wirken wieder betrübende, Trauer erregende erkannte Vor¬ stellungen ins Unbewußte, und das Erlöschen der Freude kündigt sich an im Verlangsamen von Puls und Athmen, die Strömungen des Blutes ziehen sich aus den zartesten Gefäßnetzen der Oberfläche zurück und der Mensch erbleicht, das Auge wird matt, kurz Alles wendet sich ins Gegen¬ theil. Die Freude ist vorüber.
2. Die Geschichte der Trauer.
Zwischen Freude und Trauer findet ein ganz eigen¬ thümlicher Gegensatz Statt; es zeigt sich nämlich, daß kei¬ nesweges beide auf ganz gleicher Linie stehen, sondern die letztere sinkt gegen einen gewissen minder würdigen Zustand der Seele zurück, und es geht dies so weit, daß, wie etwa bei uns "traurig" auch wohl für verkümmert, ver¬ ächtlich gebraucht zu werden pflegt, im Italienischen "tristo" oft mit bösartig gleichbedeutend genommen wird. Geht man dem Grunde dieser Begriffsverwandtschaft nach, so kommt man darauf, daß in der Trauer eine gewisse Op¬ position und Unzufriedenheit in Bezug auf den nothwendi¬ gen organischen Gang der Weltordnung verborgen liege, und daß deßhalb nothwendig in demselben Grade als es groß und bedeutend geachtet wird, wenn das, was wir "Freudigkeit" genannt haben, sich der ganzen Seele be¬ mächtigt und unter keinerlei Umständen, weder bei widrigen Begebenheiten und peinlichen Erfahrungen, noch bei körper¬ lichen Krankheiten, von uns weicht, eben so es geringer und minder würdig erscheint, wenn durch dergleichen Ver¬ anlassungen Trauer oder Traurigkeit in der Seele eine vorherrschende Stimmung wird.
Wenden wir uns zur Geschichte der Entstehung der Trauer, so finden wir auch hier, daß es ein Hervortreten derselben aus zwei verschiedenen Regionen, der bewußten und unbewußten gebe, und so zwar, daß sie gleich der Freude, von beiden Regionen her um so leichter entstehen
Carus, Psyche. 18
wirken wieder betrübende, Trauer erregende erkannte Vor¬ ſtellungen ins Unbewußte, und das Erlöſchen der Freude kündigt ſich an im Verlangſamen von Puls und Athmen, die Strömungen des Blutes ziehen ſich aus den zarteſten Gefäßnetzen der Oberfläche zurück und der Menſch erbleicht, das Auge wird matt, kurz Alles wendet ſich ins Gegen¬ theil. Die Freude iſt vorüber.
2. Die Geſchichte der Trauer.
Zwiſchen Freude und Trauer findet ein ganz eigen¬ thümlicher Gegenſatz Statt; es zeigt ſich nämlich, daß kei¬ nesweges beide auf ganz gleicher Linie ſtehen, ſondern die letztere ſinkt gegen einen gewiſſen minder würdigen Zuſtand der Seele zurück, und es geht dies ſo weit, daß, wie etwa bei uns „traurig“ auch wohl für verkümmert, ver¬ ächtlich gebraucht zu werden pflegt, im Italieniſchen „tristo“ oft mit bösartig gleichbedeutend genommen wird. Geht man dem Grunde dieſer Begriffsverwandtſchaft nach, ſo kommt man darauf, daß in der Trauer eine gewiſſe Op¬ poſition und Unzufriedenheit in Bezug auf den nothwendi¬ gen organiſchen Gang der Weltordnung verborgen liege, und daß deßhalb nothwendig in demſelben Grade als es groß und bedeutend geachtet wird, wenn das, was wir „Freudigkeit“ genannt haben, ſich der ganzen Seele be¬ mächtigt und unter keinerlei Umſtänden, weder bei widrigen Begebenheiten und peinlichen Erfahrungen, noch bei körper¬ lichen Krankheiten, von uns weicht, eben ſo es geringer und minder würdig erſcheint, wenn durch dergleichen Ver¬ anlaſſungen Trauer oder Traurigkeit in der Seele eine vorherrſchende Stimmung wird.
Wenden wir uns zur Geſchichte der Entſtehung der Trauer, ſo finden wir auch hier, daß es ein Hervortreten derſelben aus zwei verſchiedenen Regionen, der bewußten und unbewußten gebe, und ſo zwar, daß ſie gleich der Freude, von beiden Regionen her um ſo leichter entſtehen
Carus, Pſyche. 18
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wirken wieder betrübende, Trauer erregende erkannte Vor¬
ſtellungen ins Unbewußte, und das Erlöſchen der Freude
kündigt ſich an im Verlangſamen von Puls und Athmen,
die Strömungen des Blutes ziehen ſich aus den zarteſten
Gefäßnetzen der Oberfläche zurück und der Menſch erbleicht,
das Auge wird matt, kurz Alles wendet ſich ins Gegen¬
theil. Die Freude iſt vorüber.
2. Die Geſchichte der Trauer.
Zwiſchen Freude und Trauer findet ein ganz eigen¬
thümlicher Gegenſatz Statt; es zeigt ſich nämlich, daß kei¬
nesweges beide auf ganz gleicher Linie ſtehen, ſondern die
letztere ſinkt gegen einen gewiſſen minder würdigen Zuſtand
der Seele zurück, und es geht dies ſo weit, daß, wie
etwa bei uns „traurig“ auch wohl für verkümmert, ver¬
ächtlich gebraucht zu werden pflegt, im Italieniſchen „tristo“
oft mit bösartig gleichbedeutend genommen wird. Geht
man dem Grunde dieſer Begriffsverwandtſchaft nach, ſo
kommt man darauf, daß in der Trauer eine gewiſſe Op¬
poſition und Unzufriedenheit in Bezug auf den nothwendi¬
gen organiſchen Gang der Weltordnung verborgen liege,
und daß deßhalb nothwendig in demſelben Grade als es
groß und bedeutend geachtet wird, wenn das, was wir
„Freudigkeit“ genannt haben, ſich der ganzen Seele be¬
mächtigt und unter keinerlei Umſtänden, weder bei widrigen
Begebenheiten und peinlichen Erfahrungen, noch bei körper¬
lichen Krankheiten, von uns weicht, eben ſo es geringer
und minder würdig erſcheint, wenn durch dergleichen Ver¬
anlaſſungen Trauer oder Traurigkeit in der Seele eine
vorherrſchende Stimmung wird.
Wenden wir uns zur Geſchichte der Entſtehung der
Trauer, ſo finden wir auch hier, daß es ein Hervortreten
derſelben aus zwei verſchiedenen Regionen, der bewußten
und unbewußten gebe, und ſo zwar, daß ſie gleich der
Freude, von beiden Regionen her um ſo leichter entſtehen
Carus, Pſyche. 18
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/289>, abgerufen am 21.11.2024.
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