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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Sechstes Capitel,
nen Zuschauern auf verschiedene Weise, gleichsam
als in Spiegeln von verschiedener Gattung und
Stellung vorgestellet werden, wie solches im vo-
rigen Capitel ausgeführet worden; sondern wir
müssen auch noch eine andere Handlung der See-
le, welche vor der Erzehlung vorhergehet, bemer-
cken, welche wir die Verwandelung der Ge-
schichte
nennen wollen; weil die Begebenheit
niemahls vollkommen so, wie sie empfunden
worden, erzehlet wird, sondern vielmehr nach ei-
nem gewissen Bilde, welches aus der Empfin-
dung und deren Vorstellung durchs Gedächtniß
herausgezogen wird. Denn wir erzehlen die Sa-
chen nicht in der Empfindung, und währender
Vorstellung, sondern nach derselben: und rich-
ten uns also nach dem Bilde, welches durch die
Empfindung in unsere Seele ist eingeprägt wor-
den. Da nun dieses schon nicht der Empfindung
vollkommen gleich ist, so wird noch erst mancher-
ley Veränderung damit vorgenommen, so bald
als der Vorsatz, die Sache andern zu erzehlen,
darzu kommt.

§. 2.
Nothwendige, Theilung der Begebenheiten,
die zugleich vorgegangen.

Jn der Empfindung werden uns viele Sa-
chen zugleich vorgestellt, die sich bey der vorha-
benden Erzehlung einer Sache unmöglich auf ein-
mahl ausdrucken lassen. Bey einer Solennität
werden zugleich die Glocken geläutet, und die
Stücken gelöset: aber ich kan beydes nicht auf

ein-

Sechſtes Capitel,
nen Zuſchauern auf verſchiedene Weiſe, gleichſam
als in Spiegeln von verſchiedener Gattung und
Stellung vorgeſtellet werden, wie ſolches im vo-
rigen Capitel ausgefuͤhret worden; ſondern wir
muͤſſen auch noch eine andere Handlung der See-
le, welche vor der Erzehlung vorhergehet, bemer-
cken, welche wir die Verwandelung der Ge-
ſchichte
nennen wollen; weil die Begebenheit
niemahls vollkommen ſo, wie ſie empfunden
worden, erzehlet wird, ſondern vielmehr nach ei-
nem gewiſſen Bilde, welches aus der Empfin-
dung und deren Vorſtellung durchs Gedaͤchtniß
herausgezogen wird. Denn wir erzehlen die Sa-
chen nicht in der Empfindung, und waͤhrender
Vorſtellung, ſondern nach derſelben: und rich-
ten uns alſo nach dem Bilde, welches durch die
Empfindung in unſere Seele iſt eingepraͤgt wor-
den. Da nun dieſes ſchon nicht der Empfindung
vollkommen gleich iſt, ſo wird noch erſt mancher-
ley Veraͤnderung damit vorgenommen, ſo bald
als der Vorſatz, die Sache andern zu erzehlen,
darzu kommt.

§. 2.
Nothwendige, Theilung der Begebenheiten,
die zugleich vorgegangen.

Jn der Empfindung werden uns viele Sa-
chen zugleich vorgeſtellt, die ſich bey der vorha-
benden Erzehlung einer Sache unmoͤglich auf ein-
mahl ausdrucken laſſen. Bey einer Solennitaͤt
werden zugleich die Glocken gelaͤutet, und die
Stuͤcken geloͤſet: aber ich kan beydes nicht auf

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[116/0152] Sechſtes Capitel, nen Zuſchauern auf verſchiedene Weiſe, gleichſam als in Spiegeln von verſchiedener Gattung und Stellung vorgeſtellet werden, wie ſolches im vo- rigen Capitel ausgefuͤhret worden; ſondern wir muͤſſen auch noch eine andere Handlung der See- le, welche vor der Erzehlung vorhergehet, bemer- cken, welche wir die Verwandelung der Ge- ſchichte nennen wollen; weil die Begebenheit niemahls vollkommen ſo, wie ſie empfunden worden, erzehlet wird, ſondern vielmehr nach ei- nem gewiſſen Bilde, welches aus der Empfin- dung und deren Vorſtellung durchs Gedaͤchtniß herausgezogen wird. Denn wir erzehlen die Sa- chen nicht in der Empfindung, und waͤhrender Vorſtellung, ſondern nach derſelben: und rich- ten uns alſo nach dem Bilde, welches durch die Empfindung in unſere Seele iſt eingepraͤgt wor- den. Da nun dieſes ſchon nicht der Empfindung vollkommen gleich iſt, ſo wird noch erſt mancher- ley Veraͤnderung damit vorgenommen, ſo bald als der Vorſatz, die Sache andern zu erzehlen, darzu kommt. §. 2. Nothwendige, Theilung der Begebenheiten, die zugleich vorgegangen. Jn der Empfindung werden uns viele Sa- chen zugleich vorgeſtellt, die ſich bey der vorha- benden Erzehlung einer Sache unmoͤglich auf ein- mahl ausdrucken laſſen. Bey einer Solennitaͤt werden zugleich die Glocken gelaͤutet, und die Stuͤcken geloͤſet: aber ich kan beydes nicht auf ein-

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/152>, abgerufen am 21.12.2024.