Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehendes Capitel,
Gelegenheit, an das vorhergegangene zu geden-
cken, und können leicht gar unbemerckt bleiben:
dieses sind denn die so genannten Spuren. Z. E.
wenn in einem Hause ein Diebstahl begangen wird,
und einer von den Haußgenossen wird kurtz darauf,
ohne daß man eine Ursache weiß, flüchtig; so wird
jeder auf ihn den Verdacht des begangenen Dieb-
stahls werffen. Höret man vollends, daß er auf
der Flucht einen Vorrath an Gelde blicken lassen,
so wird jeder noch mehr auf ihn verfallen. Unter-
dessen giebt doch beydes noch keinen Beweiß der
That ab, sondern nur ein Befugniß, genau zu in-
quiriren. Hingegen sind öffters Minen und ande-
re geringe Handlungen Spuren gewesen, durch
welche man auf iemanden Verdacht zu werffen ist
angeleitet worden, der auch hernach schuldig be-
funden worden.

§. 10.
Andere Mittel wider den Zweiffel.

Aus denen handgreifflichen Anzeichen erfolgen
nun zweyerley Gründe des Zweiffels: 1. wenn
Anzeichen pro und contra vorhanden sind; 2. wenn
die Anzeichen mit denen Aussagen nicht übereinkom-
men: wie es meistens geschiehet, daß Missethäter
durch Anzeichen in Untersuchung gezogen werden,
aber alles läugnen. Weil einmahl hier nicht un-
umstößliche Anzeichen supponirt werden, so ist zu
Erlangung der Gewißheit nichts zu thun: als daß
man 1.) entweder die Aussage bestätigen lässet,
(§. 21. 26. 28. C. 9.) und darnebst klar machen
lässet, wie die vorhandenen Anzeichen betrüglich

gewe-

Zehendes Capitel,
Gelegenheit, an das vorhergegangene zu geden-
cken, und koͤnnen leicht gar unbemerckt bleiben:
dieſes ſind denn die ſo genannten Spuren. Z. E.
wenn in einem Hauſe ein Diebſtahl begangen wird,
und einer von den Haußgenoſſen wird kurtz darauf,
ohne daß man eine Urſache weiß, fluͤchtig; ſo wird
jeder auf ihn den Verdacht des begangenen Dieb-
ſtahls werffen. Hoͤret man vollends, daß er auf
der Flucht einen Vorrath an Gelde blicken laſſen,
ſo wird jeder noch mehr auf ihn verfallen. Unter-
deſſen giebt doch beydes noch keinen Beweiß der
That ab, ſondern nur ein Befugniß, genau zu in-
quiriren. Hingegen ſind oͤffters Minen und ande-
re geringe Handlungen Spuren geweſen, durch
welche man auf iemanden Verdacht zu werffen iſt
angeleitet worden, der auch hernach ſchuldig be-
funden worden.

§. 10.
Andere Mittel wider den Zweiffel.

Aus denen handgreifflichen Anzeichen erfolgen
nun zweyerley Gruͤnde des Zweiffels: 1. wenn
Anzeichen pro und contra vorhanden ſind; 2. wenn
die Anzeichen mit denen Ausſagen nicht uͤbereinkom-
men: wie es meiſtens geſchiehet, daß Miſſethaͤter
durch Anzeichen in Unterſuchung gezogen werden,
aber alles laͤugnen. Weil einmahl hier nicht un-
umſtoͤßliche Anzeichen ſupponirt werden, ſo iſt zu
Erlangung der Gewißheit nichts zu thun: als daß
man 1.) entweder die Ausſage beſtaͤtigen laͤſſet,
(§. 21. 26. 28. C. 9.) und darnebſt klar machen
laͤſſet, wie die vorhandenen Anzeichen betruͤglich

gewe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="330"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zehendes Capitel,</hi></fw><lb/>
Gelegenheit, an das vorhergegangene zu geden-<lb/>
cken, und ko&#x0364;nnen leicht gar unbemerckt bleiben:<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;ind denn die &#x017F;o genannten <hi rendition="#fr">Spuren.</hi> Z. E.<lb/>
wenn in einem Hau&#x017F;e ein Dieb&#x017F;tahl begangen wird,<lb/>
und einer von den Haußgeno&#x017F;&#x017F;en wird kurtz darauf,<lb/>
ohne daß man eine Ur&#x017F;ache weiß, flu&#x0364;chtig; &#x017F;o wird<lb/>
jeder auf ihn den Verdacht des begangenen Dieb-<lb/>
&#x017F;tahls werffen. Ho&#x0364;ret man vollends, daß er auf<lb/>
der Flucht einen Vorrath an Gelde blicken la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;o wird jeder noch mehr auf ihn verfallen. Unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en giebt doch beydes noch keinen Beweiß der<lb/>
That ab, &#x017F;ondern nur ein Befugniß, genau zu in-<lb/>
quiriren. Hingegen &#x017F;ind o&#x0364;ffters Minen und ande-<lb/>
re geringe Handlungen Spuren gewe&#x017F;en, durch<lb/>
welche man auf iemanden Verdacht zu werffen i&#x017F;t<lb/>
angeleitet worden, der auch hernach &#x017F;chuldig be-<lb/>
funden worden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.<lb/>
Andere Mittel wider den Zweiffel.</head><lb/>
          <p>Aus denen handgreifflichen Anzeichen erfolgen<lb/>
nun zweyerley Gru&#x0364;nde des Zweiffels: 1. wenn<lb/>
Anzeichen <hi rendition="#aq">pro</hi> und <hi rendition="#aq">contra</hi> vorhanden &#x017F;ind; 2. wenn<lb/>
die Anzeichen mit denen Aus&#x017F;agen nicht u&#x0364;bereinkom-<lb/>
men: wie es mei&#x017F;tens ge&#x017F;chiehet, daß Mi&#x017F;&#x017F;etha&#x0364;ter<lb/>
durch Anzeichen in Unter&#x017F;uchung gezogen werden,<lb/>
aber alles la&#x0364;ugnen. Weil einmahl hier nicht un-<lb/>
um&#x017F;to&#x0364;ßliche Anzeichen &#x017F;upponirt werden, &#x017F;o i&#x017F;t zu<lb/>
Erlangung der Gewißheit nichts zu thun: als daß<lb/>
man 1.) entweder die Aus&#x017F;age be&#x017F;ta&#x0364;tigen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
(§. 21. 26. 28. C. 9.) und darneb&#x017F;t klar machen<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, wie die vorhandenen Anzeichen betru&#x0364;glich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gewe-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0366] Zehendes Capitel, Gelegenheit, an das vorhergegangene zu geden- cken, und koͤnnen leicht gar unbemerckt bleiben: dieſes ſind denn die ſo genannten Spuren. Z. E. wenn in einem Hauſe ein Diebſtahl begangen wird, und einer von den Haußgenoſſen wird kurtz darauf, ohne daß man eine Urſache weiß, fluͤchtig; ſo wird jeder auf ihn den Verdacht des begangenen Dieb- ſtahls werffen. Hoͤret man vollends, daß er auf der Flucht einen Vorrath an Gelde blicken laſſen, ſo wird jeder noch mehr auf ihn verfallen. Unter- deſſen giebt doch beydes noch keinen Beweiß der That ab, ſondern nur ein Befugniß, genau zu in- quiriren. Hingegen ſind oͤffters Minen und ande- re geringe Handlungen Spuren geweſen, durch welche man auf iemanden Verdacht zu werffen iſt angeleitet worden, der auch hernach ſchuldig be- funden worden. §. 10. Andere Mittel wider den Zweiffel. Aus denen handgreifflichen Anzeichen erfolgen nun zweyerley Gruͤnde des Zweiffels: 1. wenn Anzeichen pro und contra vorhanden ſind; 2. wenn die Anzeichen mit denen Ausſagen nicht uͤbereinkom- men: wie es meiſtens geſchiehet, daß Miſſethaͤter durch Anzeichen in Unterſuchung gezogen werden, aber alles laͤugnen. Weil einmahl hier nicht un- umſtoͤßliche Anzeichen ſupponirt werden, ſo iſt zu Erlangung der Gewißheit nichts zu thun: als daß man 1.) entweder die Ausſage beſtaͤtigen laͤſſet, (§. 21. 26. 28. C. 9.) und darnebſt klar machen laͤſſet, wie die vorhandenen Anzeichen betruͤglich gewe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/366
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/366>, abgerufen am 13.11.2024.