Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.v. d. Verwandelung der Geschichte etc. lich erzehlet, welches einige Verdunckelung nachsich ziehet, das wird in der entgegen gesetzten Er- zehlung umständlich angeführet werden, was der eine groß vorstellet, wird der andere klein vor- stellen: und durch Einsicht in die Regeln der hi- storischen Erkentniß wird man urtheilen können, wie die Sache innerlich beschaffen gewesen, welche von dem einen groß, von dem andern klein vorge- stellet worden. Dergleichen abstrackte Einsicht aber niemand als einem Richter nöthig ist, oder dem der eine gelehrte Erzehlung machen will, die vor die gantze Welt ist. Jm gesellschafftlichen und bürgerlichen Wandel und Wesen müssen die- jenigen, welche Freunde seyn wollen, auch die Sache aus einerley Sehepunckt ansehen, und sie wenig- stens gemeinschafftlich approbiren. Leute, die neu- tral seyn wollen, auch nur im Dencken, werden ge- meiniglich auf beyden Seiten vor Feinde gehal- ten. Was aber aus diesen Eigenschafften der Erzehlungen vor Bedencklichkeiten in Ansehung der Gewißheit entstehen können, soll an seinem Orte ausgeführet werden. §. 35. Angenehme und rauhe Erzehlungen. Die tägliche Erfahrung lehret, daß Geschich- denen, K 5
v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc. lich erzehlet, welches einige Verdunckelung nachſich ziehet, das wird in der entgegen geſetzten Er- zehlung umſtaͤndlich angefuͤhret werden, was der eine groß vorſtellet, wird der andere klein vor- ſtellen: und durch Einſicht in die Regeln der hi- ſtoriſchen Erkentniß wird man urtheilen koͤnnen, wie die Sache innerlich beſchaffen geweſen, welche von dem einen groß, von dem andern klein vorge- ſtellet worden. Dergleichen abſtrackte Einſicht aber niemand als einem Richter noͤthig iſt, oder dem der eine gelehrte Erzehlung machen will, die vor die gantze Welt iſt. Jm geſellſchafftlichen und buͤrgerlichen Wandel und Weſen muͤſſen die- jenigen, welche Freunde ſeyn wollen, auch die Sache aus einerley Sehepunckt anſehen, und ſie wenig- ſtens gemeinſchafftlich approbiren. Leute, die neu- tral ſeyn wollen, auch nur im Dencken, werden ge- meiniglich auf beyden Seiten vor Feinde gehal- ten. Was aber aus dieſen Eigenſchafften der Erzehlungen vor Bedencklichkeiten in Anſehung der Gewißheit entſtehen koͤnnen, ſoll an ſeinem Orte ausgefuͤhret werden. §. 35. Angenehme und rauhe Erzehlungen. Die taͤgliche Erfahrung lehret, daß Geſchich- denen, K 5
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v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc.
lich erzehlet, welches einige Verdunckelung nach
ſich ziehet, das wird in der entgegen geſetzten Er-
zehlung umſtaͤndlich angefuͤhret werden, was der
eine groß vorſtellet, wird der andere klein vor-
ſtellen: und durch Einſicht in die Regeln der hi-
ſtoriſchen Erkentniß wird man urtheilen koͤnnen,
wie die Sache innerlich beſchaffen geweſen, welche
von dem einen groß, von dem andern klein vorge-
ſtellet worden. Dergleichen abſtrackte Einſicht
aber niemand als einem Richter noͤthig iſt, oder
dem der eine gelehrte Erzehlung machen will, die
vor die gantze Welt iſt. Jm geſellſchafftlichen
und buͤrgerlichen Wandel und Weſen muͤſſen die-
jenigen, welche Freunde ſeyn wollen, auch die Sache
aus einerley Sehepunckt anſehen, und ſie wenig-
ſtens gemeinſchafftlich approbiren. Leute, die neu-
tral ſeyn wollen, auch nur im Dencken, werden ge-
meiniglich auf beyden Seiten vor Feinde gehal-
ten. Was aber aus dieſen Eigenſchafften der
Erzehlungen vor Bedencklichkeiten in Anſehung
der Gewißheit entſtehen koͤnnen, ſoll an ſeinem
Orte ausgefuͤhret werden.
§. 35.
Angenehme und rauhe Erzehlungen.
Die taͤgliche Erfahrung lehret, daß Geſchich-
te roh und unluſtig, oder im Gegentheil ange-
nehm und ergoͤtzend koͤnnen vorgetragen wer-
den. Dies Angenehme und Unangenehme iſt al-
ſo nicht eine Eigenſchafft oder Werck der Ge-
ſchichte, ſondern der Erzehlung. Wie aber
das eine zur Beredſamkeit, das andere aber zu
denen,
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