ches im Menschen zu schließen, sondern ist berechtigt anzu- nehmen, daß, obwohl kein Blut unmittelbar vom Uterus zum Kinde übergehen kann, doch aus dem Blute selbst, durch die zwischen die Flocken der Hunter'schen Haut ein- dringenden Saugfasern der Lederhaut die Frucht ernährt werde. *)
§. 748.
Es ergiebt sich hieraus, daß eine währe Uterinplacenta im Menschen nicht angenommen werden kann (dahingegen bei mehrern Säugthieren [am deutlichsten bei den Wiederkäuern] eine solche allerdings existirt) und daß ihre Stelle hier einzig durch den flockigen Ueberzug der Hunter'schen Haut er- setzt wird. Dieser Ueberzug ist zugleich nebst der Anhef- tung des Eies selbst, die Ursache einer andern für die Zei- chenlehre der Schwangerschaft merkwürdigen Erscheinung, nämlich des Außenbleibens der Menstruation. Indem näm- lich die innere Fläche dergestalt sich umwandelt und das Ei selbst in eine festere Verbindung mit der Uterinfläche tritt, bleiben keine Oeffnungen übrig, durch welche wie früher, reines Blut ausfließen könnte, und wenn daher ja in den ersten Wochen der Schwangerschaft zuweilen noch einmal dieser Blutfluß erfolgt, so ist dieß bewirkt durch die jetzt nur erst an einigen Stellen erfolgte Anheftung des Eies, und soll späterhin, da das Blut nun für den Zweck der Ernährung der Frucht verwendet wird, dem Gange der Na- tur nach, nicht mehr Statt finden. -- Demungeachtet wogt der monatliche Typus auch im Körper der schwangern Frau fort, und es ist häufig, daß die Periode, wo die Menstrua- tion eigentlich erfolgen sollte, auch jetzt noch einige allge- meine Molimina ad Menstruationem (s. Thl. I. §. 119)
*) Diese Gegenstände sind auch vorzüglich wichtig, um über die Me- trorrhagien bei der Geburt eine naturgemäße Vorstellung zu er- halten. Uebrigens waren auch die Mündungen dieser Venenzellen schon ältern Forschern bekannt; man findet sie unter andern sehr gut abgebildet in B. Müller Uterus gravidus physiologice et pa- thologice consideratus. Gotting. 1725. 4.
ches im Menſchen zu ſchließen, ſondern iſt berechtigt anzu- nehmen, daß, obwohl kein Blut unmittelbar vom Uterus zum Kinde uͤbergehen kann, doch aus dem Blute ſelbſt, durch die zwiſchen die Flocken der Hunter’ſchen Haut ein- dringenden Saugfaſern der Lederhaut die Frucht ernaͤhrt werde. *)
§. 748.
Es ergiebt ſich hieraus, daß eine waͤhre Uterinplacenta im Menſchen nicht angenommen werden kann (dahingegen bei mehrern Saͤugthieren [am deutlichſten bei den Wiederkaͤuern] eine ſolche allerdings exiſtirt) und daß ihre Stelle hier einzig durch den flockigen Ueberzug der Hunter’ſchen Haut er- ſetzt wird. Dieſer Ueberzug iſt zugleich nebſt der Anhef- tung des Eies ſelbſt, die Urſache einer andern fuͤr die Zei- chenlehre der Schwangerſchaft merkwuͤrdigen Erſcheinung, naͤmlich des Außenbleibens der Menſtruation. Indem naͤm- lich die innere Flaͤche dergeſtalt ſich umwandelt und das Ei ſelbſt in eine feſtere Verbindung mit der Uterinflaͤche tritt, bleiben keine Oeffnungen uͤbrig, durch welche wie fruͤher, reines Blut ausfließen koͤnnte, und wenn daher ja in den erſten Wochen der Schwangerſchaft zuweilen noch einmal dieſer Blutfluß erfolgt, ſo iſt dieß bewirkt durch die jetzt nur erſt an einigen Stellen erfolgte Anheftung des Eies, und ſoll ſpaͤterhin, da das Blut nun fuͤr den Zweck der Ernaͤhrung der Frucht verwendet wird, dem Gange der Na- tur nach, nicht mehr Statt finden. — Demungeachtet wogt der monatliche Typus auch im Koͤrper der ſchwangern Frau fort, und es iſt haͤufig, daß die Periode, wo die Menſtrua- tion eigentlich erfolgen ſollte, auch jetzt noch einige allge- meine Molimina ad Menstruationem (ſ. Thl. I. §. 119)
*) Dieſe Gegenſtaͤnde ſind auch vorzuͤglich wichtig, um uͤber die Me- trorrhagien bei der Geburt eine naturgemaͤße Vorſtellung zu er- halten. Uebrigens waren auch die Muͤndungen dieſer Venenzellen ſchon aͤltern Forſchern bekannt; man findet ſie unter andern ſehr gut abgebildet in B. Müller Uterus gravidus physiologice et pa- thologice consideratus. Gotting. 1725. 4.
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ches im Menſchen zu ſchließen, ſondern iſt berechtigt anzu-
nehmen, daß, obwohl kein Blut unmittelbar vom Uterus zum
Kinde uͤbergehen kann, doch aus dem Blute ſelbſt,
durch die zwiſchen die Flocken der Hunter’ſchen Haut ein-
dringenden Saugfaſern der Lederhaut die Frucht ernaͤhrt
werde. *)
§. 748.
Es ergiebt ſich hieraus, daß eine waͤhre Uterinplacenta
im Menſchen nicht angenommen werden kann (dahingegen bei
mehrern Saͤugthieren [am deutlichſten bei den Wiederkaͤuern]
eine ſolche allerdings exiſtirt) und daß ihre Stelle hier einzig
durch den flockigen Ueberzug der Hunter’ſchen Haut er-
ſetzt wird. Dieſer Ueberzug iſt zugleich nebſt der Anhef-
tung des Eies ſelbſt, die Urſache einer andern fuͤr die Zei-
chenlehre der Schwangerſchaft merkwuͤrdigen Erſcheinung,
naͤmlich des Außenbleibens der Menſtruation. Indem naͤm-
lich die innere Flaͤche dergeſtalt ſich umwandelt und das
Ei ſelbſt in eine feſtere Verbindung mit der Uterinflaͤche
tritt, bleiben keine Oeffnungen uͤbrig, durch welche wie
fruͤher, reines Blut ausfließen koͤnnte, und wenn daher ja in
den erſten Wochen der Schwangerſchaft zuweilen noch einmal
dieſer Blutfluß erfolgt, ſo iſt dieß bewirkt durch die jetzt
nur erſt an einigen Stellen erfolgte Anheftung des Eies,
und ſoll ſpaͤterhin, da das Blut nun fuͤr den Zweck der
Ernaͤhrung der Frucht verwendet wird, dem Gange der Na-
tur nach, nicht mehr Statt finden. — Demungeachtet wogt
der monatliche Typus auch im Koͤrper der ſchwangern Frau
fort, und es iſt haͤufig, daß die Periode, wo die Menſtrua-
tion eigentlich erfolgen ſollte, auch jetzt noch einige allge-
meine Molimina ad Menstruationem (ſ. Thl. I. §. 119)
*) Dieſe Gegenſtaͤnde ſind auch vorzuͤglich wichtig, um uͤber die Me-
trorrhagien bei der Geburt eine naturgemaͤße Vorſtellung zu er-
halten. Uebrigens waren auch die Muͤndungen dieſer Venenzellen
ſchon aͤltern Forſchern bekannt; man findet ſie unter andern ſehr
gut abgebildet in B. Müller Uterus gravidus physiologice et pa-
thologice consideratus. Gotting. 1725. 4.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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