schriften, sondern auch die später zu erwähnenden Uebersetzungen. Von gar keinem naturgeschichtlichen Werth ist die Bienenschrift, welche den eigenen Text des Verfassers in moralistischer Weise paraphrasirt. Für die specielle, besonders Culturgeschichte jener Zeit ist die Schrift von großem Interesse.
Thomas von Cantimpre hat deshalb keine tiefer eingehende Wir- kung auf die gesammte geistige Entwickelung seiner Zeit gehabt, weil ihm die Fortbildung der philosophischen Lehren in einem oder dem an- dern Sinne ebenso wie eine Betheiligung an den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Lagern fern lag. Er schrieb als Geistlicher, aber ob- jectiver als es von irgend einem Andern vor Albert dem Großen be- kannt ist. Dies weist ihm in der Zeit der Wiederaufnahme zoologischer Beschäftigung ernsterer Art einen ehrenvollen Platz ein; und seine Schrift verdiente um so mehr bekannt zu werden, als sie einmal für Al- bert eine ergiebige Quelle war und als die beiden dem vierzehnten Jahrhundert angehörigen Bearbeitungen veröffentlicht sind. Weit mäch- tiger indeß griff in die culturgeschichtliche Bewegung sein berühmter Nachfolger ein,
Albert von Bollstatt wurde der verbreitetsten Angabe zu- folge im Jahre 1193 zu Lauingen an der Donau im bayrischen Schwa- ben geboren. Zunächst nicht für den geistlichen Stand bestimmt studirte er in Padua die freien Künste. Im Jahre 1223 trat er aber in den Dominikanerorden ein und besuchte nun, um Theologie zu studiren, die Universität Bologna. Daß er schon während seines Aufenthaltes in Italien die Natur mit offenen Augen betrachtet und sein Nachdenken an ihr geübt hatte, beweisen viele Stellen seiner Schriften, wo er sich auf dort Erlebtes und Gesehenes bezieht. Ungefähr gegen das Jahr 1230 wurde er als Lector nach Cöln geschickt, blieb aber noch nicht dauernd dort, sondern lehrte abwechselnd in Straßburg, Freiburg, Re- gensburg, Hildesheim und wohl noch an andern Orten. Erst 1243 kam er nach Cöln zurück. Von 1245 bis 1248 war er zwar in Paris, wo der Streit zwischen der Universität und den Dominikanern die Anwe-
Das dreizehnte Jahrhundert.
ſchriften, ſondern auch die ſpäter zu erwähnenden Ueberſetzungen. Von gar keinem naturgeſchichtlichen Werth iſt die Bienenſchrift, welche den eigenen Text des Verfaſſers in moraliſtiſcher Weiſe paraphraſirt. Für die ſpecielle, beſonders Culturgeſchichte jener Zeit iſt die Schrift von großem Intereſſe.
Thomas von Cantimpré hat deshalb keine tiefer eingehende Wir- kung auf die geſammte geiſtige Entwickelung ſeiner Zeit gehabt, weil ihm die Fortbildung der philoſophiſchen Lehren in einem oder dem an- dern Sinne ebenſo wie eine Betheiligung an den Streitigkeiten zwiſchen den verſchiedenen Lagern fern lag. Er ſchrieb als Geiſtlicher, aber ob- jectiver als es von irgend einem Andern vor Albert dem Großen be- kannt iſt. Dies weiſt ihm in der Zeit der Wiederaufnahme zoologiſcher Beſchäftigung ernſterer Art einen ehrenvollen Platz ein; und ſeine Schrift verdiente um ſo mehr bekannt zu werden, als ſie einmal für Al- bert eine ergiebige Quelle war und als die beiden dem vierzehnten Jahrhundert angehörigen Bearbeitungen veröffentlicht ſind. Weit mäch- tiger indeß griff in die culturgeſchichtliche Bewegung ſein berühmter Nachfolger ein,
Albert von Bollſtatt wurde der verbreitetſten Angabe zu- folge im Jahre 1193 zu Lauingen an der Donau im bayriſchen Schwa- ben geboren. Zunächſt nicht für den geiſtlichen Stand beſtimmt ſtudirte er in Padua die freien Künſte. Im Jahre 1223 trat er aber in den Dominikanerorden ein und beſuchte nun, um Theologie zu ſtudiren, die Univerſität Bologna. Daß er ſchon während ſeines Aufenthaltes in Italien die Natur mit offenen Augen betrachtet und ſein Nachdenken an ihr geübt hatte, beweiſen viele Stellen ſeiner Schriften, wo er ſich auf dort Erlebtes und Geſehenes bezieht. Ungefähr gegen das Jahr 1230 wurde er als Lector nach Cöln geſchickt, blieb aber noch nicht dauernd dort, ſondern lehrte abwechſelnd in Straßburg, Freiburg, Re- gensburg, Hildesheim und wohl noch an andern Orten. Erſt 1243 kam er nach Cöln zurück. Von 1245 bis 1248 war er zwar in Paris, wo der Streit zwiſchen der Univerſität und den Dominikanern die Anwe-
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Das dreizehnte Jahrhundert.
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eigenen Text des Verfaſſers in moraliſtiſcher Weiſe paraphraſirt. Für
die ſpecielle, beſonders Culturgeſchichte jener Zeit iſt die Schrift von
großem Intereſſe.
Thomas von Cantimpré hat deshalb keine tiefer eingehende Wir-
kung auf die geſammte geiſtige Entwickelung ſeiner Zeit gehabt, weil
ihm die Fortbildung der philoſophiſchen Lehren in einem oder dem an-
dern Sinne ebenſo wie eine Betheiligung an den Streitigkeiten zwiſchen
den verſchiedenen Lagern fern lag. Er ſchrieb als Geiſtlicher, aber ob-
jectiver als es von irgend einem Andern vor Albert dem Großen be-
kannt iſt. Dies weiſt ihm in der Zeit der Wiederaufnahme zoologiſcher
Beſchäftigung ernſterer Art einen ehrenvollen Platz ein; und ſeine
Schrift verdiente um ſo mehr bekannt zu werden, als ſie einmal für Al-
bert eine ergiebige Quelle war und als die beiden dem vierzehnten
Jahrhundert angehörigen Bearbeitungen veröffentlicht ſind. Weit mäch-
tiger indeß griff in die culturgeſchichtliche Bewegung ſein berühmter
Nachfolger ein,
Albert der Große.
Albert von Bollſtatt wurde der verbreitetſten Angabe zu-
folge im Jahre 1193 zu Lauingen an der Donau im bayriſchen Schwa-
ben geboren. Zunächſt nicht für den geiſtlichen Stand beſtimmt ſtudirte
er in Padua die freien Künſte. Im Jahre 1223 trat er aber in den
Dominikanerorden ein und beſuchte nun, um Theologie zu ſtudiren, die
Univerſität Bologna. Daß er ſchon während ſeines Aufenthaltes in
Italien die Natur mit offenen Augen betrachtet und ſein Nachdenken
an ihr geübt hatte, beweiſen viele Stellen ſeiner Schriften, wo er ſich
auf dort Erlebtes und Geſehenes bezieht. Ungefähr gegen das Jahr
1230 wurde er als Lector nach Cöln geſchickt, blieb aber noch nicht
dauernd dort, ſondern lehrte abwechſelnd in Straßburg, Freiburg, Re-
gensburg, Hildesheim und wohl noch an andern Orten. Erſt 1243 kam
er nach Cöln zurück. Von 1245 bis 1248 war er zwar in Paris, wo
der Streit zwiſchen der Univerſität und den Dominikanern die Anwe-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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