Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.von alten u. ausländisch. Geschichten. also auch im Erzehlen. Die Meisterstücke desWitzes, sie mögen betreffen was sie wollen, er- muntern von Zeit zu Zeit diejenigen, die darüber kommen, daß sie sich derselben wieder annehmen, und sich damit auf eine angenehme Weise beschäff- tigen. Die beste Mitgabe die also ein Geschicht- schreiber seinem Buche mittheilen kan, ist, daß es mit Witz angefüllt sey, als welchen noch immer Leute bewundern und lieben werden, die nach der Geschichte selbst, die darinnen vorkommt, wenig oder nichts fragen würden. Die grosse Kunst eines Geschichtschreibers bestehet demnach kürtzlich darinnen, daß er einen sinnreichen Auszug aus einer Geschichte zu machen weiß: Wie dieses die wahre Beschaffenheit des Taciti, Liuii, und anderer Historicorum ist, die wir noch bis auf den heutigen Tag verehren. §. 23. Drittes Kunststück eines Geschichtschreibers. Es hat aber der Geschichtschreiber auch dar- Men- A a 3
von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten. alſo auch im Erzehlen. Die Meiſterſtuͤcke desWitzes, ſie moͤgen betreffen was ſie wollen, er- muntern von Zeit zu Zeit diejenigen, die daruͤber kommen, daß ſie ſich derſelben wieder annehmen, und ſich damit auf eine angenehme Weiſe beſchaͤff- tigen. Die beſte Mitgabe die alſo ein Geſchicht- ſchreiber ſeinem Buche mittheilen kan, iſt, daß es mit Witz angefuͤllt ſey, als welchen noch immer Leute bewundern und lieben werden, die nach der Geſchichte ſelbſt, die darinnen vorkommt, wenig oder nichts fragen wuͤrden. Die groſſe Kunſt eines Geſchichtſchreibers beſtehet demnach kuͤrtzlich darinnen, daß er einen ſinnreichen Auszug aus einer Geſchichte zu machen weiß: Wie dieſes die wahre Beſchaffenheit des Taciti, Liuii, und anderer Hiſtoricorum iſt, die wir noch bis auf den heutigen Tag verehren. §. 23. Drittes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers. Es hat aber der Geſchichtſchreiber auch dar- Men- A a 3
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von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten.
alſo auch im Erzehlen. Die Meiſterſtuͤcke des
Witzes, ſie moͤgen betreffen was ſie wollen, er-
muntern von Zeit zu Zeit diejenigen, die daruͤber
kommen, daß ſie ſich derſelben wieder annehmen,
und ſich damit auf eine angenehme Weiſe beſchaͤff-
tigen. Die beſte Mitgabe die alſo ein Geſchicht-
ſchreiber ſeinem Buche mittheilen kan, iſt, daß es
mit Witz angefuͤllt ſey, als welchen noch immer
Leute bewundern und lieben werden, die nach der
Geſchichte ſelbſt, die darinnen vorkommt, wenig
oder nichts fragen wuͤrden. Die groſſe Kunſt
eines Geſchichtſchreibers beſtehet demnach
kuͤrtzlich darinnen, daß er einen ſinnreichen
Auszug aus einer Geſchichte zu machen weiß:
Wie dieſes die wahre Beſchaffenheit des Taciti,
Liuii, und anderer Hiſtoricorum iſt, die wir noch
bis auf den heutigen Tag verehren.
§. 23.
Drittes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers.
Es hat aber der Geſchichtſchreiber auch dar-
auf zu ſehen, daß er bey ſeinen Leſern Glauben
finde, und alſo nicht ſelbſt Gelegenheit zu unnoͤthi-
gen Zweiffeln gebe. Nun iſt die Unwahrſchein-
lichkeit einer Begebenheit, eine ſtarcke Veran-
laſſung zu zweiffeln (§ 28. C. 10.); ſo daß viele
eine Erzehlung gantz und gar bloß wegen ihrer
Unwahrſcheinlichkeit verwerffen; ob es gleich nicht
folgt: Daß das Unwahrſcheinliche auch falſch ſeyn
muͤſſe. Unwahrſcheinlich aber iſt 1. was kei-
ne Urſach hat. 2. Was denen bekannten Regeln
der Natur, und denen Maximen, die faſt alle
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