Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Capitel,
ist dasjenige nicht vor überflüßig zu halten, ohne
welchem das andere nicht verstanden werden kan,
wenn es gleich an sich zur Absicht nichts beyträgt.

§. 21.
Sachen groß und klein vorstellen, ist vom
Vergrössern und Verkleinern un-
terschieden.

So erfordert auch die Absicht der Erzehlung
in manchen Fällen die Sachen groß, in andern
Fällen aber sie klein vorzustellen. Die Kunst-
griffe hievon gehören in die Rhetorick. Beydes
kan auch öffters, der Wahrheit unbeschadet, ge-
schehen: Denn man weiß ja, daß bey allen Ge-
schöpffen und ihren Eigenschafften, die Grösse da-
von abhanget, ob man sie mit was grössern, oder mit
was kleinern zusammen hält. Und also kommt
die Grösse auf die Vergleichung und auf die Art
der Vorstellung an; und auf was vor einer Sei-
te man sie betrachtet. Es wird auch, wenn man
gleich alles zusammen nimmt, was man Grosses
von der Sache sagen kan, dennoch wohl noch nicht
die rechte Vorstellung bey dem Zuhörer, der etwa
träge im Dencken ist, erwecket. Andere aber
machen sich freylich diesen Vortheil zu Nutz, daß
sie die Sache groß vorstellen, ohngeachtet sie wis-
sen, daß ihre Zuhörer die Sache aus Mangel
der Ueberlegung noch für grösser annehmen wer-
den, als sie in der That ist: ein solches betrügli-
ches Großvorstellen gehöret nun schon zum
Vergrössern, dem das Verkleinern entgegen
gesetzt ist; deren beydes aber durch Hinzufügung

fal-

Sechſtes Capitel,
iſt dasjenige nicht vor uͤberfluͤßig zu halten, ohne
welchem das andere nicht verſtanden werden kan,
wenn es gleich an ſich zur Abſicht nichts beytraͤgt.

§. 21.
Sachen groß und klein vorſtellen, iſt vom
Vergroͤſſern und Verkleinern un-
terſchieden.

So erfordert auch die Abſicht der Erzehlung
in manchen Faͤllen die Sachen groß, in andern
Faͤllen aber ſie klein vorzuſtellen. Die Kunſt-
griffe hievon gehoͤren in die Rhetorick. Beydes
kan auch oͤffters, der Wahrheit unbeſchadet, ge-
ſchehen: Denn man weiß ja, daß bey allen Ge-
ſchoͤpffen und ihren Eigenſchafften, die Groͤſſe da-
von abhanget, ob man ſie mit was groͤſſern, oder mit
was kleinern zuſammen haͤlt. Und alſo kommt
die Groͤſſe auf die Vergleichung und auf die Art
der Vorſtellung an; und auf was vor einer Sei-
te man ſie betrachtet. Es wird auch, wenn man
gleich alles zuſammen nimmt, was man Groſſes
von der Sache ſagen kan, dennoch wohl noch nicht
die rechte Vorſtellung bey dem Zuhoͤrer, der etwa
traͤge im Dencken iſt, erwecket. Andere aber
machen ſich freylich dieſen Vortheil zu Nutz, daß
ſie die Sache groß vorſtellen, ohngeachtet ſie wiſ-
ſen, daß ihre Zuhoͤrer die Sache aus Mangel
der Ueberlegung noch fuͤr groͤſſer annehmen wer-
den, als ſie in der That iſt: ein ſolches betruͤgli-
ches Großvorſtellen gehoͤret nun ſchon zum
Vergroͤſſern, dem das Verkleinern entgegen
geſetzt iſt; deren beydes aber durch Hinzufuͤgung

fal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Capitel,</hi></fw><lb/>
i&#x017F;t dasjenige nicht vor u&#x0364;berflu&#x0364;ßig zu halten, ohne<lb/>
welchem das andere nicht ver&#x017F;tanden werden kan,<lb/>
wenn es gleich an &#x017F;ich zur Ab&#x017F;icht nichts beytra&#x0364;gt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 21.<lb/>
Sachen groß und klein vor&#x017F;tellen, i&#x017F;t vom<lb/>
Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern und Verkleinern un-<lb/>
ter&#x017F;chieden.</head><lb/>
          <p>So erfordert auch die Ab&#x017F;icht der Erzehlung<lb/>
in manchen Fa&#x0364;llen die Sachen <hi rendition="#fr">groß,</hi> in andern<lb/>
Fa&#x0364;llen aber &#x017F;ie <hi rendition="#fr">klein</hi> vorzu&#x017F;tellen. Die Kun&#x017F;t-<lb/>
griffe hievon geho&#x0364;ren in die Rhetorick. Beydes<lb/>
kan auch o&#x0364;ffters, der Wahrheit unbe&#x017F;chadet, ge-<lb/>
&#x017F;chehen: Denn man weiß ja, daß bey allen Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pffen und ihren Eigen&#x017F;chafften, die <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi> da-<lb/>
von abhanget, ob man &#x017F;ie mit was gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern, oder mit<lb/>
was kleinern zu&#x017F;ammen ha&#x0364;lt. Und al&#x017F;o kommt<lb/>
die <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi> auf die Vergleichung und auf die Art<lb/>
der Vor&#x017F;tellung an; und auf was vor einer Sei-<lb/>
te man &#x017F;ie betrachtet. Es wird auch, wenn man<lb/>
gleich alles zu&#x017F;ammen nimmt, was man Gro&#x017F;&#x017F;es<lb/>
von der Sache &#x017F;agen kan, dennoch wohl noch nicht<lb/>
die rechte Vor&#x017F;tellung bey dem Zuho&#x0364;rer, der etwa<lb/>
tra&#x0364;ge im Dencken i&#x017F;t, erwecket. Andere aber<lb/>
machen &#x017F;ich freylich die&#x017F;en Vortheil zu Nutz, daß<lb/>
&#x017F;ie die Sache <hi rendition="#fr">groß</hi> vor&#x017F;tellen, ohngeachtet &#x017F;ie wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß ihre Zuho&#x0364;rer die Sache aus Mangel<lb/>
der Ueberlegung noch fu&#x0364;r gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er annehmen wer-<lb/>
den, als &#x017F;ie in der That i&#x017F;t: ein &#x017F;olches betru&#x0364;gli-<lb/>
ches <hi rendition="#fr">Großvor&#x017F;tellen</hi> geho&#x0364;ret nun &#x017F;chon zum<lb/><hi rendition="#fr">Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern,</hi> dem das <hi rendition="#fr">Verkleinern</hi> entgegen<lb/>
ge&#x017F;etzt i&#x017F;t; deren beydes aber durch Hinzufu&#x0364;gung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fal-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0174] Sechſtes Capitel, iſt dasjenige nicht vor uͤberfluͤßig zu halten, ohne welchem das andere nicht verſtanden werden kan, wenn es gleich an ſich zur Abſicht nichts beytraͤgt. §. 21. Sachen groß und klein vorſtellen, iſt vom Vergroͤſſern und Verkleinern un- terſchieden. So erfordert auch die Abſicht der Erzehlung in manchen Faͤllen die Sachen groß, in andern Faͤllen aber ſie klein vorzuſtellen. Die Kunſt- griffe hievon gehoͤren in die Rhetorick. Beydes kan auch oͤffters, der Wahrheit unbeſchadet, ge- ſchehen: Denn man weiß ja, daß bey allen Ge- ſchoͤpffen und ihren Eigenſchafften, die Groͤſſe da- von abhanget, ob man ſie mit was groͤſſern, oder mit was kleinern zuſammen haͤlt. Und alſo kommt die Groͤſſe auf die Vergleichung und auf die Art der Vorſtellung an; und auf was vor einer Sei- te man ſie betrachtet. Es wird auch, wenn man gleich alles zuſammen nimmt, was man Groſſes von der Sache ſagen kan, dennoch wohl noch nicht die rechte Vorſtellung bey dem Zuhoͤrer, der etwa traͤge im Dencken iſt, erwecket. Andere aber machen ſich freylich dieſen Vortheil zu Nutz, daß ſie die Sache groß vorſtellen, ohngeachtet ſie wiſ- ſen, daß ihre Zuhoͤrer die Sache aus Mangel der Ueberlegung noch fuͤr groͤſſer annehmen wer- den, als ſie in der That iſt: ein ſolches betruͤgli- ches Großvorſtellen gehoͤret nun ſchon zum Vergroͤſſern, dem das Verkleinern entgegen geſetzt iſt; deren beydes aber durch Hinzufuͤgung fal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/174
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/174>, abgerufen am 30.12.2024.