nen sich die Poeten bey ihren Ausführungen auch ein solch Haupthinderniß, welches die Vollbrin- gung des Anschlages nicht so bald verstattet: Die- ses pflegen sie den Knoten zu nennen: Und sie leiten daraus, als aus einer Quelle immer neue besondere Hindernisse her. Daraus nun, daß der Anschlag entweder erfüllet, und mit einem glück- lichen Erfolg bekrönet, oder durch ein unglücklich Ende der Hauptpersonen vereitelt wird, ist die Eintheilung der Comödien und Tragödien entstanden: Welche Erfindung der Poeten in die wahre Erzehlung in soferne einen Einfluß hat, daß sich ein Geschichtsschreiber zu hüten hat, daß seine Erzehlung nicht etwa das Ansehen einer Co- mödie oder Tragödie bekomme: Weilen sie son- sten den Verdacht einer Fabel, bey sehr vie- len Lesern nimmermehr vermeyden wird.
§. 55. Verhältniß der Parallelgeschichte.
Parallelgeschichte, sind nichts anders als ähnliche Geschichte; und zwar in Ansehung des Zusammenhanges der Theile: Also sind die Ex- empel derer, die von ihrer Höhe und Reichthum plötzlich herunter gestürtzt werden, Parallelhisto- rien. Valerius Maximus hat lauter solche Pa- rallelgeschichte, in seinem Buche, unter so vielen Titeln, als Capitel sind, vorgetragen. Es pflegt nun in solchen Parallelgeschichten wohl immer ei- niger Unterscheid zu seyn, wenn man gleich sagt, man habe den Casum in Terminis schon gehabt: Und es könten daher dieselben um so viel eher un-
terschie-
Achtes Capitel,
nen ſich die Poeten bey ihren Ausfuͤhrungen auch ein ſolch Haupthinderniß, welches die Vollbrin- gung des Anſchlages nicht ſo bald verſtattet: Die- ſes pflegen ſie den Knoten zu nennen: Und ſie leiten daraus, als aus einer Quelle immer neue beſondere Hinderniſſe her. Daraus nun, daß der Anſchlag entweder erfuͤllet, und mit einem gluͤck- lichen Erfolg bekroͤnet, oder durch ein ungluͤcklich Ende der Hauptperſonen vereitelt wird, iſt die Eintheilung der Comoͤdien und Tragoͤdien entſtanden: Welche Erfindung der Poeten in die wahre Erzehlung in ſoferne einen Einfluß hat, daß ſich ein Geſchichtsſchreiber zu huͤten hat, daß ſeine Erzehlung nicht etwa das Anſehen einer Co- moͤdie oder Tragoͤdie bekomme: Weilen ſie ſon- ſten den Verdacht einer Fabel, bey ſehr vie- len Leſern nimmermehr vermeyden wird.
§. 55. Verhaͤltniß der Parallelgeſchichte.
Parallelgeſchichte, ſind nichts anders als aͤhnliche Geſchichte; und zwar in Anſehung des Zuſammenhanges der Theile: Alſo ſind die Ex- empel derer, die von ihrer Hoͤhe und Reichthum ploͤtzlich herunter geſtuͤrtzt werden, Parallelhiſto- rien. Valerius Maximus hat lauter ſolche Pa- rallelgeſchichte, in ſeinem Buche, unter ſo vielen Titeln, als Capitel ſind, vorgetragen. Es pflegt nun in ſolchen Parallelgeſchichten wohl immer ei- niger Unterſcheid zu ſeyn, wenn man gleich ſagt, man habe den Caſum in Terminis ſchon gehabt: Und es koͤnten daher dieſelben um ſo viel eher un-
terſchie-
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Achtes Capitel,
nen ſich die Poeten bey ihren Ausfuͤhrungen auch
ein ſolch Haupthinderniß, welches die Vollbrin-
gung des Anſchlages nicht ſo bald verſtattet: Die-
ſes pflegen ſie den Knoten zu nennen: Und ſie
leiten daraus, als aus einer Quelle immer neue
beſondere Hinderniſſe her. Daraus nun, daß der
Anſchlag entweder erfuͤllet, und mit einem gluͤck-
lichen Erfolg bekroͤnet, oder durch ein ungluͤcklich
Ende der Hauptperſonen vereitelt wird, iſt die
Eintheilung der Comoͤdien und Tragoͤdien
entſtanden: Welche Erfindung der Poeten in die
wahre Erzehlung in ſoferne einen Einfluß hat,
daß ſich ein Geſchichtsſchreiber zu huͤten hat, daß
ſeine Erzehlung nicht etwa das Anſehen einer Co-
moͤdie oder Tragoͤdie bekomme: Weilen ſie ſon-
ſten den Verdacht einer Fabel, bey ſehr vie-
len Leſern nimmermehr vermeyden wird.
§. 55.
Verhaͤltniß der Parallelgeſchichte.
Parallelgeſchichte, ſind nichts anders als
aͤhnliche Geſchichte; und zwar in Anſehung des
Zuſammenhanges der Theile: Alſo ſind die Ex-
empel derer, die von ihrer Hoͤhe und Reichthum
ploͤtzlich herunter geſtuͤrtzt werden, Parallelhiſto-
rien. Valerius Maximus hat lauter ſolche Pa-
rallelgeſchichte, in ſeinem Buche, unter ſo vielen
Titeln, als Capitel ſind, vorgetragen. Es pflegt
nun in ſolchen Parallelgeſchichten wohl immer ei-
niger Unterſcheid zu ſeyn, wenn man gleich ſagt,
man habe den Caſum in Terminis ſchon gehabt:
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/314>, abgerufen am 03.03.2025.
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