Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Eilfftes Capitel, Menschen in ihren Hertzen haben widerspricht; odervielmehr zu widersprechen scheinet. Jede von diesen Eigenschafften verbindet den Geschichtschreiber zu einer besondern Pflicht, wenn er Gewißheit bey seinen Lesern erhalten will. Nehmlich 1. er muß seine Erzehlung so einrichten, daß man auch die Ursachen einer Begebenheit daraus absehen kan. Darzu haben wir im achten Capitel vollständige Anleitung gegeben. 2. Daß er das Paradoxe, wo es möglich ist, auf irgend eine Art begreifflich mache. Denn was doch würcklich geschehen, das muß ausgemachten Wahrheiten, nicht wi- dersprechen. Was nicht in des Geschichtschrei- bers Gewalt hierbey stehet, das ist auch nicht von ihm zu fordern. Ein Exempel solcher Sorgfalt, nebst andern zum unglaublichen Erzehlungen ge- hörigen Dingen, kan man nachlesen in der Aus- legekunst (§. 315. seqq.) §. 24. Zwey Hauptarten der Denckmahle. Wir kommen nunmehro auf die Monumenta, in
Eilfftes Capitel, Menſchen in ihren Hertzen haben widerſpricht; odervielmehr zu widerſprechen ſcheinet. Jede von dieſen Eigenſchafften verbindet den Geſchichtſchreiber zu einer beſondern Pflicht, wenn er Gewißheit bey ſeinen Leſern erhalten will. Nehmlich 1. er muß ſeine Erzehlung ſo einrichten, daß man auch die Urſachen einer Begebenheit daraus abſehen kan. Darzu haben wir im achten Capitel vollſtaͤndige Anleitung gegeben. 2. Daß er das Paradoxe, wo es moͤglich iſt, auf irgend eine Art begreifflich mache. Denn was doch wuͤrcklich geſchehen, das muß ausgemachten Wahrheiten, nicht wi- derſprechen. Was nicht in des Geſchichtſchrei- bers Gewalt hierbey ſtehet, das iſt auch nicht von ihm zu fordern. Ein Exempel ſolcher Sorgfalt, nebſt andern zum unglaublichen Erzehlungen ge- hoͤrigen Dingen, kan man nachleſen in der Aus- legekunſt (§. 315. ſeqq.) §. 24. Zwey Hauptarten der Denckmahle. Wir kommen nunmehro auf die Monumenta, in
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0410" n="374"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eilfftes Capitel,</hi></fw><lb/> Menſchen in ihren Hertzen haben widerſpricht; oder<lb/> vielmehr zu widerſprechen ſcheinet. Jede von dieſen<lb/> Eigenſchafften verbindet den Geſchichtſchreiber zu<lb/> einer beſondern Pflicht, wenn er Gewißheit bey<lb/> ſeinen Leſern erhalten will. Nehmlich 1. er muß<lb/> ſeine Erzehlung ſo einrichten, daß man auch die<lb/> Urſachen einer Begebenheit daraus abſehen kan.<lb/> Darzu haben wir im <hi rendition="#fr">achten</hi> Capitel vollſtaͤndige<lb/> Anleitung gegeben. 2. Daß er das Paradoxe,<lb/> wo es moͤglich iſt, auf irgend eine Art begreifflich<lb/> mache. Denn was doch wuͤrcklich geſchehen, das<lb/> muß <hi rendition="#fr">ausgemachten Wahrheiten,</hi> nicht wi-<lb/> derſprechen. Was nicht in des Geſchichtſchrei-<lb/> bers Gewalt hierbey ſtehet, das iſt auch nicht von<lb/> ihm zu fordern. Ein Exempel ſolcher Sorgfalt,<lb/> nebſt andern zum unglaublichen Erzehlungen ge-<lb/> hoͤrigen Dingen, kan man nachleſen in der <hi rendition="#fr">Aus-<lb/> legekunſt</hi> (§. 315. <hi rendition="#aq">ſeqq.</hi>)</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 24.<lb/> Zwey Hauptarten der Denckmahle.</head><lb/> <p>Wir kommen nunmehro auf die <hi rendition="#aq">Monumenta,</hi><lb/> oder <hi rendition="#fr">Denckmahle,</hi> in engern Verſtande: Wel-<lb/> ches denn Coͤrper ſind, die zum Andencken dienen<lb/> ſollen. Sie ſollen alſo nach langer Zeit denen<lb/> Menſchen die Erkentniß vorgegangener Begeben-<lb/> heiten beybringen: Die man eigentlich aus muͤnd-<lb/> lichen und ſchrifftlichen Nachrichten erlernen ſollte.<lb/> Dergleichen Coͤrper nun ſind entweder mit einer<lb/><hi rendition="#fr">Schrifft</hi> verſehen, oder nicht. Jene haben wir<lb/> die <hi rendition="#fr">belebten,</hi> dieſe aber <hi rendition="#fr">ſtumme</hi> Denckmahle ge-<lb/> nennet; in der <hi rendition="#fr">Abhandlung</hi> <hi rendition="#aq">de Monumentis,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [374/0410]
Eilfftes Capitel,
Menſchen in ihren Hertzen haben widerſpricht; oder
vielmehr zu widerſprechen ſcheinet. Jede von dieſen
Eigenſchafften verbindet den Geſchichtſchreiber zu
einer beſondern Pflicht, wenn er Gewißheit bey
ſeinen Leſern erhalten will. Nehmlich 1. er muß
ſeine Erzehlung ſo einrichten, daß man auch die
Urſachen einer Begebenheit daraus abſehen kan.
Darzu haben wir im achten Capitel vollſtaͤndige
Anleitung gegeben. 2. Daß er das Paradoxe,
wo es moͤglich iſt, auf irgend eine Art begreifflich
mache. Denn was doch wuͤrcklich geſchehen, das
muß ausgemachten Wahrheiten, nicht wi-
derſprechen. Was nicht in des Geſchichtſchrei-
bers Gewalt hierbey ſtehet, das iſt auch nicht von
ihm zu fordern. Ein Exempel ſolcher Sorgfalt,
nebſt andern zum unglaublichen Erzehlungen ge-
hoͤrigen Dingen, kan man nachleſen in der Aus-
legekunſt (§. 315. ſeqq.)
§. 24.
Zwey Hauptarten der Denckmahle.
Wir kommen nunmehro auf die Monumenta,
oder Denckmahle, in engern Verſtande: Wel-
ches denn Coͤrper ſind, die zum Andencken dienen
ſollen. Sie ſollen alſo nach langer Zeit denen
Menſchen die Erkentniß vorgegangener Begeben-
heiten beybringen: Die man eigentlich aus muͤnd-
lichen und ſchrifftlichen Nachrichten erlernen ſollte.
Dergleichen Coͤrper nun ſind entweder mit einer
Schrifft verſehen, oder nicht. Jene haben wir
die belebten, dieſe aber ſtumme Denckmahle ge-
nennet; in der Abhandlung de Monumentis,
in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |