entspringen. In wiefern aber diese Nabelschlagadern ein vorzüglich venöses Blut nach der Oberfläche des Eies schaffen, so daß es hier mit dem mütterlichen Körper (wel- cher gleichsam die Erde und die Atmosphäre des Fetus eben so darstellt, wie die wirkliche Erde und ihre Atmosphäre sich für den geborenen Lungenathmenden Menschen) eben so in Berührung kommen muß wie das Blut der Lungenarterien nach der Geburt mit der Luft, so können wir diesen Blutlauf dem sogenannten kleinen später eintreffenden Kreislaufe gleich- stellen (s. oben die Gründe für die Respiration durch die Placenta), und werden hierdurch ferner auf eine merkwürdige Verwandtschaft der Athmungs- und Geschlechtswerkzeuge auf- merksam gemacht. Wir sehen nämlich das Geschlechtssystem und die Harnwerkzeuge offenbar von den Zweigen der ab- steigenden Aorta gleichsam an den niedrigern venösen Pol oder Endpunkt des Körpers gebildet, wie an dem obern ar- teriellen Pol oder Endpunkte die sensoriellen Organe sich aus- bilden.
§. 735.
Zurück zum Fetus kehrt das Blut durch die einfache Navelvene, und physiologisch merkwürdig ist hier wieder die Hinwendung dieses Gefäßes zur Leber, welche als ein Ab- sonderungsorgan für brennliche Stoffe zur Befreiung des Blu- tes von ähnlichen Bestandtheilen, und somit (auf negative Weise) auch zur vermehrten Oxydation des Blutes beiträgt. Ein Theil des Blutes der Nabelvene strömt nämlich durch den Ductus venosus Arantii (die eigentliche Fortsetzung ih- res Stammes) unmittelbar in die untere Holvene, ein ande- rer Theil verbindet sich mit der (ihrer Entstehung nach durch die Vena omphalomeseraica bedingten) Vena portarum, um mit dem Blute dieser sich noch einmal in der Leber zu ver- breiten, und nach Abscheidung eines Theils ihres Kohlenstoffs ebenfalls in die untere Hohlvene sich zu ergießen. Diese untere Hohlvene also erhält ein großes Uebergewicht an Blut, wel- ches theils positiv an der Oberfläche des Eies oxydirt, theils negativ durch Ausscheidung gröberer Stoffe in der Leber gereinigt worden ist, und tritt sonach für das
entſpringen. In wiefern aber dieſe Nabelſchlagadern ein vorzuͤglich venoͤſes Blut nach der Oberflaͤche des Eies ſchaffen, ſo daß es hier mit dem muͤtterlichen Koͤrper (wel- cher gleichſam die Erde und die Atmosphaͤre des Fetus eben ſo darſtellt, wie die wirkliche Erde und ihre Atmosphaͤre ſich fuͤr den geborenen Lungenathmenden Menſchen) eben ſo in Beruͤhrung kommen muß wie das Blut der Lungenarterien nach der Geburt mit der Luft, ſo koͤnnen wir dieſen Blutlauf dem ſogenannten kleinen ſpaͤter eintreffenden Kreislaufe gleich- ſtellen (ſ. oben die Gruͤnde fuͤr die Reſpiration durch die Placenta), und werden hierdurch ferner auf eine merkwuͤrdige Verwandtſchaft der Athmungs- und Geſchlechtswerkzeuge auf- merkſam gemacht. Wir ſehen naͤmlich das Geſchlechtsſyſtem und die Harnwerkzeuge offenbar von den Zweigen der ab- ſteigenden Aorta gleichſam an den niedrigern venoͤſen Pol oder Endpunkt des Koͤrpers gebildet, wie an dem obern ar- teriellen Pol oder Endpunkte die ſenſoriellen Organe ſich aus- bilden.
§. 735.
Zuruͤck zum Fetus kehrt das Blut durch die einfache Navelvene, und phyſiologiſch merkwuͤrdig iſt hier wieder die Hinwendung dieſes Gefaͤßes zur Leber, welche als ein Ab- ſonderungsorgan fuͤr brennliche Stoffe zur Befreiung des Blu- tes von aͤhnlichen Beſtandtheilen, und ſomit (auf negative Weiſe) auch zur vermehrten Oxydation des Blutes beitraͤgt. Ein Theil des Blutes der Nabelvene ſtroͤmt naͤmlich durch den Ductus venosus Arantii (die eigentliche Fortſetzung ih- res Stammes) unmittelbar in die untere Holvene, ein ande- rer Theil verbindet ſich mit der (ihrer Entſtehung nach durch die Vena omphalomeseraica bedingten) Vena portarum, um mit dem Blute dieſer ſich noch einmal in der Leber zu ver- breiten, und nach Abſcheidung eines Theils ihres Kohlenſtoffs ebenfalls in die untere Hohlvene ſich zu ergießen. Dieſe untere Hohlvene alſo erhaͤlt ein großes Uebergewicht an Blut, wel- ches theils poſitiv an der Oberflaͤche des Eies oxydirt, theils negativ durch Ausſcheidung groͤberer Stoffe in der Leber gereinigt worden iſt, und tritt ſonach fuͤr das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0079"n="57"/>
entſpringen. In wiefern aber dieſe Nabelſchlagadern ein<lb/>
vorzuͤglich venoͤſes Blut nach der Oberflaͤche des Eies<lb/>ſchaffen, ſo daß es hier mit dem muͤtterlichen Koͤrper (wel-<lb/>
cher gleichſam die Erde und die Atmosphaͤre des Fetus eben<lb/>ſo darſtellt, wie die wirkliche Erde und ihre Atmosphaͤre ſich<lb/>
fuͤr den geborenen Lungenathmenden Menſchen) eben ſo in<lb/>
Beruͤhrung kommen muß wie das Blut der Lungenarterien<lb/>
nach der Geburt mit der Luft, ſo koͤnnen wir dieſen Blutlauf<lb/>
dem ſogenannten kleinen ſpaͤter eintreffenden Kreislaufe gleich-<lb/>ſtellen (ſ. oben die Gruͤnde fuͤr die Reſpiration durch die<lb/>
Placenta), und werden hierdurch ferner auf eine merkwuͤrdige<lb/>
Verwandtſchaft der Athmungs- und Geſchlechtswerkzeuge auf-<lb/>
merkſam gemacht. Wir ſehen naͤmlich das Geſchlechtsſyſtem<lb/>
und die Harnwerkzeuge offenbar von den Zweigen der ab-<lb/>ſteigenden Aorta gleichſam an den niedrigern venoͤſen Pol<lb/>
oder Endpunkt des Koͤrpers gebildet, wie an dem obern ar-<lb/>
teriellen Pol oder Endpunkte die ſenſoriellen Organe ſich aus-<lb/>
bilden.</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 735.</head><lb/><p>Zuruͤck zum Fetus kehrt das Blut durch die einfache<lb/>
Navelvene, und phyſiologiſch merkwuͤrdig iſt hier wieder die<lb/>
Hinwendung dieſes Gefaͤßes zur Leber, welche als ein Ab-<lb/>ſonderungsorgan fuͤr brennliche Stoffe zur Befreiung des Blu-<lb/>
tes von aͤhnlichen Beſtandtheilen, und ſomit (auf negative<lb/>
Weiſe) auch zur vermehrten Oxydation des Blutes beitraͤgt.<lb/>
Ein Theil des Blutes der Nabelvene ſtroͤmt naͤmlich durch<lb/>
den <hirendition="#aq">Ductus venosus Arantii</hi> (die eigentliche Fortſetzung ih-<lb/>
res Stammes) unmittelbar in die untere Holvene, ein ande-<lb/>
rer Theil verbindet ſich mit der (ihrer Entſtehung nach durch<lb/>
die <hirendition="#aq">Vena omphalomeseraica</hi> bedingten) <hirendition="#aq">Vena portarum,</hi><lb/>
um mit dem Blute dieſer ſich noch einmal in der Leber zu ver-<lb/>
breiten, und nach Abſcheidung eines Theils ihres Kohlenſtoffs<lb/>
ebenfalls in die untere Hohlvene ſich zu ergießen. Dieſe untere<lb/>
Hohlvene alſo erhaͤlt ein großes Uebergewicht an Blut, wel-<lb/>
ches theils poſitiv an der Oberflaͤche des Eies oxydirt,<lb/>
theils negativ durch Ausſcheidung groͤberer Stoffe in<lb/>
der Leber gereinigt worden iſt, und tritt ſonach fuͤr das<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[57/0079]
entſpringen. In wiefern aber dieſe Nabelſchlagadern ein
vorzuͤglich venoͤſes Blut nach der Oberflaͤche des Eies
ſchaffen, ſo daß es hier mit dem muͤtterlichen Koͤrper (wel-
cher gleichſam die Erde und die Atmosphaͤre des Fetus eben
ſo darſtellt, wie die wirkliche Erde und ihre Atmosphaͤre ſich
fuͤr den geborenen Lungenathmenden Menſchen) eben ſo in
Beruͤhrung kommen muß wie das Blut der Lungenarterien
nach der Geburt mit der Luft, ſo koͤnnen wir dieſen Blutlauf
dem ſogenannten kleinen ſpaͤter eintreffenden Kreislaufe gleich-
ſtellen (ſ. oben die Gruͤnde fuͤr die Reſpiration durch die
Placenta), und werden hierdurch ferner auf eine merkwuͤrdige
Verwandtſchaft der Athmungs- und Geſchlechtswerkzeuge auf-
merkſam gemacht. Wir ſehen naͤmlich das Geſchlechtsſyſtem
und die Harnwerkzeuge offenbar von den Zweigen der ab-
ſteigenden Aorta gleichſam an den niedrigern venoͤſen Pol
oder Endpunkt des Koͤrpers gebildet, wie an dem obern ar-
teriellen Pol oder Endpunkte die ſenſoriellen Organe ſich aus-
bilden.
§. 735.
Zuruͤck zum Fetus kehrt das Blut durch die einfache
Navelvene, und phyſiologiſch merkwuͤrdig iſt hier wieder die
Hinwendung dieſes Gefaͤßes zur Leber, welche als ein Ab-
ſonderungsorgan fuͤr brennliche Stoffe zur Befreiung des Blu-
tes von aͤhnlichen Beſtandtheilen, und ſomit (auf negative
Weiſe) auch zur vermehrten Oxydation des Blutes beitraͤgt.
Ein Theil des Blutes der Nabelvene ſtroͤmt naͤmlich durch
den Ductus venosus Arantii (die eigentliche Fortſetzung ih-
res Stammes) unmittelbar in die untere Holvene, ein ande-
rer Theil verbindet ſich mit der (ihrer Entſtehung nach durch
die Vena omphalomeseraica bedingten) Vena portarum,
um mit dem Blute dieſer ſich noch einmal in der Leber zu ver-
breiten, und nach Abſcheidung eines Theils ihres Kohlenſtoffs
ebenfalls in die untere Hohlvene ſich zu ergießen. Dieſe untere
Hohlvene alſo erhaͤlt ein großes Uebergewicht an Blut, wel-
ches theils poſitiv an der Oberflaͤche des Eies oxydirt,
theils negativ durch Ausſcheidung groͤberer Stoffe in
der Leber gereinigt worden iſt, und tritt ſonach fuͤr das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/79>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.