doch nicht zur Natur, noch zum innerlichen der Gewißheit.
§. 7. Was die Gewißheit ist.
Der gemeine Begriff der Gewißheit beste- het aber darinne: Daß das Urtheil, welches wir einmahl von einer Sache gefället haben, bey uns unveränderlich ist. Dem ist die Ungewißheit oder Zweifel entgegen gesetzet, das ist: Die Ab- wechselung unserer Vorstellung, da wir die Sache bald bejahen, bald verneinen. Jm gemeinen Le- ben sind die Menschen mit der Einbildung ihrer Gewißheit meistens gar zu voreilig, so daß wir fast von allem, was wir dencken, die Gewißheit rüh- men, und uns einbilden, was wir einmahl den- cken, das würden wir uns auch in Ewigkeit so vorstellen; ja es wisse die Sache niemand besser, als wir. Wer aber viel mit Menschen umgehet, lernet nach und nach aus der Erfahrung, daß man durch Nachdencken, durch Nachrichten, und mit der Zeit, gar vieles anders einsiehet, als man Anfangs gedencket. Vollends die Gelehrten, welche auf die Menge der Streitigkeiten achtung geben, und auf die Fehle, die so klugen und mit Einsicht begabten Männern angewandelt haben, sind viel schüchterner, sich so bald einer gewissen Er- kentniß von Dingen zu rühmen. Aber alle, die nach der Gewißheit streben, trachten nach nichts anders, als daß nebst der Wahrheit, auch die Vorstellung und Erkentniß derselben unverändert
bleiben
Neuntes Capitel,
doch nicht zur Natur, noch zum innerlichen der Gewißheit.
§. 7. Was die Gewißheit iſt.
Der gemeine Begriff der Gewißheit beſte- het aber darinne: Daß das Urtheil, welches wir einmahl von einer Sache gefaͤllet haben, bey uns unveraͤnderlich iſt. Dem iſt die Ungewißheit oder Zweifel entgegen geſetzet, das iſt: Die Ab- wechſelung unſerer Vorſtellung, da wir die Sache bald bejahen, bald verneinen. Jm gemeinen Le- ben ſind die Menſchen mit der Einbildung ihrer Gewißheit meiſtens gar zu voreilig, ſo daß wir faſt von allem, was wir dencken, die Gewißheit ruͤh- men, und uns einbilden, was wir einmahl den- cken, das wuͤrden wir uns auch in Ewigkeit ſo vorſtellen; ja es wiſſe die Sache niemand beſſer, als wir. Wer aber viel mit Menſchen umgehet, lernet nach und nach aus der Erfahrung, daß man durch Nachdencken, durch Nachrichten, und mit der Zeit, gar vieles anders einſiehet, als man Anfangs gedencket. Vollends die Gelehrten, welche auf die Menge der Streitigkeiten achtung geben, und auf die Fehle, die ſo klugen und mit Einſicht begabten Maͤnnern angewandelt haben, ſind viel ſchuͤchterner, ſich ſo bald einer gewiſſen Er- kentniß von Dingen zu ruͤhmen. Aber alle, die nach der Gewißheit ſtreben, trachten nach nichts anders, als daß nebſt der Wahrheit, auch die Vorſtellung und Erkentniß derſelben unveraͤndert
bleiben
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Neuntes Capitel,
doch nicht zur Natur, noch zum innerlichen
der Gewißheit.
§. 7.
Was die Gewißheit iſt.
Der gemeine Begriff der Gewißheit beſte-
het aber darinne: Daß das Urtheil, welches wir
einmahl von einer Sache gefaͤllet haben, bey uns
unveraͤnderlich iſt. Dem iſt die Ungewißheit
oder Zweifel entgegen geſetzet, das iſt: Die Ab-
wechſelung unſerer Vorſtellung, da wir die Sache
bald bejahen, bald verneinen. Jm gemeinen Le-
ben ſind die Menſchen mit der Einbildung ihrer
Gewißheit meiſtens gar zu voreilig, ſo daß wir faſt
von allem, was wir dencken, die Gewißheit ruͤh-
men, und uns einbilden, was wir einmahl den-
cken, das wuͤrden wir uns auch in Ewigkeit ſo
vorſtellen; ja es wiſſe die Sache niemand beſſer,
als wir. Wer aber viel mit Menſchen umgehet,
lernet nach und nach aus der Erfahrung, daß man
durch Nachdencken, durch Nachrichten, und
mit der Zeit, gar vieles anders einſiehet, als man
Anfangs gedencket. Vollends die Gelehrten,
welche auf die Menge der Streitigkeiten achtung
geben, und auf die Fehle, die ſo klugen und mit
Einſicht begabten Maͤnnern angewandelt haben,
ſind viel ſchuͤchterner, ſich ſo bald einer gewiſſen Er-
kentniß von Dingen zu ruͤhmen. Aber alle, die
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/324>, abgerufen am 13.11.2024.
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