§. 18. Zweyte wichtige Art der Wahrscheinlichkeit in der Historie.
Die Wahrscheinlichkeit äussert sich ferner hauptsächlich in gantzen Geschichten; und de- nen daraus entstehenden langen Beschreibungen, die zumahl in einer gewissen Absicht gefertiget werden (§. 12. 19. C. 6.); als um die Gerechtig- keit, oder Ungerechtigkeit eines gewissen Verfah- rens darzuthun. Warum hierbey die Menschen nicht leichte unter einen Huth zu bringen seyn; und also auch, warum wir in solchen Stücken öff- ters auch nicht eine Wahrscheinlichkeit bey den an- dern erhalten können, ist ebenfalls aus den in vori- gen Capiteln festgestellten Lehren deutlicher zu erken- nen. Hauptsächlich sind diese zwey Stücke zu beob- achten. Weil man 1. eine gantze Geschichte nicht leichte vor sich selbst und als ein gewesener Zu- schauer wissen kan (§. 15. C. 6.). Und also auch nicht, aus der Aussage eines eintzigen Autors, den man auch Zeugen nennet, haben kan: So wird man sich bey Erzehlung einer langen Ge- schichte, auf eine Menge Personen, und ihre Aussagen beziehen müssen. Darunter werden nun immer welche seyn, die theils noch kein Anse- hen bey dem, dem wir unsere Sache wahrscheinlich machen wollen, haben; theils ihm gar verdächtig sind: Es können sich Schwierigkeiten finden, daß ihm ihre Aussagen zum Theil nicht klar genug vor- kommen. Einigen darunter können wohl gar ge- genseitige Aussagen im Wege stehen. Was vor
eine
Zehendes Capitel,
§. 18. Zweyte wichtige Art der Wahrſcheinlichkeit in der Hiſtorie.
Die Wahrſcheinlichkeit aͤuſſert ſich ferner hauptſaͤchlich in gantzen Geſchichten; und de- nen daraus entſtehenden langen Beſchreibungen, die zumahl in einer gewiſſen Abſicht gefertiget werden (§. 12. 19. C. 6.); als um die Gerechtig- keit, oder Ungerechtigkeit eines gewiſſen Verfah- rens darzuthun. Warum hierbey die Menſchen nicht leichte unter einen Huth zu bringen ſeyn; und alſo auch, warum wir in ſolchen Stuͤcken oͤff- ters auch nicht eine Wahrſcheinlichkeit bey den an- dern erhalten koͤnnen, iſt ebenfalls aus den in vori- gen Capiteln feſtgeſtellten Lehren deutlicher zu erken- nen. Hauptſaͤchlich ſind dieſe zwey Stuͤcke zu beob- achten. Weil man 1. eine gantze Geſchichte nicht leichte vor ſich ſelbſt und als ein geweſener Zu- ſchauer wiſſen kan (§. 15. C. 6.). Und alſo auch nicht, aus der Ausſage eines eintzigen Autors, den man auch Zeugen nennet, haben kan: So wird man ſich bey Erzehlung einer langen Ge- ſchichte, auf eine Menge Perſonen, und ihre Ausſagen beziehen muͤſſen. Darunter werden nun immer welche ſeyn, die theils noch kein Anſe- hen bey dem, dem wir unſere Sache wahrſcheinlich machen wollen, haben; theils ihm gar verdaͤchtig ſind: Es koͤnnen ſich Schwierigkeiten finden, daß ihm ihre Ausſagen zum Theil nicht klar genug vor- kommen. Einigen darunter koͤnnen wohl gar ge- genſeitige Ausſagen im Wege ſtehen. Was vor
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Zehendes Capitel,
§. 18.
Zweyte wichtige Art der Wahrſcheinlichkeit
in der Hiſtorie.
Die Wahrſcheinlichkeit aͤuſſert ſich ferner
hauptſaͤchlich in gantzen Geſchichten; und de-
nen daraus entſtehenden langen Beſchreibungen,
die zumahl in einer gewiſſen Abſicht gefertiget
werden (§. 12. 19. C. 6.); als um die Gerechtig-
keit, oder Ungerechtigkeit eines gewiſſen Verfah-
rens darzuthun. Warum hierbey die Menſchen
nicht leichte unter einen Huth zu bringen ſeyn;
und alſo auch, warum wir in ſolchen Stuͤcken oͤff-
ters auch nicht eine Wahrſcheinlichkeit bey den an-
dern erhalten koͤnnen, iſt ebenfalls aus den in vori-
gen Capiteln feſtgeſtellten Lehren deutlicher zu erken-
nen. Hauptſaͤchlich ſind dieſe zwey Stuͤcke zu beob-
achten. Weil man 1. eine gantze Geſchichte nicht
leichte vor ſich ſelbſt und als ein geweſener Zu-
ſchauer wiſſen kan (§. 15. C. 6.). Und alſo auch
nicht, aus der Ausſage eines eintzigen Autors,
den man auch Zeugen nennet, haben kan: So
wird man ſich bey Erzehlung einer langen Ge-
ſchichte, auf eine Menge Perſonen, und ihre
Ausſagen beziehen muͤſſen. Darunter werden
nun immer welche ſeyn, die theils noch kein Anſe-
hen bey dem, dem wir unſere Sache wahrſcheinlich
machen wollen, haben; theils ihm gar verdaͤchtig
ſind: Es koͤnnen ſich Schwierigkeiten finden, daß
ihm ihre Ausſagen zum Theil nicht klar genug vor-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/376>, abgerufen am 21.11.2024.
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