capitel, §. 8. Was es heiſſet: auf eine Sache ſehen? Ohngeachtet wir uns jedem Augenblick einen gantzen Proſpeckt, und mithin eine Menge Coͤr- per vorſtellen (§. 7.), ſo iſt doch aus der Erfah- rung bekannt, daß wir uns nur eines gewiſſen Gegenſtandes, aus der gantzen Ausſicht, auf ein- mahl bewußt ſeyn. Und dieſes iſt allemahl der- jenige Coͤrper, von welchem die Stralen perpen- diculaͤr auf unſere Sehe fallen. Man ſagt von dieſem Theile der Ausſicht: man ſehe drauf. Z. E. ich ſehe aufs Buch: ich ſehe jemanden auf die Finger. Jngleichen, weil derſelbe Coͤrper zu derſelben Zeit das vornehmſte von der gantzen Ausſicht iſt; ſo pflegt man, wenn man ſagen ſoll, was man ſiehet, nicht die gantze Ausſicht anzuge- ben, ſondern nur das, was directe in unſere Augen faͤllet. §. 9. Wie der erſte Anblick einer Sache be- ſchaffen? Der erſte Anblick eines Coͤrpers iſt nicht zu- reichend, einen klaren Begriff davon in uns zu erwecken. Die Erfahrung beweiſet ſolches zur Gnuͤge. Man laſſe jemanden einen Blick durchs Vergroͤſſerungsglaß auf einen Coͤrper thun, ſo wird er nicht wiſſen, was er geſehen hat, ohn- geachtet es gewiß iſt, daß er nicht allein eine neue Ausſicht gehabt, ſondern auch einen gewiſſen Theil des Coͤrpers insbeſondere erblickt hat. Ein an- ders iſt, wenn ihm die Sache ſchon vorher bekannt iſt;

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/68>, abgerufen am 30.12.2024.