§. 14. Jede Nachricht muß auf zwey Seiten betrachtet werden.
Die erste Nachricht muß, wie eine jegliche Rede und Schrifft, von dem, der sie bekommt, nach dem Gebrauch der Wörter angenommen und verstanden werden, welchen man aus der Gram- matick und aus dem Wörterbuche jeder Sprache erlernet (§. 3. 42. Auslegekunst). Derjenige al- so, der die Nachricht bekommt, gedencket dabey einerley mit dem, der sie ihm ertheilet hat; nehm- lich in Ansehung des unmittelbaren Verstan- des, d. i. in Ansehung des Bildes, welches sich der Zuschauer aus dem, was ihm von der Sa- che bekannt ist, gemacht hat, um es durch die er- theilte Nachricht bekannt zu machen. Denn aus- serdem wissen wir, daß der Zuschauer nicht alles das, was er weiß oder gedencket, erzehlet (§. 3. C. 6.); da er seines Orts solches, vermöge des Gedächtnisses, so offte gedencken muß, als er die Sache erzehlet, oder seine aufgeschriebene Erzeh- lung selber wieder ansiehet: Folglich ist seine Vor- stellung bey der Erzehlung von derjenigen Vor- stellung unterschieden, welche der Zuhörer, Leser, und Nachsager aus der Erzehlung erhält. Da nun die Fruchtbarkeit einer Stelle darinnen be- stehet, daß man weniger oder mehr dabey ge- denckt (§. 164. Auslegekunst); so ist die Erzeh- lung eines Zuschauers freylich fruchtbarer bey ihm, als bey dem, der sie aus seiner Erzehlung erlernet. Es kan aber auch im Gegentheil seyn, daß die Nachricht aus einer andern Ursache, die
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
§. 14. Jede Nachricht muß auf zwey Seiten betrachtet werden.
Die erſte Nachricht muß, wie eine jegliche Rede und Schrifft, von dem, der ſie bekommt, nach dem Gebrauch der Woͤrter angenommen und verſtanden werden, welchen man aus der Gram- matick und aus dem Woͤrterbuche jeder Sprache erlernet (§. 3. 42. Auslegekunſt). Derjenige al- ſo, der die Nachricht bekommt, gedencket dabey einerley mit dem, der ſie ihm ertheilet hat; nehm- lich in Anſehung des unmittelbaren Verſtan- des, d. i. in Anſehung des Bildes, welches ſich der Zuſchauer aus dem, was ihm von der Sa- che bekannt iſt, gemacht hat, um es durch die er- theilte Nachricht bekannt zu machen. Denn auſ- ſerdem wiſſen wir, daß der Zuſchauer nicht alles das, was er weiß oder gedencket, erzehlet (§. 3. C. 6.); da er ſeines Orts ſolches, vermoͤge des Gedaͤchtniſſes, ſo offte gedencken muß, als er die Sache erzehlet, oder ſeine aufgeſchriebene Erzeh- lung ſelber wieder anſiehet: Folglich iſt ſeine Vor- ſtellung bey der Erzehlung von derjenigen Vor- ſtellung unterſchieden, welche der Zuhoͤrer, Leſer, und Nachſager aus der Erzehlung erhaͤlt. Da nun die Fruchtbarkeit einer Stelle darinnen be- ſtehet, daß man weniger oder mehr dabey ge- denckt (§. 164. Auslegekunſt); ſo iſt die Erzeh- lung eines Zuſchauers freylich fruchtbarer bey ihm, als bey dem, der ſie aus ſeiner Erzehlung erlernet. Es kan aber auch im Gegentheil ſeyn, daß die Nachricht aus einer andern Urſache, die
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
§. 14.
Jede Nachricht muß auf zwey Seiten
betrachtet werden.
Die erſte Nachricht muß, wie eine jegliche
Rede und Schrifft, von dem, der ſie bekommt,
nach dem Gebrauch der Woͤrter angenommen und
verſtanden werden, welchen man aus der Gram-
matick und aus dem Woͤrterbuche jeder Sprache
erlernet (§. 3. 42. Auslegekunſt). Derjenige al-
ſo, der die Nachricht bekommt, gedencket dabey
einerley mit dem, der ſie ihm ertheilet hat; nehm-
lich in Anſehung des unmittelbaren Verſtan-
des, d. i. in Anſehung des Bildes, welches ſich
der Zuſchauer aus dem, was ihm von der Sa-
che bekannt iſt, gemacht hat, um es durch die er-
theilte Nachricht bekannt zu machen. Denn auſ-
ſerdem wiſſen wir, daß der Zuſchauer nicht alles
das, was er weiß oder gedencket, erzehlet (§. 3.
C. 6.); da er ſeines Orts ſolches, vermoͤge des
Gedaͤchtniſſes, ſo offte gedencken muß, als er die
Sache erzehlet, oder ſeine aufgeſchriebene Erzeh-
lung ſelber wieder anſiehet: Folglich iſt ſeine Vor-
ſtellung bey der Erzehlung von derjenigen Vor-
ſtellung unterſchieden, welche der Zuhoͤrer, Leſer,
und Nachſager aus der Erzehlung erhaͤlt. Da
nun die Fruchtbarkeit einer Stelle darinnen be-
ſtehet, daß man weniger oder mehr dabey ge-
denckt (§. 164. Auslegekunſt); ſo iſt die Erzeh-
lung eines Zuſchauers freylich fruchtbarer bey
ihm, als bey dem, der ſie aus ſeiner Erzehlung
erlernet. Es kan aber auch im Gegentheil ſeyn,
daß die Nachricht aus einer andern Urſache, die
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/205>, abgerufen am 13.11.2024.
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