nennet, die nicht eben das sagen, welches zu be- zeugen sie beruffen sind, sondern entweder die Sa- che nicht wissen oder gar anders aussagen. Man siehet aber wohl, daß sie diesen Nahmen nur da- von bekommen, weil man sich von ihnen verspro- chen hat, sie würden eben das aussagen. Jn der That aber hat diejenige Parthey, deren Zeu- gen entweder nichts, oder das Gegentheil aussa- gen, gar keine Zeugen vor sich.
§. 29. Gemeinschafftliches Ansehen des Autors und des Zeugens.
Da jede Aussage unmittelbar einen Wahr- heitsmäßigen Eindruck bey dem Zuhörer macht; (§. 17.) so muß des Zeugens Aussage, (welche eigentlich ein Zeugniß heisset, und von der Aus- sage wie Species a genere unterschieden ist) eben einen solchen Eindruck machen: Ja da aus jeder gehäufften Handlung ein starcker Eindruck entste- hen muß: So wird ein Zeugniß die Wahrheit der Sache noch mehr bekräfftigen. Da aber die Aussagen der Menschen keine Gewißheit ge- ben, woferne nicht der Aussager ein Ansehen hat (§. 22.); so wird auch auf Seiten des Zeugens ebenfalls ein Ansehen erfordert, welches er an und vor sich haben muß. Nehmlich er soll wie der Autor, ein Zuschauer der Sache gewesen seyn: Er muß Verstand genug besitzen: Und aufrichtig seyn (§. 23.). Schon dadurch nun, wird der Verdacht vermindert, der die eine Aus- sage uns noch ungewiß machte, daß noch einer
eben
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von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
nennet, die nicht eben das ſagen, welches zu be- zeugen ſie beruffen ſind, ſondern entweder die Sa- che nicht wiſſen oder gar anders ausſagen. Man ſiehet aber wohl, daß ſie dieſen Nahmen nur da- von bekommen, weil man ſich von ihnen verſpro- chen hat, ſie wuͤrden eben das ausſagen. Jn der That aber hat diejenige Parthey, deren Zeu- gen entweder nichts, oder das Gegentheil ausſa- gen, gar keine Zeugen vor ſich.
§. 29. Gemeinſchafftliches Anſehen des Autors und des Zeugens.
Da jede Ausſage unmittelbar einen Wahr- heitsmaͤßigen Eindruck bey dem Zuhoͤrer macht; (§. 17.) ſo muß des Zeugens Ausſage, (welche eigentlich ein Zeugniß heiſſet, und von der Aus- ſage wie Species a genere unterſchieden iſt) eben einen ſolchen Eindruck machen: Ja da aus jeder gehaͤufften Handlung ein ſtarcker Eindruck entſte- hen muß: So wird ein Zeugniß die Wahrheit der Sache noch mehr bekraͤfftigen. Da aber die Ausſagen der Menſchen keine Gewißheit ge- ben, woferne nicht der Ausſager ein Anſehen hat (§. 22.); ſo wird auch auf Seiten des Zeugens ebenfalls ein Anſehen erfordert, welches er an und vor ſich haben muß. Nehmlich er ſoll wie der Autor, ein Zuſchauer der Sache geweſen ſeyn: Er muß Verſtand genug beſitzen: Und aufrichtig ſeyn (§. 23.). Schon dadurch nun, wird der Verdacht vermindert, der die eine Aus- ſage uns noch ungewiß machte, daß noch einer
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von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
nennet, die nicht eben das ſagen, welches zu be-
zeugen ſie beruffen ſind, ſondern entweder die Sa-
che nicht wiſſen oder gar anders ausſagen. Man
ſiehet aber wohl, daß ſie dieſen Nahmen nur da-
von bekommen, weil man ſich von ihnen verſpro-
chen hat, ſie wuͤrden eben das ausſagen. Jn
der That aber hat diejenige Parthey, deren Zeu-
gen entweder nichts, oder das Gegentheil ausſa-
gen, gar keine Zeugen vor ſich.
§. 29.
Gemeinſchafftliches Anſehen des Autors und
des Zeugens.
Da jede Ausſage unmittelbar einen Wahr-
heitsmaͤßigen Eindruck bey dem Zuhoͤrer macht;
(§. 17.) ſo muß des Zeugens Ausſage, (welche
eigentlich ein Zeugniß heiſſet, und von der Aus-
ſage wie Species a genere unterſchieden iſt) eben
einen ſolchen Eindruck machen: Ja da aus jeder
gehaͤufften Handlung ein ſtarcker Eindruck entſte-
hen muß: So wird ein Zeugniß die Wahrheit
der Sache noch mehr bekraͤfftigen. Da aber die
Ausſagen der Menſchen keine Gewißheit ge-
ben, woferne nicht der Ausſager ein Anſehen hat
(§. 22.); ſo wird auch auf Seiten des Zeugens
ebenfalls ein Anſehen erfordert, welches er an
und vor ſich haben muß. Nehmlich er ſoll wie
der Autor, ein Zuſchauer der Sache geweſen
ſeyn: Er muß Verſtand genug beſitzen: Und
aufrichtig ſeyn (§. 23.). Schon dadurch nun,
wird der Verdacht vermindert, der die eine Aus-
ſage uns noch ungewiß machte, daß noch einer
eben
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/343>, abgerufen am 03.03.2025.
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