Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Achtes Capitel, die Geschichte, wie wir sie aus einer Erzehlung er-kennen, eine schon zweymahl verkürtzte Geschich- te sey; so daß man sie nicht unrecht ein Stückwerck nennen kan. Vollends wenn die Nachricht nur schrifftlich abgefasset ist, so gehet meistens eine neue Verkürtzung vor, weil so wohl das viele Schreiben, als viele Lesen beschwehrlich ist, da man in mündlichen Berichten in kurtzer Zeit un- gleich mehrers vortragen, und auf der andern Seite mit viel weniger Unlust anhören kan. Da- her kommt es denn, daß heut zu Tage die Gesand- ten, wenn sie gleich noch so offte und so umständlich Bericht an ihre Höfe erstatten, dennoch gar iezu- weilen eine Reise nach Hause thun, um so wohl noch umständlichern Bericht, als in Depechen ge- schehen kan, abzustatten, als auch ihres Orts von den Anschlägen ihres Herrn besser und ausführli- cher belehrt zu werden, als bloß durch schrifftliche Instructiones geschehen kan. §. 48. Begebenheiten lassen sich nicht durch Schlüsse verbinden. Jn der Erzehlung also einen Zusammenhang eben
Achtes Capitel, die Geſchichte, wie wir ſie aus einer Erzehlung er-kennen, eine ſchon zweymahl verkuͤrtzte Geſchich- te ſey; ſo daß man ſie nicht unrecht ein Stuͤckwerck nennen kan. Vollends wenn die Nachricht nur ſchrifftlich abgefaſſet iſt, ſo gehet meiſtens eine neue Verkuͤrtzung vor, weil ſo wohl das viele Schreiben, als viele Leſen beſchwehrlich iſt, da man in muͤndlichen Berichten in kurtzer Zeit un- gleich mehrers vortragen, und auf der andern Seite mit viel weniger Unluſt anhoͤren kan. Da- her kommt es denn, daß heut zu Tage die Geſand- ten, wenn ſie gleich noch ſo offte und ſo umſtaͤndlich Bericht an ihre Hoͤfe erſtatten, dennoch gar iezu- weilen eine Reiſe nach Hauſe thun, um ſo wohl noch umſtaͤndlichern Bericht, als in Depechen ge- ſchehen kan, abzuſtatten, als auch ihres Orts von den Anſchlaͤgen ihres Herrn beſſer und ausfuͤhrli- cher belehrt zu werden, als bloß durch ſchrifftliche Inſtructiones geſchehen kan. §. 48. Begebenheiten laſſen ſich nicht durch Schluͤſſe verbinden. Jn der Erzehlung alſo einen Zuſammenhang eben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0304" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Capitel,</hi></fw><lb/> die Geſchichte, wie wir ſie aus einer Erzehlung er-<lb/> kennen, eine ſchon <hi rendition="#fr">zweymahl</hi> verkuͤrtzte Geſchich-<lb/> te ſey; ſo daß man ſie nicht unrecht ein <hi rendition="#fr">Stuͤckwerck</hi><lb/> nennen kan. Vollends wenn die Nachricht nur<lb/><hi rendition="#fr">ſchrifftlich</hi> abgefaſſet iſt, ſo gehet meiſtens eine<lb/> neue Verkuͤrtzung vor, weil ſo wohl das viele<lb/> Schreiben, als viele Leſen beſchwehrlich iſt, da<lb/> man in <hi rendition="#fr">muͤndlichen</hi> Berichten in kurtzer Zeit un-<lb/> gleich mehrers vortragen, und auf der andern<lb/> Seite mit viel weniger Unluſt anhoͤren kan. Da-<lb/> her kommt es denn, daß heut zu Tage die <hi rendition="#fr">Geſand-<lb/> ten,</hi> wenn ſie gleich noch ſo offte und ſo umſtaͤndlich<lb/> Bericht an ihre Hoͤfe erſtatten, dennoch gar iezu-<lb/> weilen eine Reiſe nach Hauſe thun, um ſo wohl<lb/> noch umſtaͤndlichern Bericht, als in Depechen ge-<lb/> ſchehen kan, abzuſtatten, als auch ihres Orts von<lb/> den <hi rendition="#fr">Anſchlaͤgen</hi> ihres Herrn beſſer und ausfuͤhrli-<lb/> cher belehrt zu werden, als bloß durch ſchrifftliche<lb/><hi rendition="#aq">Inſtructiones</hi> geſchehen kan.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 48.<lb/> Begebenheiten laſſen ſich nicht durch Schluͤſſe<lb/> verbinden.</head><lb/> <p>Jn der <hi rendition="#fr">Erzehlung</hi> alſo einen Zuſammenhang<lb/> der Theile heraus zu bringen, der in Schluͤſſen ab-<lb/> gefaſſet waͤre, wenn auch gleich die Sache an ſich<lb/> der Natur des Zuſammenhanges der Dinge<lb/> nicht widerſprechen ſollte, iſt wegen der <hi rendition="#fr">fehlenden,</hi><lb/> ſo wohl verborgenen, als verſchwiegenen <hi rendition="#fr">Umſtaͤn-<lb/> de</hi> nicht moͤglich: ſo wenig als man eine Demon-<lb/> ſtration machen kan, wenn uns nur einige <hi rendition="#aq">Princi-<lb/> pia,</hi> geſchweige denn die meiſten fehlen. Es iſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">eben</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0304]
Achtes Capitel,
die Geſchichte, wie wir ſie aus einer Erzehlung er-
kennen, eine ſchon zweymahl verkuͤrtzte Geſchich-
te ſey; ſo daß man ſie nicht unrecht ein Stuͤckwerck
nennen kan. Vollends wenn die Nachricht nur
ſchrifftlich abgefaſſet iſt, ſo gehet meiſtens eine
neue Verkuͤrtzung vor, weil ſo wohl das viele
Schreiben, als viele Leſen beſchwehrlich iſt, da
man in muͤndlichen Berichten in kurtzer Zeit un-
gleich mehrers vortragen, und auf der andern
Seite mit viel weniger Unluſt anhoͤren kan. Da-
her kommt es denn, daß heut zu Tage die Geſand-
ten, wenn ſie gleich noch ſo offte und ſo umſtaͤndlich
Bericht an ihre Hoͤfe erſtatten, dennoch gar iezu-
weilen eine Reiſe nach Hauſe thun, um ſo wohl
noch umſtaͤndlichern Bericht, als in Depechen ge-
ſchehen kan, abzuſtatten, als auch ihres Orts von
den Anſchlaͤgen ihres Herrn beſſer und ausfuͤhrli-
cher belehrt zu werden, als bloß durch ſchrifftliche
Inſtructiones geſchehen kan.
§. 48.
Begebenheiten laſſen ſich nicht durch Schluͤſſe
verbinden.
Jn der Erzehlung alſo einen Zuſammenhang
der Theile heraus zu bringen, der in Schluͤſſen ab-
gefaſſet waͤre, wenn auch gleich die Sache an ſich
der Natur des Zuſammenhanges der Dinge
nicht widerſprechen ſollte, iſt wegen der fehlenden,
ſo wohl verborgenen, als verſchwiegenen Umſtaͤn-
de nicht moͤglich: ſo wenig als man eine Demon-
ſtration machen kan, wenn uns nur einige Princi-
pia, geſchweige denn die meiſten fehlen. Es iſt
eben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |