Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.v. d. Verwandelung der Geschichte etc. mit vielen grossen Diamanten wird bey einer gros-sen Solennität auch solche Zuschauer aufmercksam machen, welche nichts weniger willens waren, als auf den Kleiderpracht achtung zu geben: sie werden die Macht des funckelnden Lichtes spühren. Ein bellender Hund macht auch die aufmerckfam- sten Zuhörer irre. Kurtz, wir wissen, daß wir unsere Sinne nicht völlig in unserer Gewalt ha- ben (S. v. Wolfs Gedancken von GOtt, der Welt etc. §. 226.). Wenn wir aber die Vorstel- lung der Sache einmahl in Sinn gefasset haben, denn sind wir Meister von unserer Vorstellung; dabey kan hernach jeder nach seinem Sehepunckte recht frey gedencken. Und da gehet auch haupt- sächlich das an, was wir gewiesen haben, daß man die Sachen nur immer auf einer Seite an- sehe (§. 13. C. 5.), und dabey eine gewisse Ein- sicht äussere (§. 14. C. 5.). Wir lassen nehmlich weg, was uns nicht anstehet, und lassen solche Umstände bey uns dunckel werden; und wir be- schäfftigen uns mit dem, was uns gefället, oder zu unsern Umständen dienet: welches denn in un- sere Erzehlungen, wenn wir es gleich nicht mer- cken, und nicht willens sind, etwas daran zu än- dern, dennoch einen grossen Einfluß hat: öffters aber auch wissentlich und vorsetzlich geschiehet. §. 9. Einrichtung der Erzehlung nach einer ge- wissen Absicht. Denn es muß doch, wenn wir etwas erzehlen es
v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc. mit vielen groſſen Diamanten wird bey einer groſ-ſen Solennitaͤt auch ſolche Zuſchauer aufmerckſam machen, welche nichts weniger willens waren, als auf den Kleiderpracht achtung zu geben: ſie werden die Macht des funckelnden Lichtes ſpuͤhren. Ein bellender Hund macht auch die aufmerckfam- ſten Zuhoͤrer irre. Kurtz, wir wiſſen, daß wir unſere Sinne nicht voͤllig in unſerer Gewalt ha- ben (S. v. Wolfs Gedancken von GOtt, der Welt ꝛc. §. 226.). Wenn wir aber die Vorſtel- lung der Sache einmahl in Sinn gefaſſet haben, denn ſind wir Meiſter von unſerer Vorſtellung; dabey kan hernach jeder nach ſeinem Sehepunckte recht frey gedencken. Und da gehet auch haupt- ſaͤchlich das an, was wir gewieſen haben, daß man die Sachen nur immer auf einer Seite an- ſehe (§. 13. C. 5.), und dabey eine gewiſſe Ein- ſicht aͤuſſere (§. 14. C. 5.). Wir laſſen nehmlich weg, was uns nicht anſtehet, und laſſen ſolche Umſtaͤnde bey uns dunckel werden; und wir be- ſchaͤfftigen uns mit dem, was uns gefaͤllet, oder zu unſern Umſtaͤnden dienet: welches denn in un- ſere Erzehlungen, wenn wir es gleich nicht mer- cken, und nicht willens ſind, etwas daran zu aͤn- dern, dennoch einen groſſen Einfluß hat: oͤffters aber auch wiſſentlich und vorſetzlich geſchiehet. §. 9. Einrichtung der Erzehlung nach einer ge- wiſſen Abſicht. Denn es muß doch, wenn wir etwas erzehlen es
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v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc.
mit vielen groſſen Diamanten wird bey einer groſ-
ſen Solennitaͤt auch ſolche Zuſchauer aufmerckſam
machen, welche nichts weniger willens waren,
als auf den Kleiderpracht achtung zu geben: ſie
werden die Macht des funckelnden Lichtes ſpuͤhren.
Ein bellender Hund macht auch die aufmerckfam-
ſten Zuhoͤrer irre. Kurtz, wir wiſſen, daß wir
unſere Sinne nicht voͤllig in unſerer Gewalt ha-
ben (S. v. Wolfs Gedancken von GOtt, der
Welt ꝛc. §. 226.). Wenn wir aber die Vorſtel-
lung der Sache einmahl in Sinn gefaſſet haben,
denn ſind wir Meiſter von unſerer Vorſtellung;
dabey kan hernach jeder nach ſeinem Sehepunckte
recht frey gedencken. Und da gehet auch haupt-
ſaͤchlich das an, was wir gewieſen haben, daß
man die Sachen nur immer auf einer Seite an-
ſehe (§. 13. C. 5.), und dabey eine gewiſſe Ein-
ſicht aͤuſſere (§. 14. C. 5.). Wir laſſen nehmlich
weg, was uns nicht anſtehet, und laſſen ſolche
Umſtaͤnde bey uns dunckel werden; und wir be-
ſchaͤfftigen uns mit dem, was uns gefaͤllet, oder
zu unſern Umſtaͤnden dienet: welches denn in un-
ſere Erzehlungen, wenn wir es gleich nicht mer-
cken, und nicht willens ſind, etwas daran zu aͤn-
dern, dennoch einen groſſen Einfluß hat: oͤffters
aber auch wiſſentlich und vorſetzlich geſchiehet.
§. 9.
Einrichtung der Erzehlung nach einer ge-
wiſſen Abſicht.
Denn es muß doch, wenn wir etwas erzehlen
wollen, eine Urſach vorhanden ſeyn, warum wir
es
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