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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung etc.
§. 24.
Betrachtungen über eine erhaltene
Nachricht.

Die Uberlegung, welche ein Zuhörer, oder Le-
ser, bey einer Nachricht braucht, kömmt gar sehr
mit dem überein was im 5. Capitel vom
Zuschauer und Sehepunckte ist gelehret wor-
den. Denn wie jeder eine Geschichte, wovon er
einen Zuschauer abgiebt, nach seinem Stande,
nach seiner Stelle, und nach seiner Gemüths-
verfassung
ansiehet (§. 8. 9. 10. 11. C. 5.);
und sie auf einer gewissen Seite betrachtet (§. 13.
C. 5.), also geschiehet dieses eben auch bey Ge-
schichten, die wir hören, oder lesen. Nur ist
das Bild oder Vorstellung einer Geschichte aus
einer Erzehlung und Nachricht, gar sehr von
der Erkenntniß unterschieden, die der Zuschauer
selbst vor seine Person davon hat, wie aus dem
Capitel von der Verwandelung einer Ge-
schichte
in die Erzehlung auf das klärlichste
zu ersehen ist. Daraus müssen also auch andere
Gedancken und Ueberlegungen entstehen. Das
besondere aber welches das Bild einer Geschich-
te aus einer Erzehlung von dem Bilde, das der
Zuschauer davon hat, an sich zu haben pflegt, ist
1. dieses, daß es kürtzer, oder kurtzgefaster und
kleiner ist; oder daß es weniger in sich enthält.
2. Daß es manches unbestimmtes in sich hält, wel-
ches in der Erkenntniß des Zuschauers bestimmt
ist. 3. Daß der Geschichte schon eine gewisse Ge-
stalt gegeben worden (§. 27. C. 6.), da man ihr

auch
M 3
v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
§. 24.
Betrachtungen uͤber eine erhaltene
Nachricht.

Die Uberlegung, welche ein Zuhoͤrer, oder Le-
ſer, bey einer Nachricht braucht, koͤmmt gar ſehr
mit dem uͤberein was im 5. Capitel vom
Zuſchauer und Sehepunckte iſt gelehret wor-
den. Denn wie jeder eine Geſchichte, wovon er
einen Zuſchauer abgiebt, nach ſeinem Stande,
nach ſeiner Stelle, und nach ſeiner Gemuͤths-
verfaſſung
anſiehet (§. 8. 9. 10. 11. C. 5.);
und ſie auf einer gewiſſen Seite betrachtet (§. 13.
C. 5.), alſo geſchiehet dieſes eben auch bey Ge-
ſchichten, die wir hoͤren, oder leſen. Nur iſt
das Bild oder Vorſtellung einer Geſchichte aus
einer Erzehlung und Nachricht, gar ſehr von
der Erkenntniß unterſchieden, die der Zuſchauer
ſelbſt vor ſeine Perſon davon hat, wie aus dem
Capitel von der Verwandelung einer Ge-
ſchichte
in die Erzehlung auf das klaͤrlichſte
zu erſehen iſt. Daraus muͤſſen alſo auch andere
Gedancken und Ueberlegungen entſtehen. Das
beſondere aber welches das Bild einer Geſchich-
te aus einer Erzehlung von dem Bilde, das der
Zuſchauer davon hat, an ſich zu haben pflegt, iſt
1. dieſes, daß es kuͤrtzer, oder kurtzgefaſter und
kleiner iſt; oder daß es weniger in ſich enthaͤlt.
2. Daß es manches unbeſtimmtes in ſich haͤlt, wel-
ches in der Erkenntniß des Zuſchauers beſtimmt
iſt. 3. Daß der Geſchichte ſchon eine gewiſſe Ge-
ſtalt gegeben worden (§. 27. C. 6.), da man ihr

auch
M 3
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[181/0217] v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc. §. 24. Betrachtungen uͤber eine erhaltene Nachricht. Die Uberlegung, welche ein Zuhoͤrer, oder Le- ſer, bey einer Nachricht braucht, koͤmmt gar ſehr mit dem uͤberein was im 5. Capitel vom Zuſchauer und Sehepunckte iſt gelehret wor- den. Denn wie jeder eine Geſchichte, wovon er einen Zuſchauer abgiebt, nach ſeinem Stande, nach ſeiner Stelle, und nach ſeiner Gemuͤths- verfaſſung anſiehet (§. 8. 9. 10. 11. C. 5.); und ſie auf einer gewiſſen Seite betrachtet (§. 13. C. 5.), alſo geſchiehet dieſes eben auch bey Ge- ſchichten, die wir hoͤren, oder leſen. Nur iſt das Bild oder Vorſtellung einer Geſchichte aus einer Erzehlung und Nachricht, gar ſehr von der Erkenntniß unterſchieden, die der Zuſchauer ſelbſt vor ſeine Perſon davon hat, wie aus dem Capitel von der Verwandelung einer Ge- ſchichte in die Erzehlung auf das klaͤrlichſte zu erſehen iſt. Daraus muͤſſen alſo auch andere Gedancken und Ueberlegungen entſtehen. Das beſondere aber welches das Bild einer Geſchich- te aus einer Erzehlung von dem Bilde, das der Zuſchauer davon hat, an ſich zu haben pflegt, iſt 1. dieſes, daß es kuͤrtzer, oder kurtzgefaſter und kleiner iſt; oder daß es weniger in ſich enthaͤlt. 2. Daß es manches unbeſtimmtes in ſich haͤlt, wel- ches in der Erkenntniß des Zuſchauers beſtimmt iſt. 3. Daß der Geſchichte ſchon eine gewiſſe Ge- ſtalt gegeben worden (§. 27. C. 6.), da man ihr auch M 3

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/217>, abgerufen am 13.11.2024.