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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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Geschlechtstheile (Nichtstillen, Nachwehen, Geschwülste, Verlez-
zungen u. s. w.). Ja es ist allerdings zuweilen der Fall,
daß der vermehrte Eintritt der Milch in die Brüste mit einer
allgemeinen Bewegung des Gefäßsystems erfolgt, welche durch
einen Schauer angekündigt wird, eben so wie ohngefähr die
Aufnahme von Chylus in das Blut nach dem Genusse der
Speisen vermehrte Gefäßthätigkeit anregt. Endlich aber kann
ein ähnlicher leichter Frostanfall auch entstehen durch Abstoßung
der Reste der hinfälligen Haut auf der innern Uterinfläche,
womit sich ja nicht selten eine innere oberflächliche Eiterung
verbindet, welche Anfälle sich dann analog den bei beginnendem
Brand oder Eiterungsproceß sich stets zu erkennen gebenden
Frost-Anfällen erweisen.

§. 1608.

Man erkennt hieraus welch ein vielgestaltiges Ding das
sogenannte Milchfieber eigentlich ist, und aus wie vielerlei Ur-
sachen es zu Stande kommen kann, und wird sich zugleich,
wenn man weiß aus welchen scheinbar unbedeutenden Krank-
heitszuständen bei Wöchnerinnen oft plötzlich die heftigsten
Krankheiten sich entwickeln, überzeugen, wie wichtig es sey,
bei diesen leichten Fieberanfällen immer die veranlassende Ur-
sache scharf ins Auge zu fassen, und danach Prognose und
Behandlung zu bestimmen. -- Was die Prognose nämlich
insbesondre betrifft, so ist sie zwar im Allgemeinen allerdings
günstig zu stellen, da die Fieberanfälle nicht sehr heftig sind
und gewöhnlich in 2 bis 3 Tagen sich völlig zu verlieren pflegen;
allein nie ist zu übersehen, daß, jemehr bei denselben irgend
eine der wichtigern Wochenfunktionen gestört, jemehr vornehmlich
die Rückbildung des Uterus dabei gehindert ist, die innern
Genitalien sehr gereizt, oder die Unterleibsorgane überhaupt
afficirt sind, um so übler auch die Prognose und um so leichter
der Uebergang in Kindbettfieber werden müsse.

§. 1609.

Anbelangend die Behandlung des Milchfiebers, so kann
diese in den meisten Fällen sehr einfach seyn. Ein leichtern

Geſchlechtstheile (Nichtſtillen, Nachwehen, Geſchwuͤlſte, Verlez-
zungen u. ſ. w.). Ja es iſt allerdings zuweilen der Fall,
daß der vermehrte Eintritt der Milch in die Bruͤſte mit einer
allgemeinen Bewegung des Gefaͤßſyſtems erfolgt, welche durch
einen Schauer angekuͤndigt wird, eben ſo wie ohngefaͤhr die
Aufnahme von Chylus in das Blut nach dem Genuſſe der
Speiſen vermehrte Gefaͤßthaͤtigkeit anregt. Endlich aber kann
ein aͤhnlicher leichter Froſtanfall auch entſtehen durch Abſtoßung
der Reſte der hinfaͤlligen Haut auf der innern Uterinflaͤche,
womit ſich ja nicht ſelten eine innere oberflaͤchliche Eiterung
verbindet, welche Anfaͤlle ſich dann analog den bei beginnendem
Brand oder Eiterungsproceß ſich ſtets zu erkennen gebenden
Froſt-Anfaͤllen erweiſen.

§. 1608.

Man erkennt hieraus welch ein vielgeſtaltiges Ding das
ſogenannte Milchfieber eigentlich iſt, und aus wie vielerlei Ur-
ſachen es zu Stande kommen kann, und wird ſich zugleich,
wenn man weiß aus welchen ſcheinbar unbedeutenden Krank-
heitszuſtaͤnden bei Woͤchnerinnen oft ploͤtzlich die heftigſten
Krankheiten ſich entwickeln, uͤberzeugen, wie wichtig es ſey,
bei dieſen leichten Fieberanfaͤllen immer die veranlaſſende Ur-
ſache ſcharf ins Auge zu faſſen, und danach Prognoſe und
Behandlung zu beſtimmen. — Was die Prognoſe naͤmlich
insbeſondre betrifft, ſo iſt ſie zwar im Allgemeinen allerdings
guͤnſtig zu ſtellen, da die Fieberanfaͤlle nicht ſehr heftig ſind
und gewoͤhnlich in 2 bis 3 Tagen ſich voͤllig zu verlieren pflegen;
allein nie iſt zu uͤberſehen, daß, jemehr bei denſelben irgend
eine der wichtigern Wochenfunktionen geſtoͤrt, jemehr vornehmlich
die Ruͤckbildung des Uterus dabei gehindert iſt, die innern
Genitalien ſehr gereizt, oder die Unterleibsorgane uͤberhaupt
afficirt ſind, um ſo uͤbler auch die Prognoſe und um ſo leichter
der Uebergang in Kindbettfieber werden muͤſſe.

§. 1609.

Anbelangend die Behandlung des Milchfiebers, ſo kann
dieſe in den meiſten Faͤllen ſehr einfach ſeyn. Ein leichtern

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[571/0597] Geſchlechtstheile (Nichtſtillen, Nachwehen, Geſchwuͤlſte, Verlez- zungen u. ſ. w.). Ja es iſt allerdings zuweilen der Fall, daß der vermehrte Eintritt der Milch in die Bruͤſte mit einer allgemeinen Bewegung des Gefaͤßſyſtems erfolgt, welche durch einen Schauer angekuͤndigt wird, eben ſo wie ohngefaͤhr die Aufnahme von Chylus in das Blut nach dem Genuſſe der Speiſen vermehrte Gefaͤßthaͤtigkeit anregt. Endlich aber kann ein aͤhnlicher leichter Froſtanfall auch entſtehen durch Abſtoßung der Reſte der hinfaͤlligen Haut auf der innern Uterinflaͤche, womit ſich ja nicht ſelten eine innere oberflaͤchliche Eiterung verbindet, welche Anfaͤlle ſich dann analog den bei beginnendem Brand oder Eiterungsproceß ſich ſtets zu erkennen gebenden Froſt-Anfaͤllen erweiſen. §. 1608. Man erkennt hieraus welch ein vielgeſtaltiges Ding das ſogenannte Milchfieber eigentlich iſt, und aus wie vielerlei Ur- ſachen es zu Stande kommen kann, und wird ſich zugleich, wenn man weiß aus welchen ſcheinbar unbedeutenden Krank- heitszuſtaͤnden bei Woͤchnerinnen oft ploͤtzlich die heftigſten Krankheiten ſich entwickeln, uͤberzeugen, wie wichtig es ſey, bei dieſen leichten Fieberanfaͤllen immer die veranlaſſende Ur- ſache ſcharf ins Auge zu faſſen, und danach Prognoſe und Behandlung zu beſtimmen. — Was die Prognoſe naͤmlich insbeſondre betrifft, ſo iſt ſie zwar im Allgemeinen allerdings guͤnſtig zu ſtellen, da die Fieberanfaͤlle nicht ſehr heftig ſind und gewoͤhnlich in 2 bis 3 Tagen ſich voͤllig zu verlieren pflegen; allein nie iſt zu uͤberſehen, daß, jemehr bei denſelben irgend eine der wichtigern Wochenfunktionen geſtoͤrt, jemehr vornehmlich die Ruͤckbildung des Uterus dabei gehindert iſt, die innern Genitalien ſehr gereizt, oder die Unterleibsorgane uͤberhaupt afficirt ſind, um ſo uͤbler auch die Prognoſe und um ſo leichter der Uebergang in Kindbettfieber werden muͤſſe. §. 1609. Anbelangend die Behandlung des Milchfiebers, ſo kann dieſe in den meiſten Faͤllen ſehr einfach ſeyn. Ein leichtern

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/597>, abgerufen am 21.11.2024.