Den ersten Schritt zum Neubau der Zoologie als Wissenschaft in der Form, in welcher sie bald zweihundert Jahre bestanden hat, that der Engländer John Ray23). Als Sohn eines Hufschmiedes in Black Notley in Essex am 29. Nov. 1628 geboren, erhielt er, da seine Eltern wohl im Stande waren, ihm eine liberale Erziehung angedeihen zu lassen, den ersten Unterricht in der lateinischen Schule zu Brain- tree, einem Städtchen nahe seinem Geburtsort. Im Sommer 1644 kam er auf die Universität Cambridge und trat im Anfange des Jahres 1646 in das dortige Trinity-College ein. In dasselbe wurde nach we- nig Jahren der nur etwas jüngere Francis Willughby auf- genommen, welcher sich bald innig an Ray anschloß. Für das Stu- dium der Theologie bestimmt, machte Ray die vorbereitenden Fächer sich zu eigen; er wurde wegen seiner Kenntniß des Griechischen ge- rühmt und ist noch jetzt durch das im Vergleich mit den Schriften vieler seiner Zeitgenossen gute und elegante Latein ausgezeichnet. Mehrere seiner geistlichen Reden, welche er dem Herkommen gemäß schon vor seiner Ordination als Vorleser und Diakon des College hielt, wurden später als besondere Abhandlungen gedruckt und erfreuten sich unge- theilten Beifalls. Die Ordination selbst erfolgte am 23. December 1660. Als aber in Folge des Bürgerkriegs wider die Stuarts 1662 die sogenannte Uniformitätsacte vom Parlamente beschlossen wurde, glaubte Ray den geforderten Eid (gegen den puritanischen Covenant) nicht mit seinem Gewissen vereinigen zu können; in Folge seiner Wei- gerung verlor er daher als Nonconformist, ebenso wie noch dreizehn andere Universitätsangehörige, seine Stellung im College. Jetzt nahm sich sein wohlhabender Freund Willughby in einer so liberalen Weise seiner an, daß er vor Sorgen geschützt wurde. Schon seit längerer
23) Als Ray die Universität bezog, änderte er die Schreibart seines Namens in Wray. In einem Briefe an Lister gesteht er, se "eam (litteram W) olim, antiqua et patria scriptione immutata, citra idoneam rationem adscivisse". s. The Correspondence of John Ray. Edited by Edwin Lankester. Lon- don, Ray Society, 1848. p. 65.
Den erſten Schritt zum Neubau der Zoologie als Wiſſenſchaft in der Form, in welcher ſie bald zweihundert Jahre beſtanden hat, that der Engländer John Ray23). Als Sohn eines Hufſchmiedes in Black Notley in Eſſex am 29. Nov. 1628 geboren, erhielt er, da ſeine Eltern wohl im Stande waren, ihm eine liberale Erziehung angedeihen zu laſſen, den erſten Unterricht in der lateiniſchen Schule zu Brain- tree, einem Städtchen nahe ſeinem Geburtsort. Im Sommer 1644 kam er auf die Univerſität Cambridge und trat im Anfange des Jahres 1646 in das dortige Trinity-College ein. In daſſelbe wurde nach we- nig Jahren der nur etwas jüngere Francis Willughby auf- genommen, welcher ſich bald innig an Ray anſchloß. Für das Stu- dium der Theologie beſtimmt, machte Ray die vorbereitenden Fächer ſich zu eigen; er wurde wegen ſeiner Kenntniß des Griechiſchen ge- rühmt und iſt noch jetzt durch das im Vergleich mit den Schriften vieler ſeiner Zeitgenoſſen gute und elegante Latein ausgezeichnet. Mehrere ſeiner geiſtlichen Reden, welche er dem Herkommen gemäß ſchon vor ſeiner Ordination als Vorleſer und Diakon des College hielt, wurden ſpäter als beſondere Abhandlungen gedruckt und erfreuten ſich unge- theilten Beifalls. Die Ordination ſelbſt erfolgte am 23. December 1660. Als aber in Folge des Bürgerkriegs wider die Stuarts 1662 die ſogenannte Uniformitätsacte vom Parlamente beſchloſſen wurde, glaubte Ray den geforderten Eid (gegen den puritaniſchen Covenant) nicht mit ſeinem Gewiſſen vereinigen zu können; in Folge ſeiner Wei- gerung verlor er daher als Nonconformiſt, ebenſo wie noch dreizehn andere Univerſitätsangehörige, ſeine Stellung im College. Jetzt nahm ſich ſein wohlhabender Freund Willughby in einer ſo liberalen Weiſe ſeiner an, daß er vor Sorgen geſchützt wurde. Schon ſeit längerer
23) Als Ray die Univerſität bezog, änderte er die Schreibart ſeines Namens in Wray. In einem Briefe an Liſter geſteht er, se »eam (litteram W) olim, antiqua et patria scriptione immutata, citra idoneam rationem adscivisse«. ſ. The Correspondence of John Ray. Edited by Edwin Lankester. Lon- don, Ray Society, 1848. p. 65.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0439"n="428"/><fwplace="top"type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">John Ray</persName>.</hi></head><lb/><p>Den erſten Schritt zum Neubau der Zoologie als Wiſſenſchaft in<lb/>
der Form, in welcher ſie bald zweihundert Jahre beſtanden hat, that<lb/>
der Engländer <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">John Ray</persName></hi><noteplace="foot"n="23)">Als <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName></hi> die Univerſität bezog, änderte er die Schreibart ſeines Namens<lb/>
in <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Wray</persName></hi>. In einem Briefe an <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Liſter</persName></hi> geſteht er, <hirendition="#aq">se »eam (litteram W) olim,<lb/>
antiqua et patria scriptione immutata, citra idoneam rationem adscivisse«</hi>.<lb/>ſ. <hirendition="#aq">The Correspondence of <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">John Ray</persName>. Edited by <persNameref="http://d-nb.info/gnd/116729910">Edwin <hirendition="#g">Lankester</hi></persName>. Lon-<lb/>
don, <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> Society, 1848. p. 65.</hi></note>. Als Sohn eines Hufſchmiedes in<lb/>
Black Notley in Eſſex am 29. Nov. 1628 geboren, erhielt er, da ſeine<lb/>
Eltern wohl im Stande waren, ihm eine liberale Erziehung angedeihen<lb/>
zu laſſen, den erſten Unterricht in der lateiniſchen Schule zu Brain-<lb/>
tree, einem Städtchen nahe ſeinem Geburtsort. Im Sommer 1644<lb/>
kam er auf die Univerſität Cambridge und trat im Anfange des Jahres<lb/>
1646 in das dortige Trinity-College ein. In daſſelbe wurde nach we-<lb/>
nig Jahren der nur etwas jüngere <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/128978732">Francis Willughby</persName></hi> auf-<lb/>
genommen, welcher ſich bald innig an <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> anſchloß. Für das Stu-<lb/>
dium der Theologie beſtimmt, machte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> die vorbereitenden Fächer<lb/>ſich zu eigen; er wurde wegen ſeiner Kenntniß des Griechiſchen ge-<lb/>
rühmt und iſt noch jetzt durch das im Vergleich mit den Schriften vieler<lb/>ſeiner Zeitgenoſſen gute und elegante Latein ausgezeichnet. Mehrere<lb/>ſeiner geiſtlichen Reden, welche er dem Herkommen gemäß ſchon vor<lb/>ſeiner Ordination als Vorleſer und Diakon des College hielt, wurden<lb/>ſpäter als beſondere Abhandlungen gedruckt und erfreuten ſich unge-<lb/>
theilten Beifalls. Die Ordination ſelbſt erfolgte am 23. December<lb/>
1660. Als aber in Folge des Bürgerkriegs wider die Stuarts 1662<lb/>
die ſogenannte Uniformitätsacte vom Parlamente beſchloſſen wurde,<lb/>
glaubte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> den geforderten Eid (gegen den puritaniſchen Covenant)<lb/>
nicht mit ſeinem Gewiſſen vereinigen zu können; in Folge ſeiner Wei-<lb/>
gerung verlor er daher als Nonconformiſt, ebenſo wie noch dreizehn<lb/>
andere Univerſitätsangehörige, ſeine Stellung im College. Jetzt nahm<lb/>ſich ſein wohlhabender Freund <persNameref="http://d-nb.info/gnd/128978732">Willughby</persName> in einer ſo liberalen Weiſe<lb/>ſeiner an, daß er vor Sorgen geſchützt wurde. Schon ſeit längerer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[428/0439]
Periode der Syſtematik.
John Ray.
Den erſten Schritt zum Neubau der Zoologie als Wiſſenſchaft in
der Form, in welcher ſie bald zweihundert Jahre beſtanden hat, that
der Engländer John Ray 23). Als Sohn eines Hufſchmiedes in
Black Notley in Eſſex am 29. Nov. 1628 geboren, erhielt er, da ſeine
Eltern wohl im Stande waren, ihm eine liberale Erziehung angedeihen
zu laſſen, den erſten Unterricht in der lateiniſchen Schule zu Brain-
tree, einem Städtchen nahe ſeinem Geburtsort. Im Sommer 1644
kam er auf die Univerſität Cambridge und trat im Anfange des Jahres
1646 in das dortige Trinity-College ein. In daſſelbe wurde nach we-
nig Jahren der nur etwas jüngere Francis Willughby auf-
genommen, welcher ſich bald innig an Ray anſchloß. Für das Stu-
dium der Theologie beſtimmt, machte Ray die vorbereitenden Fächer
ſich zu eigen; er wurde wegen ſeiner Kenntniß des Griechiſchen ge-
rühmt und iſt noch jetzt durch das im Vergleich mit den Schriften vieler
ſeiner Zeitgenoſſen gute und elegante Latein ausgezeichnet. Mehrere
ſeiner geiſtlichen Reden, welche er dem Herkommen gemäß ſchon vor
ſeiner Ordination als Vorleſer und Diakon des College hielt, wurden
ſpäter als beſondere Abhandlungen gedruckt und erfreuten ſich unge-
theilten Beifalls. Die Ordination ſelbſt erfolgte am 23. December
1660. Als aber in Folge des Bürgerkriegs wider die Stuarts 1662
die ſogenannte Uniformitätsacte vom Parlamente beſchloſſen wurde,
glaubte Ray den geforderten Eid (gegen den puritaniſchen Covenant)
nicht mit ſeinem Gewiſſen vereinigen zu können; in Folge ſeiner Wei-
gerung verlor er daher als Nonconformiſt, ebenſo wie noch dreizehn
andere Univerſitätsangehörige, ſeine Stellung im College. Jetzt nahm
ſich ſein wohlhabender Freund Willughby in einer ſo liberalen Weiſe
ſeiner an, daß er vor Sorgen geſchützt wurde. Schon ſeit längerer
23) Als Ray die Univerſität bezog, änderte er die Schreibart ſeines Namens
in Wray. In einem Briefe an Liſter geſteht er, se »eam (litteram W) olim,
antiqua et patria scriptione immutata, citra idoneam rationem adscivisse«.
ſ. The Correspondence of John Ray. Edited by Edwin Lankester. Lon-
don, Ray Society, 1848. p. 65.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/439>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.