nicht genug ist, daß es ein Mensch saget, son- dern auch noch ein Ansehen und eine Autorität des Aussagers darbey erfordert wird: (§. 22. C. 9.) so wird auch jeder Geschichtschreiber, wenn er uns Nutzen schaffen soll, ein gewisses Ansehen haben müssen. Da er nun einen Lehrer gewisser Ge- schichte abgiebt, (§. 10.) so müssen an ihm auch die Qualitäten angetroffen werden, die man von einem Lehrer zu erwarten und zu fordern befugt ist. Nun aber ist derjenige geschickt, eine Geschichte zu lehren, der 1. dieselbe entweder durch sein An- schauen und Gegenwart, oder aus sichern Nach- richten erkannt hat. 2. Der im Stande ist, die Geschichte, die er in seinen Sinn gefasset hat, so zu Papier zu bringen, und zu erzehlen, daß auch fremde Leser, die mit der Geschichte selbst nicht in Verbindung stehen, dennoch daraus die Geschichte verstehen lernen. Diese zwey Umstände machen also das Ansehen eines Geschichtschreibers aus: welches so wohl völlig, als nur in einer gewissen Masse vorhanden seyn kan. (§. 24. C. 9.)
§. 12. Und wo es am ersten völlig ist.
Wenn der Geschichtschreiber Begebenheiten er- zehlt, bey welchen er gegenwärtig gewesen ist, und einen Zuschauer abgegeben hat; (er braucht aber eben nicht ein blosser Zuschauer gewesen zu seyn, son- dern kan gar wohl selbst die Hauptperson dabey ab- gegeben haben, wie Caesar in seinem bello Gallico und civili) so ist sein Ansehen in diesem Stücke vollkommen. Er ist auch in Ansehung solcher Stü-
cke
Eilfftes Capitel,
nicht genug iſt, daß es ein Menſch ſaget, ſon- dern auch noch ein Anſehen und eine Autoritaͤt des Ausſagers darbey erfordert wird: (§. 22. C. 9.) ſo wird auch jeder Geſchichtſchreiber, wenn er uns Nutzen ſchaffen ſoll, ein gewiſſes Anſehen haben muͤſſen. Da er nun einen Lehrer gewiſſer Ge- ſchichte abgiebt, (§. 10.) ſo muͤſſen an ihm auch die Qualitaͤten angetroffen werden, die man von einem Lehrer zu erwarten und zu fordern befugt iſt. Nun aber iſt derjenige geſchickt, eine Geſchichte zu lehren, der 1. dieſelbe entweder durch ſein An- ſchauen und Gegenwart, oder aus ſichern Nach- richten erkannt hat. 2. Der im Stande iſt, die Geſchichte, die er in ſeinen Sinn gefaſſet hat, ſo zu Papier zu bringen, und zu erzehlen, daß auch fremde Leſer, die mit der Geſchichte ſelbſt nicht in Verbindung ſtehen, dennoch daraus die Geſchichte verſtehen lernen. Dieſe zwey Umſtaͤnde machen alſo das Anſehen eines Geſchichtſchreibers aus: welches ſo wohl voͤllig, als nur in einer gewiſſen Maſſe vorhanden ſeyn kan. (§. 24. C. 9.)
§. 12. Und wo es am erſten voͤllig iſt.
Wenn der Geſchichtſchreiber Begebenheiten er- zehlt, bey welchen er gegenwaͤrtig geweſen iſt, und einen Zuſchauer abgegeben hat; (er braucht aber eben nicht ein bloſſer Zuſchauer geweſen zu ſeyn, ſon- dern kan gar wohl ſelbſt die Hauptperſon dabey ab- gegeben haben, wie Cæſar in ſeinem bello Gallico und civili) ſo iſt ſein Anſehen in dieſem Stuͤcke vollkommen. Er iſt auch in Anſehung ſolcher Stuͤ-
cke
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0398"n="362"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Eilfftes Capitel,</hi></fw><lb/>
nicht genug iſt, daß es ein <hirendition="#fr">Menſch</hi>ſaget, ſon-<lb/>
dern auch noch ein <hirendition="#fr">Anſehen</hi> und eine <hirendition="#fr">Autoritaͤt</hi><lb/>
des Ausſagers darbey erfordert wird: (§. 22. C. 9.)<lb/>ſo wird auch jeder Geſchichtſchreiber, wenn er uns<lb/>
Nutzen ſchaffen ſoll, ein gewiſſes <hirendition="#fr">Anſehen</hi> haben<lb/>
muͤſſen. Da er nun einen <hirendition="#fr">Lehrer</hi> gewiſſer Ge-<lb/>ſchichte abgiebt, (§. 10.) ſo muͤſſen an ihm auch<lb/>
die Qualitaͤten angetroffen werden, die man von<lb/>
einem <hirendition="#fr">Lehrer</hi> zu erwarten und zu fordern befugt iſt.<lb/>
Nun aber iſt derjenige <hirendition="#fr">geſchickt,</hi> eine Geſchichte<lb/>
zu lehren, der 1. dieſelbe entweder durch ſein An-<lb/>ſchauen und Gegenwart, oder aus ſichern Nach-<lb/>
richten erkannt hat. 2. Der im Stande iſt, die<lb/>
Geſchichte, die er in ſeinen Sinn gefaſſet hat, ſo zu<lb/>
Papier zu bringen, und zu erzehlen, daß auch<lb/>
fremde Leſer, die mit der Geſchichte ſelbſt nicht in<lb/>
Verbindung ſtehen, dennoch daraus die Geſchichte<lb/>
verſtehen lernen. Dieſe zwey Umſtaͤnde machen<lb/>
alſo das <hirendition="#fr">Anſehen</hi> eines Geſchichtſchreibers aus:<lb/>
welches ſo wohl <hirendition="#fr">voͤllig,</hi> als nur in einer gewiſſen<lb/>
Maſſe vorhanden ſeyn kan. (§. 24. C. 9.)</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 12.<lb/>
Und wo es am erſten voͤllig iſt.</head><lb/><p>Wenn der Geſchichtſchreiber Begebenheiten er-<lb/>
zehlt, bey welchen er gegenwaͤrtig geweſen iſt, und<lb/>
einen Zuſchauer abgegeben hat; (er braucht aber<lb/>
eben nicht ein bloſſer Zuſchauer geweſen zu ſeyn, ſon-<lb/>
dern kan gar wohl ſelbſt die Hauptperſon dabey ab-<lb/>
gegeben haben, wie <hirendition="#aq">Cæſar</hi> in ſeinem <hirendition="#aq">bello Gallico</hi><lb/>
und <hirendition="#aq">civili</hi>) ſo iſt ſein Anſehen in dieſem Stuͤcke<lb/>
vollkommen. Er iſt auch in Anſehung ſolcher Stuͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">cke</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[362/0398]
Eilfftes Capitel,
nicht genug iſt, daß es ein Menſch ſaget, ſon-
dern auch noch ein Anſehen und eine Autoritaͤt
des Ausſagers darbey erfordert wird: (§. 22. C. 9.)
ſo wird auch jeder Geſchichtſchreiber, wenn er uns
Nutzen ſchaffen ſoll, ein gewiſſes Anſehen haben
muͤſſen. Da er nun einen Lehrer gewiſſer Ge-
ſchichte abgiebt, (§. 10.) ſo muͤſſen an ihm auch
die Qualitaͤten angetroffen werden, die man von
einem Lehrer zu erwarten und zu fordern befugt iſt.
Nun aber iſt derjenige geſchickt, eine Geſchichte
zu lehren, der 1. dieſelbe entweder durch ſein An-
ſchauen und Gegenwart, oder aus ſichern Nach-
richten erkannt hat. 2. Der im Stande iſt, die
Geſchichte, die er in ſeinen Sinn gefaſſet hat, ſo zu
Papier zu bringen, und zu erzehlen, daß auch
fremde Leſer, die mit der Geſchichte ſelbſt nicht in
Verbindung ſtehen, dennoch daraus die Geſchichte
verſtehen lernen. Dieſe zwey Umſtaͤnde machen
alſo das Anſehen eines Geſchichtſchreibers aus:
welches ſo wohl voͤllig, als nur in einer gewiſſen
Maſſe vorhanden ſeyn kan. (§. 24. C. 9.)
§. 12.
Und wo es am erſten voͤllig iſt.
Wenn der Geſchichtſchreiber Begebenheiten er-
zehlt, bey welchen er gegenwaͤrtig geweſen iſt, und
einen Zuſchauer abgegeben hat; (er braucht aber
eben nicht ein bloſſer Zuſchauer geweſen zu ſeyn, ſon-
dern kan gar wohl ſelbſt die Hauptperſon dabey ab-
gegeben haben, wie Cæſar in ſeinem bello Gallico
und civili) ſo iſt ſein Anſehen in dieſem Stuͤcke
vollkommen. Er iſt auch in Anſehung ſolcher Stuͤ-
cke
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/398>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.