griffes, dem man in seiner Erzehlung folget (§. 18.), zu erzehlen übrig ist: es geschiehet aber dennoch, daß man aus Mangel der Zeit, oder durch an- dere Zufälle, die Geschichte nicht hinaus er- zehlen kan. Dieses aber kan in der historischen Erkentniß nichts ändern; denn es ist nichts zu thun, als daß man die Geschichte zu seiner Zeit fortsetze. Eine Aenderung aber in der Vor- stellung ist, wenn man den letztern Theil der Ge- schichte nur in einen sehr kleinen Auszug bringet, und nur das Hauptwerck in ein oder ein paar Sä- tzen vorträget, welche ungleiche Eintheilung ab- brechen, oder auch abschnappen genennet wird.
§. 31. Geschichte ausdehnen.
Da die Geschichte in gantz verschiedener Kür- tze, oder auch in verschiedener Weitläufftigkeit können erzehlt werden, so geschiehet solches nicht allein wegen der Absicht, die die gantze Erzeh- lung hat, sondern auch wegen anderer Umstände. Was besonders die Erweiterung antrifft, so ist es vor das nöthige und vernünfftige Maaß aller Arten von Abhandlungen ein s[e]hr gefährlicher Um- stand, daß viele gerne grosse Bücher haben, dergestalt daß selbst bey manchen Gelehrten, die über solche sinnliche Blendungen weit sollten erha- ben seyn, ein Buch in Folio, und ein starckes volumen, einen besondern Eindruck macht. Nun erfordert die Klugheit, sich wie in andere Schwach- heiten der Menschen, also auch in diese zu schi- cken, und eine gerechte Sache so wenig durch
diese
Sechſtes Capitel,
griffes, dem man in ſeiner Erzehlung folget (§. 18.), zu erzehlen uͤbrig iſt: es geſchiehet aber dennoch, daß man aus Mangel der Zeit, oder durch an- dere Zufaͤlle, die Geſchichte nicht hinaus er- zehlen kan. Dieſes aber kan in der hiſtoriſchen Erkentniß nichts aͤndern; denn es iſt nichts zu thun, als daß man die Geſchichte zu ſeiner Zeit fortſetze. Eine Aenderung aber in der Vor- ſtellung iſt, wenn man den letztern Theil der Ge- ſchichte nur in einen ſehr kleinen Auszug bringet, und nur das Hauptwerck in ein oder ein paar Saͤ- tzen vortraͤget, welche ungleiche Eintheilung ab- brechen, oder auch abſchnappen genennet wird.
§. 31. Geſchichte ausdehnen.
Da die Geſchichte in gantz verſchiedener Kuͤr- tze, oder auch in verſchiedener Weitlaͤufftigkeit koͤnnen erzehlt werden, ſo geſchiehet ſolches nicht allein wegen der Abſicht, die die gantze Erzeh- lung hat, ſondern auch wegen anderer Umſtaͤnde. Was beſonders die Erweiterung antrifft, ſo iſt es vor das noͤthige und vernuͤnfftige Maaß aller Arten von Abhandlungen ein ſ[e]hr gefaͤhrlicher Um- ſtand, daß viele gerne groſſe Buͤcher haben, dergeſtalt daß ſelbſt bey manchen Gelehrten, die uͤber ſolche ſinnliche Blendungen weit ſollten erha- ben ſeyn, ein Buch in Folio, und ein ſtarckes volumen, einen beſondern Eindruck macht. Nun erfordert die Klugheit, ſich wie in andere Schwach- heiten der Menſchen, alſo auch in dieſe zu ſchi- cken, und eine gerechte Sache ſo wenig durch
dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbn="148"facs="#f0184"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Sechſtes Capitel,</hi></fw><lb/>
griffes, dem man in ſeiner Erzehlung folget (§. 18.),<lb/>
zu erzehlen uͤbrig iſt: es geſchiehet aber dennoch,<lb/>
daß man aus Mangel der Zeit, oder durch an-<lb/>
dere Zufaͤlle, die Geſchichte nicht hinaus er-<lb/>
zehlen kan. Dieſes aber kan in der hiſtoriſchen<lb/>
Erkentniß nichts aͤndern; denn es iſt nichts zu<lb/>
thun, als daß man die Geſchichte zu ſeiner Zeit<lb/><hirendition="#fr">fortſetze.</hi> Eine Aenderung aber in der Vor-<lb/>ſtellung iſt, wenn man den letztern Theil der Ge-<lb/>ſchichte nur in einen ſehr kleinen Auszug bringet,<lb/>
und nur das Hauptwerck in ein oder ein paar Saͤ-<lb/>
tzen vortraͤget, welche ungleiche Eintheilung <hirendition="#fr">ab-<lb/>
brechen,</hi> oder auch abſchnappen genennet wird.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 31.<lb/>
Geſchichte ausdehnen.</head><lb/><p>Da die Geſchichte in gantz verſchiedener <hirendition="#fr">Kuͤr-<lb/>
tze,</hi> oder auch in verſchiedener Weitlaͤufftigkeit<lb/>
koͤnnen erzehlt werden, ſo geſchiehet ſolches nicht<lb/>
allein wegen der Abſicht, die die gantze Erzeh-<lb/>
lung hat, ſondern auch wegen anderer Umſtaͤnde.<lb/>
Was beſonders die Erweiterung antrifft, ſo iſt<lb/>
es vor das noͤthige und vernuͤnfftige Maaß aller<lb/>
Arten von Abhandlungen ein ſ<supplied>e</supplied>hr gefaͤhrlicher Um-<lb/>ſtand, daß viele gerne <hirendition="#fr">groſſe Buͤcher</hi> haben,<lb/>
dergeſtalt daß ſelbſt bey manchen Gelehrten, die<lb/>
uͤber ſolche ſinnliche Blendungen weit ſollten erha-<lb/>
ben ſeyn, ein Buch in Folio, und ein ſtarckes<lb/><hirendition="#aq">volumen,</hi> einen beſondern Eindruck macht. Nun<lb/>
erfordert die Klugheit, ſich wie in andere Schwach-<lb/>
heiten der Menſchen, alſo auch in dieſe zu ſchi-<lb/>
cken, und eine <hirendition="#fr">gerechte Sache</hi>ſo wenig durch<lb/><fwtype="catch"place="bottom">dieſe</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0184]
Sechſtes Capitel,
griffes, dem man in ſeiner Erzehlung folget (§. 18.),
zu erzehlen uͤbrig iſt: es geſchiehet aber dennoch,
daß man aus Mangel der Zeit, oder durch an-
dere Zufaͤlle, die Geſchichte nicht hinaus er-
zehlen kan. Dieſes aber kan in der hiſtoriſchen
Erkentniß nichts aͤndern; denn es iſt nichts zu
thun, als daß man die Geſchichte zu ſeiner Zeit
fortſetze. Eine Aenderung aber in der Vor-
ſtellung iſt, wenn man den letztern Theil der Ge-
ſchichte nur in einen ſehr kleinen Auszug bringet,
und nur das Hauptwerck in ein oder ein paar Saͤ-
tzen vortraͤget, welche ungleiche Eintheilung ab-
brechen, oder auch abſchnappen genennet wird.
§. 31.
Geſchichte ausdehnen.
Da die Geſchichte in gantz verſchiedener Kuͤr-
tze, oder auch in verſchiedener Weitlaͤufftigkeit
koͤnnen erzehlt werden, ſo geſchiehet ſolches nicht
allein wegen der Abſicht, die die gantze Erzeh-
lung hat, ſondern auch wegen anderer Umſtaͤnde.
Was beſonders die Erweiterung antrifft, ſo iſt
es vor das noͤthige und vernuͤnfftige Maaß aller
Arten von Abhandlungen ein ſehr gefaͤhrlicher Um-
ſtand, daß viele gerne groſſe Buͤcher haben,
dergeſtalt daß ſelbſt bey manchen Gelehrten, die
uͤber ſolche ſinnliche Blendungen weit ſollten erha-
ben ſeyn, ein Buch in Folio, und ein ſtarckes
volumen, einen beſondern Eindruck macht. Nun
erfordert die Klugheit, ſich wie in andere Schwach-
heiten der Menſchen, alſo auch in dieſe zu ſchi-
cken, und eine gerechte Sache ſo wenig durch
dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/184>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.