Der Schlüssel zur Erkenntniß vom Wesen des bewußten Seelenlebens liegt in der Region des Unbewußtseins. Alle Schwierigkeit, ja alle schein¬ bare Unmöglichkeit eines wahren Verständnisses vom Ge¬ heimniß der Seele wird von hier aus deutlich. Wäre es eine absolute Unmöglichkeit, im Bewußten das Unbewußte zu finden, so müßte der Mensch verzweifeln zum Erkennen seiner Seele, d. h. zur eigentlichen Selbsterkenntniß zu gelangen. Ist diese Unmöglichkeit nur eine scheinbare, so ist es die erste Aufgabe der Wissenschaft von der Seele, darzulegen, auf welche Weise der Geist des Menschen in diese Tiefen hinabzusteigen vermöge.
Ehe jedoch dergleichen versucht wird, ist zu erwägen, in wie fern denn wirklich das unbewußte Seelenleben die Basis des bewußten genannt werden dürfe?
Daß fortwährend der bei weitem größte Theil des Reiches unseres Seelenlebens im Unbewußtsein ruht, kann der erste Blick in's innere Leben uns lehren. Wir besitzen zu jeder Zeit, während wir nur einiger wenigen Vorstel¬ lungen uns wirklich bewußt sind, Tausende von Vorstellun¬ gen, welche doch durchaus dem Bewußtsein entzogen sind, welche in diesem Augenblicke nicht gewußt werden und doch da sind, und folglich zeigen, daß der größte Theil des Seelenlebens in die Nacht des Unbewußtseins fällt.
Carus, Psyche. 1
Der Schlüſſel zur Erkenntniß vom Weſen des bewußten Seelenlebens liegt in der Region des Unbewußtſeins. Alle Schwierigkeit, ja alle ſchein¬ bare Unmöglichkeit eines wahren Verſtändniſſes vom Ge¬ heimniß der Seele wird von hier aus deutlich. Wäre es eine abſolute Unmöglichkeit, im Bewußten das Unbewußte zu finden, ſo müßte der Menſch verzweifeln zum Erkennen ſeiner Seele, d. h. zur eigentlichen Selbſterkenntniß zu gelangen. Iſt dieſe Unmöglichkeit nur eine ſcheinbare, ſo iſt es die erſte Aufgabe der Wiſſenſchaft von der Seele, darzulegen, auf welche Weiſe der Geiſt des Menſchen in dieſe Tiefen hinabzuſteigen vermöge.
Ehe jedoch dergleichen verſucht wird, iſt zu erwägen, in wie fern denn wirklich das unbewußte Seelenleben die Baſis des bewußten genannt werden dürfe?
Daß fortwährend der bei weitem größte Theil des Reiches unſeres Seelenlebens im Unbewußtſein ruht, kann der erſte Blick in's innere Leben uns lehren. Wir beſitzen zu jeder Zeit, während wir nur einiger wenigen Vorſtel¬ lungen uns wirklich bewußt ſind, Tauſende von Vorſtellun¬ gen, welche doch durchaus dem Bewußtſein entzogen ſind, welche in dieſem Augenblicke nicht gewußt werden und doch da ſind, und folglich zeigen, daß der größte Theil des Seelenlebens in die Nacht des Unbewußtſeins fällt.
Carus, Pſyche. 1
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bare Unmöglichkeit eines wahren Verſtändniſſes vom Ge¬
heimniß der Seele wird von hier aus deutlich. Wäre es
eine abſolute Unmöglichkeit, im Bewußten das Unbewußte
zu finden, ſo müßte der Menſch verzweifeln zum Erkennen
ſeiner Seele, d. h. zur eigentlichen Selbſterkenntniß zu
gelangen. Iſt dieſe Unmöglichkeit nur eine ſcheinbare, ſo
iſt es die erſte Aufgabe der Wiſſenſchaft von der Seele,
darzulegen, auf welche Weiſe der Geiſt des Menſchen in
dieſe Tiefen hinabzuſteigen vermöge.
Ehe jedoch dergleichen verſucht wird, iſt zu erwägen,
in wie fern denn wirklich das unbewußte Seelenleben die
Baſis des bewußten genannt werden dürfe?
Daß fortwährend der bei weitem größte Theil des
Reiches unſeres Seelenlebens im Unbewußtſein ruht, kann
der erſte Blick in's innere Leben uns lehren. Wir beſitzen
zu jeder Zeit, während wir nur einiger wenigen Vorſtel¬
lungen uns wirklich bewußt ſind, Tauſende von Vorſtellun¬
gen, welche doch durchaus dem Bewußtſein entzogen ſind,
welche in dieſem Augenblicke nicht gewußt werden und doch
da ſind, und folglich zeigen, daß der größte Theil des
Seelenlebens in die Nacht des Unbewußtſeins fällt.
Carus, Pſyche. 1
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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