Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite
X.

Ich fiel in stummer Andacht auf meine
Knie und vergoß Thränen des Dankes -- denn
klar stand plötzlich meine Zukunft vor meiner
Seele. Durch frühe Schuld von der menschlichen
Gesellschaft ausgeschlossen, ward ich zum Ersatz
an die Natur, die ich stets geliebt, gewiesen, die
Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das
Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens,
zu ihrem Ziel die Wissenschaft. Es war nicht ein
Entschluß, den ich faßte. Ich habe nur seitdem,
was da hell und vollendet im Urbild vor mein inn¬
res Auge trat, getreu, mit stillem, strengen, un¬
ausgesetzten Fleiß darzustellen gesucht, und meine
Selbstzufriedenheit hat von dem Zusammenfallen
des Dargestellten mit dem Urbild abgehangen.

Ich rafte mich auf, um ohne Zögern mit
flüchtigem Überblick Besitz von dem Felde zu neh¬

X.

Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine
Knie und vergoß Thraͤnen des Dankes — denn
klar ſtand ploͤtzlich meine Zukunft vor meiner
Seele. Durch fruͤhe Schuld von der menſchlichen
Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Erſatz
an die Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die
Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das
Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens,
zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es war nicht ein
Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem,
was da hell und vollendet im Urbild vor mein inn¬
res Auge trat, getreu, mit ſtillem, ſtrengen, un¬
ausgeſetzten Fleiß darzuſtellen geſucht, und meine
Selbſtzufriedenheit hat von dem Zuſammenfallen
des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen.

Ich rafte mich auf, um ohne Zoͤgern mit
fluͤchtigem Überblick Beſitz von dem Felde zu neh¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0131" n="111"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq">X.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch fiel in &#x017F;tummer Andacht auf meine<lb/>
Knie und vergoß Thra&#x0364;nen des Dankes &#x2014; denn<lb/>
klar &#x017F;tand plo&#x0364;tzlich meine Zukunft vor meiner<lb/>
Seele. Durch fru&#x0364;he Schuld von der men&#x017F;chlichen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ward ich zum Er&#x017F;atz<lb/>
an die Natur, die ich &#x017F;tets geliebt, gewie&#x017F;en, die<lb/>
Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das<lb/>
Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens,<lb/>
zu ihrem Ziel die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. Es war nicht ein<lb/>
Ent&#x017F;chluß, den ich faßte. Ich habe nur &#x017F;eitdem,<lb/>
was da hell und vollendet im Urbild vor mein inn¬<lb/>
res Auge trat, getreu, mit &#x017F;tillem, &#x017F;trengen, un¬<lb/>
ausge&#x017F;etzten Fleiß darzu&#x017F;tellen ge&#x017F;ucht, und meine<lb/>
Selb&#x017F;tzufriedenheit hat von dem Zu&#x017F;ammenfallen<lb/>
des Darge&#x017F;tellten mit dem Urbild abgehangen.</p><lb/>
        <p>Ich rafte mich auf, um ohne Zo&#x0364;gern mit<lb/>
flu&#x0364;chtigem Überblick Be&#x017F;itz von dem Felde zu neh¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0131] X. Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß Thraͤnen des Dankes — denn klar ſtand ploͤtzlich meine Zukunft vor meiner Seele. Durch fruͤhe Schuld von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Erſatz an die Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es war nicht ein Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem, was da hell und vollendet im Urbild vor mein inn¬ res Auge trat, getreu, mit ſtillem, ſtrengen, un¬ ausgeſetzten Fleiß darzuſtellen geſucht, und meine Selbſtzufriedenheit hat von dem Zuſammenfallen des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen. Ich rafte mich auf, um ohne Zoͤgern mit fluͤchtigem Überblick Beſitz von dem Felde zu neh¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/131
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/131>, abgerufen am 20.11.2024.