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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Verwandelung der Geschichte etc.
§. 20.
Unnütze, nöthige und schädliche Umstände
einer Geschichte.

Bey politischen Erzehlungen also müssen die
Stücke der Geschichte, die sonst bey einer gelehr-
ten Erzehlung eben derselben Geschichte gleiches
Recht haben würden, in drey Classen eingetheilt
werden. Erstlich sind Umstände überflüßig,
fremde, unnütze,
welche der Absicht nicht scha-
den und nicht nutzen. Als wenn ein Herr Trup-
pen in seines Nachbars Gebiet einrücken lassen, so
ist dabey der Nahme der Capitains offenbar zu
erzehlen überflüßig: kaum daß die Regimenter
von ihren Obersten benennet werden. Denn es
ist einerley, welches Regiment eingerückt, sondern
es kommt dabey nur auf die Anzahl der Truppen
an. Sodann sind die nöthigen Stücke, wel-
che zur Absicht der Erzehlung etwas beytragen:
endlich die schädlichen und nachtheiligen, die
der Absicht zuwider sind. So erzehlen die Leute
bey einer Jnjurienklage selten ihre harten Re-
den, wodurch sie die darauf erfolgten Schimpf-
worte veranlasset haben; sie bemercken hingegen
nicht allein die Schimpfworte, die der andere aus-
gestossen, sondern auch wohl seine Gebehrden.
Das letztere führen sie als Beweise des animi in-
juriandi
an, damit die Gnugthuung desto eher
möge erhalten werden; ihre Worte aber lassen sie
weg, weil sie eher die Beleidigung mildern und
entschuldigen, als vergrössern möchten. Das er-
ste nun bey einer politischen Erzehlung ist, daß
das Ueberflüßige weggelassen werde. Nun

ist
J 5
v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc.
§. 20.
Unnuͤtze, noͤthige und ſchaͤdliche Umſtaͤnde
einer Geſchichte.

Bey politiſchen Erzehlungen alſo muͤſſen die
Stuͤcke der Geſchichte, die ſonſt bey einer gelehr-
ten Erzehlung eben derſelben Geſchichte gleiches
Recht haben wuͤrden, in drey Claſſen eingetheilt
werden. Erſtlich ſind Umſtaͤnde uͤberfluͤßig,
fremde, unnuͤtze,
welche der Abſicht nicht ſcha-
den und nicht nutzen. Als wenn ein Herr Trup-
pen in ſeines Nachbars Gebiet einruͤcken laſſen, ſo
iſt dabey der Nahme der Capitains offenbar zu
erzehlen uͤberfluͤßig: kaum daß die Regimenter
von ihren Oberſten benennet werden. Denn es
iſt einerley, welches Regiment eingeruͤckt, ſondern
es kommt dabey nur auf die Anzahl der Truppen
an. Sodann ſind die noͤthigen Stuͤcke, wel-
che zur Abſicht der Erzehlung etwas beytragen:
endlich die ſchaͤdlichen und nachtheiligen, die
der Abſicht zuwider ſind. So erzehlen die Leute
bey einer Jnjurienklage ſelten ihre harten Re-
den, wodurch ſie die darauf erfolgten Schimpf-
worte veranlaſſet haben; ſie bemercken hingegen
nicht allein die Schimpfworte, die der andere aus-
geſtoſſen, ſondern auch wohl ſeine Gebehrden.
Das letztere fuͤhren ſie als Beweiſe des animi in-
juriandi
an, damit die Gnugthuung deſto eher
moͤge erhalten werden; ihre Worte aber laſſen ſie
weg, weil ſie eher die Beleidigung mildern und
entſchuldigen, als vergroͤſſern moͤchten. Das er-
ſte nun bey einer politiſchen Erzehlung iſt, daß
das Ueberfluͤßige weggelaſſen werde. Nun

iſt
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[137/0173] v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc. §. 20. Unnuͤtze, noͤthige und ſchaͤdliche Umſtaͤnde einer Geſchichte. Bey politiſchen Erzehlungen alſo muͤſſen die Stuͤcke der Geſchichte, die ſonſt bey einer gelehr- ten Erzehlung eben derſelben Geſchichte gleiches Recht haben wuͤrden, in drey Claſſen eingetheilt werden. Erſtlich ſind Umſtaͤnde uͤberfluͤßig, fremde, unnuͤtze, welche der Abſicht nicht ſcha- den und nicht nutzen. Als wenn ein Herr Trup- pen in ſeines Nachbars Gebiet einruͤcken laſſen, ſo iſt dabey der Nahme der Capitains offenbar zu erzehlen uͤberfluͤßig: kaum daß die Regimenter von ihren Oberſten benennet werden. Denn es iſt einerley, welches Regiment eingeruͤckt, ſondern es kommt dabey nur auf die Anzahl der Truppen an. Sodann ſind die noͤthigen Stuͤcke, wel- che zur Abſicht der Erzehlung etwas beytragen: endlich die ſchaͤdlichen und nachtheiligen, die der Abſicht zuwider ſind. So erzehlen die Leute bey einer Jnjurienklage ſelten ihre harten Re- den, wodurch ſie die darauf erfolgten Schimpf- worte veranlaſſet haben; ſie bemercken hingegen nicht allein die Schimpfworte, die der andere aus- geſtoſſen, ſondern auch wohl ſeine Gebehrden. Das letztere fuͤhren ſie als Beweiſe des animi in- juriandi an, damit die Gnugthuung deſto eher moͤge erhalten werden; ihre Worte aber laſſen ſie weg, weil ſie eher die Beleidigung mildern und entſchuldigen, als vergroͤſſern moͤchten. Das er- ſte nun bey einer politiſchen Erzehlung iſt, daß das Ueberfluͤßige weggelaſſen werde. Nun iſt J 5

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/173>, abgerufen am 21.11.2024.