Zusammenstellung seiner Schilderungen gibt21). Er erblickte in ihnen Bausteine zu einer Mechanik der Thiere, freilich noch nicht in dem Sinne wie dies heute aufgefaßt werden würde, legte aber doch das Hauptgewicht auf die Leistung oder den Nutzen eines Organes, nach welcher er auch die Eintheilung und Unterordnung der verschieden zu be- sprechenden Erscheinungen vornahm. Hiernach steht Perrault mitten in seiner Zeit; doch gewinnt die vergleichende Anatomie, wie schon be- merkt wurde, auch durch solche Arbeiten, da ja jede Vermehrung der zootomischen Thatsachen nothwendig zu dem Versuche führen mußte, sie nach Grundsätzen und Anschauungen zu ordnen, die in ihnen und durch sie selbst gegeben werden.
Anzeichen des Fortschritts.
Nimmt man die Umgestaltungen zusammen, welche die Untersu- chungen über den feineren Bau der Thierkörper, über Zeugung und Entwickelung, die Ausbreitung der Formkenntniß, ferner die Beseitigung so vieler irriger Vorstellungen durch directe Beobachtungen oder durch Versuche in der Auffassung der Thierwelt herbeigeführt hatten, so wird sofort klar, daß die Art und Weise, wie dieselbe in den nur wenig älte- ren litterarischen Erscheinungen abgehandelt worden war, ebensowenig noch genügen konnte, als die darin befolgte Methode den Anforderun- gen der allmählich erwachenden Kritik zu entsprechen im Stande war. Wenn es sich bloß etwa um ein Verzeichniß von Thierformen gehan- delt hätte, so wäre irgend ein äußeres Hülfsmittel, die Unterscheidung und Wiedererkennung früher beschriebener Formen zu erleichtern, hin- reichend gewesen. Aber das Thier lebte; und in seinem Baue erkannte man eine so wunderbare Mannichfaltigkeit bei einem scheinbar doch so gleichartigen Lebensverlaufe, daß man Plan, Ziel, Ordnung und
21)Essais de physique ou Recueil de plusieurs traites touchant les choses naturelles. 4 Tom. Paris 1680-1684. Tome. III.: De la mecanique des animaux. Der vierte Band enthält noch Abhandlungen über die äußeren Sinne und die Bewegungen der Augen. Die übrigen Bände sind physikalischen Inhalts (Schwere, Schall, Musik der Alten u. s. w.).
Anzeichen des Fortſchritts.
Zuſammenſtellung ſeiner Schilderungen gibt21). Er erblickte in ihnen Bauſteine zu einer Mechanik der Thiere, freilich noch nicht in dem Sinne wie dies heute aufgefaßt werden würde, legte aber doch das Hauptgewicht auf die Leiſtung oder den Nutzen eines Organes, nach welcher er auch die Eintheilung und Unterordnung der verſchieden zu be- ſprechenden Erſcheinungen vornahm. Hiernach ſteht Perrault mitten in ſeiner Zeit; doch gewinnt die vergleichende Anatomie, wie ſchon be- merkt wurde, auch durch ſolche Arbeiten, da ja jede Vermehrung der zootomiſchen Thatſachen nothwendig zu dem Verſuche führen mußte, ſie nach Grundſätzen und Anſchauungen zu ordnen, die in ihnen und durch ſie ſelbſt gegeben werden.
Anzeichen des Fortſchritts.
Nimmt man die Umgeſtaltungen zuſammen, welche die Unterſu- chungen über den feineren Bau der Thierkörper, über Zeugung und Entwickelung, die Ausbreitung der Formkenntniß, ferner die Beſeitigung ſo vieler irriger Vorſtellungen durch directe Beobachtungen oder durch Verſuche in der Auffaſſung der Thierwelt herbeigeführt hatten, ſo wird ſofort klar, daß die Art und Weiſe, wie dieſelbe in den nur wenig älte- ren litterariſchen Erſcheinungen abgehandelt worden war, ebenſowenig noch genügen konnte, als die darin befolgte Methode den Anforderun- gen der allmählich erwachenden Kritik zu entſprechen im Stande war. Wenn es ſich bloß etwa um ein Verzeichniß von Thierformen gehan- delt hätte, ſo wäre irgend ein äußeres Hülfsmittel, die Unterſcheidung und Wiedererkennung früher beſchriebener Formen zu erleichtern, hin- reichend geweſen. Aber das Thier lebte; und in ſeinem Baue erkannte man eine ſo wunderbare Mannichfaltigkeit bei einem ſcheinbar doch ſo gleichartigen Lebensverlaufe, daß man Plan, Ziel, Ordnung und
21)Essais de physique ou Recueil de plusieurs traités touchant les choses naturelles. 4 Tom. Paris 1680-1684. Tome. III.: De la mécanique des animaux. Der vierte Band enthält noch Abhandlungen über die äußeren Sinne und die Bewegungen der Augen. Die übrigen Bände ſind phyſikaliſchen Inhalts (Schwere, Schall, Muſik der Alten u. ſ. w.).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbn="425"facs="#f0436"/><fwtype="header"place="top">Anzeichen des Fortſchritts.</fw><lb/>
Zuſammenſtellung ſeiner Schilderungen gibt<noteplace="foot"n="21)"><hirendition="#aq">Essais de physique ou Recueil de plusieurs traités touchant les<lb/>
choses naturelles. 4 Tom. Paris 1680-1684. Tome. III.: De la mécanique<lb/>
des animaux.</hi> Der vierte Band enthält noch Abhandlungen über die äußeren<lb/>
Sinne und die Bewegungen der Augen. Die übrigen Bände ſind phyſikaliſchen<lb/>
Inhalts (Schwere, Schall, Muſik der Alten u. ſ. w.).</note>. Er erblickte in ihnen<lb/>
Bauſteine zu einer Mechanik der Thiere, freilich noch nicht in dem<lb/>
Sinne wie dies heute aufgefaßt werden würde, legte aber doch das<lb/>
Hauptgewicht auf die Leiſtung oder den Nutzen eines Organes, nach<lb/>
welcher er auch die Eintheilung und Unterordnung der verſchieden zu be-<lb/>ſprechenden Erſcheinungen vornahm. Hiernach ſteht <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118740016">Perrault</persName> mitten<lb/>
in ſeiner Zeit; doch gewinnt die vergleichende Anatomie, wie ſchon be-<lb/>
merkt wurde, auch durch ſolche Arbeiten, da ja jede Vermehrung der<lb/>
zootomiſchen Thatſachen nothwendig zu dem Verſuche führen mußte,<lb/>ſie nach Grundſätzen und Anſchauungen zu ordnen, die in ihnen und<lb/>
durch ſie ſelbſt gegeben werden.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Anzeichen des Fortſchritts.</hi></head><lb/><p>Nimmt man die Umgeſtaltungen zuſammen, welche die Unterſu-<lb/>
chungen über den feineren Bau der Thierkörper, über Zeugung und<lb/>
Entwickelung, die Ausbreitung der Formkenntniß, ferner die Beſeitigung<lb/>ſo vieler irriger Vorſtellungen durch directe Beobachtungen oder durch<lb/>
Verſuche in der Auffaſſung der Thierwelt herbeigeführt hatten, ſo wird<lb/>ſofort klar, daß die Art und Weiſe, wie dieſelbe in den nur wenig älte-<lb/>
ren litterariſchen Erſcheinungen abgehandelt worden war, ebenſowenig<lb/>
noch genügen konnte, als die darin befolgte Methode den Anforderun-<lb/>
gen der allmählich erwachenden Kritik zu entſprechen im Stande war.<lb/>
Wenn es ſich bloß etwa um ein Verzeichniß von Thierformen gehan-<lb/>
delt hätte, ſo wäre irgend ein äußeres Hülfsmittel, die Unterſcheidung<lb/>
und Wiedererkennung früher beſchriebener Formen zu erleichtern, hin-<lb/>
reichend geweſen. Aber das Thier lebte; und in ſeinem Baue erkannte<lb/>
man eine ſo wunderbare Mannichfaltigkeit bei einem ſcheinbar doch ſo<lb/>
gleichartigen Lebensverlaufe, daß man Plan, Ziel, Ordnung und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[425/0436]
Anzeichen des Fortſchritts.
Zuſammenſtellung ſeiner Schilderungen gibt 21). Er erblickte in ihnen
Bauſteine zu einer Mechanik der Thiere, freilich noch nicht in dem
Sinne wie dies heute aufgefaßt werden würde, legte aber doch das
Hauptgewicht auf die Leiſtung oder den Nutzen eines Organes, nach
welcher er auch die Eintheilung und Unterordnung der verſchieden zu be-
ſprechenden Erſcheinungen vornahm. Hiernach ſteht Perrault mitten
in ſeiner Zeit; doch gewinnt die vergleichende Anatomie, wie ſchon be-
merkt wurde, auch durch ſolche Arbeiten, da ja jede Vermehrung der
zootomiſchen Thatſachen nothwendig zu dem Verſuche führen mußte,
ſie nach Grundſätzen und Anſchauungen zu ordnen, die in ihnen und
durch ſie ſelbſt gegeben werden.
Anzeichen des Fortſchritts.
Nimmt man die Umgeſtaltungen zuſammen, welche die Unterſu-
chungen über den feineren Bau der Thierkörper, über Zeugung und
Entwickelung, die Ausbreitung der Formkenntniß, ferner die Beſeitigung
ſo vieler irriger Vorſtellungen durch directe Beobachtungen oder durch
Verſuche in der Auffaſſung der Thierwelt herbeigeführt hatten, ſo wird
ſofort klar, daß die Art und Weiſe, wie dieſelbe in den nur wenig älte-
ren litterariſchen Erſcheinungen abgehandelt worden war, ebenſowenig
noch genügen konnte, als die darin befolgte Methode den Anforderun-
gen der allmählich erwachenden Kritik zu entſprechen im Stande war.
Wenn es ſich bloß etwa um ein Verzeichniß von Thierformen gehan-
delt hätte, ſo wäre irgend ein äußeres Hülfsmittel, die Unterſcheidung
und Wiedererkennung früher beſchriebener Formen zu erleichtern, hin-
reichend geweſen. Aber das Thier lebte; und in ſeinem Baue erkannte
man eine ſo wunderbare Mannichfaltigkeit bei einem ſcheinbar doch ſo
gleichartigen Lebensverlaufe, daß man Plan, Ziel, Ordnung und
21) Essais de physique ou Recueil de plusieurs traités touchant les
choses naturelles. 4 Tom. Paris 1680-1684. Tome. III.: De la mécanique
des animaux. Der vierte Band enthält noch Abhandlungen über die äußeren
Sinne und die Bewegungen der Augen. Die übrigen Bände ſind phyſikaliſchen
Inhalts (Schwere, Schall, Muſik der Alten u. ſ. w.).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/436>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.