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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Eilfftes Capitel,
§. 22.
Zweytes Kunststück eines Geschichtschreibers.

Wenn ein Geschichtschreiber würcklich
seine Absicht, nehmlich die Belehrung der späten
Nachwelt erhalten soll; so muß er von Zeiten zu
Zeiten gelesen; ja sein Andencken selbst muß von
Zeit zu Zeit erneuert werden, damit es nicht un-
tergehe (§. 17. C. 3.). Nun fragt sichs, worauf
ein Geschichtschreiber wohl rechnen könne, daß
man lange nach ihm, sein Buch lesen, lieben,
und vor dessen Erhaltung besorgt seyn werde.
Hier ist zu mercken 1. so lange noch Leute vorhan-
den sind, die die Geschichte die er beschrieben, et-
was angehet, so lange ist auch zu vermuthen, daß
man nach seinem historischen Buche fragen werde.
2. Unterdessen weiß man auch, daß, Gelehrte aus-
genommen, die Menschen nicht gar zu viel nach
dem, was vor ihrer Zeit geschehen ist, zu fragen
pflegen: Sondern sie beschäfftigen sich mit ge-
genwärtigen
Dingen, mit vorhabenden Ge-
schäfften,
und der damit verknüpften Arbeit
dergestalt, daß die Begierde ältere Dinge zu er-
forschen, davor gar nicht aufkommen kan. Ja
wenn eine Geschichte weder rechtalt, noch recht
neu
ist, so pflegen Gelehrte und Ungelehrte sich
nicht sehr darum zu bekümmern. Darauf darf
ein Geschichtschreiber also keine grosse Rechnung
machen, daß sein Buch deswegen sich erhalten
werde, weil wichtige Nachrichten darinnen stehen.
2. Was aber den Menschen zu allen Zeiten ange-
nehm ist, das ist das Sinnreiche, wie überhaupt,

also
Eilfftes Capitel,
§. 22.
Zweytes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers.

Wenn ein Geſchichtſchreiber wuͤrcklich
ſeine Abſicht, nehmlich die Belehrung der ſpaͤten
Nachwelt erhalten ſoll; ſo muß er von Zeiten zu
Zeiten geleſen; ja ſein Andencken ſelbſt muß von
Zeit zu Zeit erneuert werden, damit es nicht un-
tergehe (§. 17. C. 3.). Nun fragt ſichs, worauf
ein Geſchichtſchreiber wohl rechnen koͤnne, daß
man lange nach ihm, ſein Buch leſen, lieben,
und vor deſſen Erhaltung beſorgt ſeyn werde.
Hier iſt zu mercken 1. ſo lange noch Leute vorhan-
den ſind, die die Geſchichte die er beſchrieben, et-
was angehet, ſo lange iſt auch zu vermuthen, daß
man nach ſeinem hiſtoriſchen Buche fragen werde.
2. Unterdeſſen weiß man auch, daß, Gelehrte aus-
genommen, die Menſchen nicht gar zu viel nach
dem, was vor ihrer Zeit geſchehen iſt, zu fragen
pflegen: Sondern ſie beſchaͤfftigen ſich mit ge-
genwaͤrtigen
Dingen, mit vorhabenden Ge-
ſchaͤfften,
und der damit verknuͤpften Arbeit
dergeſtalt, daß die Begierde aͤltere Dinge zu er-
forſchen, davor gar nicht aufkommen kan. Ja
wenn eine Geſchichte weder rechtalt, noch recht
neu
iſt, ſo pflegen Gelehrte und Ungelehrte ſich
nicht ſehr darum zu bekuͤmmern. Darauf darf
ein Geſchichtſchreiber alſo keine groſſe Rechnung
machen, daß ſein Buch deswegen ſich erhalten
werde, weil wichtige Nachrichten darinnen ſtehen.
2. Was aber den Menſchen zu allen Zeiten ange-
nehm iſt, das iſt das Sinnreiche, wie uͤberhaupt,

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[372/0408] Eilfftes Capitel, §. 22. Zweytes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers. Wenn ein Geſchichtſchreiber wuͤrcklich ſeine Abſicht, nehmlich die Belehrung der ſpaͤten Nachwelt erhalten ſoll; ſo muß er von Zeiten zu Zeiten geleſen; ja ſein Andencken ſelbſt muß von Zeit zu Zeit erneuert werden, damit es nicht un- tergehe (§. 17. C. 3.). Nun fragt ſichs, worauf ein Geſchichtſchreiber wohl rechnen koͤnne, daß man lange nach ihm, ſein Buch leſen, lieben, und vor deſſen Erhaltung beſorgt ſeyn werde. Hier iſt zu mercken 1. ſo lange noch Leute vorhan- den ſind, die die Geſchichte die er beſchrieben, et- was angehet, ſo lange iſt auch zu vermuthen, daß man nach ſeinem hiſtoriſchen Buche fragen werde. 2. Unterdeſſen weiß man auch, daß, Gelehrte aus- genommen, die Menſchen nicht gar zu viel nach dem, was vor ihrer Zeit geſchehen iſt, zu fragen pflegen: Sondern ſie beſchaͤfftigen ſich mit ge- genwaͤrtigen Dingen, mit vorhabenden Ge- ſchaͤfften, und der damit verknuͤpften Arbeit dergeſtalt, daß die Begierde aͤltere Dinge zu er- forſchen, davor gar nicht aufkommen kan. Ja wenn eine Geſchichte weder rechtalt, noch recht neu iſt, ſo pflegen Gelehrte und Ungelehrte ſich nicht ſehr darum zu bekuͤmmern. Darauf darf ein Geſchichtſchreiber alſo keine groſſe Rechnung machen, daß ſein Buch deswegen ſich erhalten werde, weil wichtige Nachrichten darinnen ſtehen. 2. Was aber den Menſchen zu allen Zeiten ange- nehm iſt, das iſt das Sinnreiche, wie uͤberhaupt, alſo

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/408>, abgerufen am 13.11.2024.