Hauptsächlich aber wird das Ansehen eines Aussagers durch Zeugen ergäntzet. Ein Zeuge aber ist eine Person, die eben das sagt, oder aussagt, was schon ein anderer ausgesagt hat. Diese Er- klärung möchte wohl einem oder dem andern be- fremdlich vorkommen, weil sie von der gemeinen Erklärung des Wortes abgehet. Man darff aber diese gemachte Veränderung nicht für einen Fehler ansehen: Denn unsere Definition gehet nicht, von der gemeinen Bedeutung des Wor- tes, sondern von der in den Logicken gewöhnlichen Erklärung ab; und zwar darum, weil selbige falsch ist. Man sagt nehmlich: Ein Zeuge sey, der etwas aussagt. Das ist gantz wider den ge- meinen Begriff eines Zeugens. Wer eine Klage vor Gericht anbringt, oder etwas denuncirt, der sagt ohne Zweifel etwas aus: Wer wird aber eine Klage oder Denunciation vor ein Zeug- niß ansehen? Ein anders ist Aussagen, ein an- dres Zeugen. Wenn bey einer Aussage kein Zwei- fel und Mißtrauen vorwaltet; so hat es dabey sein Bewenden; und es braucht gar keines Zeugnis- ses. Darinnen kommt alle Welt überein. Wenn man aber der Aussage nicht glauben will, alsdenn müssen erst Zeugen und Zeugnisse zu Hülffe genom- men werden, und diese sind alsdenn vorhanden, wenn sich mehrere Personen finden, die eben das sagen, was der erste schon ausgesagt hat. Jn Processen werden zwar auch offters Zeugen ge-
nennet,
Neuntes Capitel,
§. 28. Wahrer Grund der Theorie von Zeugen.
Hauptſaͤchlich aber wird das Anſehen eines Ausſagers durch Zeugen ergaͤntzet. Ein Zeuge aber iſt eine Perſon, die eben das ſagt, oder ausſagt, was ſchon ein anderer ausgeſagt hat. Dieſe Er- klaͤrung moͤchte wohl einem oder dem andern be- fremdlich vorkommen, weil ſie von der gemeinen Erklaͤrung des Wortes abgehet. Man darff aber dieſe gemachte Veraͤnderung nicht fuͤr einen Fehler anſehen: Denn unſere Definition gehet nicht, von der gemeinen Bedeutung des Wor- tes, ſondern von der in den Logicken gewoͤhnlichen Erklaͤrung ab; und zwar darum, weil ſelbige falſch iſt. Man ſagt nehmlich: Ein Zeuge ſey, der etwas ausſagt. Das iſt gantz wider den ge- meinen Begriff eines Zeugens. Wer eine Klage vor Gericht anbringt, oder etwas denuncirt, der ſagt ohne Zweifel etwas aus: Wer wird aber eine Klage oder Denunciation vor ein Zeug- niß anſehen? Ein anders iſt Ausſagen, ein an- dres Zeugen. Wenn bey einer Ausſage kein Zwei- fel und Mißtrauen vorwaltet; ſo hat es dabey ſein Bewenden; und es braucht gar keines Zeugniſ- ſes. Darinnen kommt alle Welt uͤberein. Wenn man aber der Ausſage nicht glauben will, alsdenn muͤſſen erſt Zeugen und Zeugniſſe zu Huͤlffe genom- men werden, und dieſe ſind alsdenn vorhanden, wenn ſich mehrere Perſonen finden, die eben das ſagen, was der erſte ſchon ausgeſagt hat. Jn Proceſſen werden zwar auch offters Zeugen ge-
nennet,
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Neuntes Capitel,
§. 28.
Wahrer Grund der Theorie von Zeugen.
Hauptſaͤchlich aber wird das Anſehen eines
Ausſagers durch Zeugen ergaͤntzet. Ein Zeuge
aber iſt eine Perſon, die eben das ſagt, oder ausſagt,
was ſchon ein anderer ausgeſagt hat. Dieſe Er-
klaͤrung moͤchte wohl einem oder dem andern be-
fremdlich vorkommen, weil ſie von der gemeinen
Erklaͤrung des Wortes abgehet. Man darff
aber dieſe gemachte Veraͤnderung nicht fuͤr einen
Fehler anſehen: Denn unſere Definition gehet
nicht, von der gemeinen Bedeutung des Wor-
tes, ſondern von der in den Logicken gewoͤhnlichen
Erklaͤrung ab; und zwar darum, weil ſelbige
falſch iſt. Man ſagt nehmlich: Ein Zeuge ſey,
der etwas ausſagt. Das iſt gantz wider den ge-
meinen Begriff eines Zeugens. Wer eine Klage
vor Gericht anbringt, oder etwas denuncirt, der
ſagt ohne Zweifel etwas aus: Wer wird aber
eine Klage oder Denunciation vor ein Zeug-
niß anſehen? Ein anders iſt Ausſagen, ein an-
dres Zeugen. Wenn bey einer Ausſage kein Zwei-
fel und Mißtrauen vorwaltet; ſo hat es dabey
ſein Bewenden; und es braucht gar keines Zeugniſ-
ſes. Darinnen kommt alle Welt uͤberein. Wenn
man aber der Ausſage nicht glauben will, alsdenn
muͤſſen erſt Zeugen und Zeugniſſe zu Huͤlffe genom-
men werden, und dieſe ſind alsdenn vorhanden,
wenn ſich mehrere Perſonen finden, die eben das
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/342>, abgerufen am 13.11.2024.
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