Gefühls, des Erkennens und des Willens immerfort darzu¬ leben, und eben dadurch eine immer höhere Entwicklung der Grundidee unsers Daseins zu fördern und zu erreichen.
h. Von dem Verhältniß der Seele zu andern Seelen, zur Natur und zu Gott.
Unter den vielen seltsamen Vorstellungen, denen man eine wissenschaftliche Farbe zu geben versucht hat, ist wohl die seltsamste die des consequentesten Idealismus, welche das Ich, von dem allein wir unmittelbar Erfahrung haben, als das einzig Seiende annimmt, und die gesammte Welt¬ erscheinung nicht als ein für sich Seiendes, sondern nur als Vorstellung dieses Ich gelten läßt. Ich habe schon früher erwähnt, daß diese Weltansicht, ganz consequent festgehalten, in sich wirklich unwiderleglich sei, und daß es so ist, konnte recht klar zeigen, wie wenig diejenige Strahlung der Seele, welche wir Erkenntniß nennen, allein im Stande sei, die eigentliche Wahrheit vollständig zu erfassen. Das innerste Wahrheitsgewissen einer jeden rein und unbefangen entfalteten Seele, das Entscheiden, welches eben tiefer noch liegt als das bloße Erkennen, wird nichts desto weniger alsbald jene Annahme als durchaus irrig erkennen, es wird vielmehr Gewißheit davon geben, daß unendliche Ideen überhaupt und auch unendliche zur Ent¬ wicklung als Seele bestimmte Ideen die Welt erfüllen, und daß unser eigenstes innerstes Grundwesen nur eine beson¬ dere Monas im Kreise jener unendlichen Vielheit sei, jener Vielheit, ja Unendlichkeit, in welcher einem höchsten ewigen Mysterium es gefallen hat sich zu offenbaren.
Bei der Geschichte der Erkenntniß ist nun auch aus¬ führlich gezeigt worden, wie wir dazu kommen, obwohl wir nur vom Zustande unserer eigenen Idee die unmittelbare Erfahrung haben können, doch von andern Ideen als der unsern zu wissen, oder vielmehr auf deren Vorhandensein zu schließen. Der höchst wunderbare, sehr zusammengesetzte
Gefühls, des Erkennens und des Willens immerfort darzu¬ leben, und eben dadurch eine immer höhere Entwicklung der Grundidee unſers Daſeins zu fördern und zu erreichen.
h. Von dem Verhältniß der Seele zu andern Seelen, zur Natur und zu Gott.
Unter den vielen ſeltſamen Vorſtellungen, denen man eine wiſſenſchaftliche Farbe zu geben verſucht hat, iſt wohl die ſeltſamſte die des conſequenteſten Idealismus, welche das Ich, von dem allein wir unmittelbar Erfahrung haben, als das einzig Seiende annimmt, und die geſammte Welt¬ erſcheinung nicht als ein für ſich Seiendes, ſondern nur als Vorſtellung dieſes Ich gelten läßt. Ich habe ſchon früher erwähnt, daß dieſe Weltanſicht, ganz conſequent feſtgehalten, in ſich wirklich unwiderleglich ſei, und daß es ſo iſt, konnte recht klar zeigen, wie wenig diejenige Strahlung der Seele, welche wir Erkenntniß nennen, allein im Stande ſei, die eigentliche Wahrheit vollſtändig zu erfaſſen. Das innerſte Wahrheitsgewiſſen einer jeden rein und unbefangen entfalteten Seele, das Entſcheiden, welches eben tiefer noch liegt als das bloße Erkennen, wird nichts deſto weniger alsbald jene Annahme als durchaus irrig erkennen, es wird vielmehr Gewißheit davon geben, daß unendliche Ideen überhaupt und auch unendliche zur Ent¬ wicklung als Seele beſtimmte Ideen die Welt erfüllen, und daß unſer eigenſtes innerſtes Grundweſen nur eine beſon¬ dere Monas im Kreiſe jener unendlichen Vielheit ſei, jener Vielheit, ja Unendlichkeit, in welcher einem höchſten ewigen Myſterium es gefallen hat ſich zu offenbaren.
Bei der Geſchichte der Erkenntniß iſt nun auch aus¬ führlich gezeigt worden, wie wir dazu kommen, obwohl wir nur vom Zuſtande unſerer eigenen Idee die unmittelbare Erfahrung haben können, doch von andern Ideen als der unſern zu wiſſen, oder vielmehr auf deren Vorhandenſein zu ſchließen. Der höchſt wunderbare, ſehr zuſammengeſetzte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0388"n="372"/>
Gefühls, des Erkennens und des Willens immerfort darzu¬<lb/>
leben, und eben dadurch eine immer höhere Entwicklung der<lb/>
Grundidee unſers Daſeins zu fördern und zu erreichen.</p><lb/></div></div><divn="2"><head><hirendition="#aq">h</hi>. Von dem Verhältniß der Seele zu andern Seelen, zur Natur<lb/>
und zu Gott.<lb/></head><p>Unter den vielen ſeltſamen Vorſtellungen, denen man<lb/>
eine wiſſenſchaftliche Farbe zu geben verſucht hat, iſt wohl<lb/>
die ſeltſamſte die des conſequenteſten Idealismus, welche<lb/>
das Ich, von dem allein wir unmittelbar Erfahrung haben,<lb/>
als das einzig Seiende annimmt, und die geſammte Welt¬<lb/>
erſcheinung nicht als ein für ſich Seiendes, ſondern nur<lb/>
als Vorſtellung dieſes Ich gelten läßt. Ich habe ſchon<lb/>
früher erwähnt, daß dieſe Weltanſicht, ganz conſequent<lb/>
feſtgehalten, in ſich wirklich unwiderleglich ſei, und daß es<lb/>ſo iſt, konnte recht klar zeigen, wie wenig diejenige Strahlung<lb/>
der Seele, welche wir Erkenntniß nennen, <hirendition="#g">allein</hi> im<lb/>
Stande ſei, die eigentliche Wahrheit vollſtändig zu erfaſſen.<lb/>
Das innerſte <hirendition="#g">Wahrheitsgewiſſen</hi> einer jeden rein<lb/>
und unbefangen entfalteten Seele, das Entſcheiden, welches<lb/>
eben tiefer noch liegt als das bloße Erkennen, wird nichts<lb/>
deſto weniger alsbald jene Annahme als durchaus irrig<lb/>
erkennen, es wird vielmehr Gewißheit davon geben, daß<lb/>
unendliche Ideen überhaupt und auch unendliche zur Ent¬<lb/>
wicklung als Seele beſtimmte Ideen die Welt erfüllen, und<lb/>
daß unſer eigenſtes innerſtes Grund<hirendition="#g">weſen</hi> nur <hirendition="#g">eine</hi> beſon¬<lb/>
dere Monas im Kreiſe jener unendlichen Vielheit ſei, jener<lb/>
Vielheit, ja Unendlichkeit, in welcher einem höchſten ewigen<lb/>
Myſterium es gefallen hat ſich zu offenbaren.</p><lb/><p>Bei der Geſchichte der Erkenntniß iſt nun auch aus¬<lb/>
führlich gezeigt worden, wie wir dazu kommen, obwohl wir<lb/><hirendition="#g">nur</hi> vom Zuſtande unſerer eigenen Idee die unmittelbare<lb/>
Erfahrung haben können, doch von andern Ideen als der<lb/>
unſern zu wiſſen, oder vielmehr auf deren Vorhandenſein<lb/>
zu ſchließen. Der höchſt wunderbare, ſehr zuſammengeſetzte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[372/0388]
Gefühls, des Erkennens und des Willens immerfort darzu¬
leben, und eben dadurch eine immer höhere Entwicklung der
Grundidee unſers Daſeins zu fördern und zu erreichen.
h. Von dem Verhältniß der Seele zu andern Seelen, zur Natur
und zu Gott.
Unter den vielen ſeltſamen Vorſtellungen, denen man
eine wiſſenſchaftliche Farbe zu geben verſucht hat, iſt wohl
die ſeltſamſte die des conſequenteſten Idealismus, welche
das Ich, von dem allein wir unmittelbar Erfahrung haben,
als das einzig Seiende annimmt, und die geſammte Welt¬
erſcheinung nicht als ein für ſich Seiendes, ſondern nur
als Vorſtellung dieſes Ich gelten läßt. Ich habe ſchon
früher erwähnt, daß dieſe Weltanſicht, ganz conſequent
feſtgehalten, in ſich wirklich unwiderleglich ſei, und daß es
ſo iſt, konnte recht klar zeigen, wie wenig diejenige Strahlung
der Seele, welche wir Erkenntniß nennen, allein im
Stande ſei, die eigentliche Wahrheit vollſtändig zu erfaſſen.
Das innerſte Wahrheitsgewiſſen einer jeden rein
und unbefangen entfalteten Seele, das Entſcheiden, welches
eben tiefer noch liegt als das bloße Erkennen, wird nichts
deſto weniger alsbald jene Annahme als durchaus irrig
erkennen, es wird vielmehr Gewißheit davon geben, daß
unendliche Ideen überhaupt und auch unendliche zur Ent¬
wicklung als Seele beſtimmte Ideen die Welt erfüllen, und
daß unſer eigenſtes innerſtes Grundweſen nur eine beſon¬
dere Monas im Kreiſe jener unendlichen Vielheit ſei, jener
Vielheit, ja Unendlichkeit, in welcher einem höchſten ewigen
Myſterium es gefallen hat ſich zu offenbaren.
Bei der Geſchichte der Erkenntniß iſt nun auch aus¬
führlich gezeigt worden, wie wir dazu kommen, obwohl wir
nur vom Zuſtande unſerer eigenen Idee die unmittelbare
Erfahrung haben können, doch von andern Ideen als der
unſern zu wiſſen, oder vielmehr auf deren Vorhandenſein
zu ſchließen. Der höchſt wunderbare, ſehr zuſammengeſetzte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/388>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.