Gegensatz die Lendenwirbel und das Promontorium sehr her- vorgetrieben sind), und endlich die Geschichte früherer Gebur- ten, da denn mehrere schwer beendigte Geburten mit ziemli- cher Sicherheit auf ein schlechtes und enges Becken schließen lassen, aber umgekehrt allerdings, auch wo früher mehrere leichte Geburten Statt gefunden haben, späterhin das Becken doch verengert seyn kann *). Andern Theils aber läßt die innere Untersuchung, und zwar am zuverläßigsten, die Zeichen der Verengerung erkennen, nur daß man, um die vorzüglich wichtige und auch am öftersten vorkommende Verengerung der Conjugata zu bestimmen, oft das Eingehen mit ganzer Hand (welches freilich völlige Eröffnung des Muttermundes voraus- setzt) nöthig haben wird, da nur bei sehr niedrigem Becken das Erreichen des Vorbergs mit ein oder zwei Fingern (wie mich häufige Ausmessungen an Leichnamen überzeugt haben) möglich ist **).
§. 1418.
Die Zeichen der übrigen Geburtshindernden Abnormi- täten des Beckens betreffend, so erkennt man das zu stark geneigte Becken an den weit nach hinten stehenden äußern Genitalien, der schief einwärts gerichteten Fläche der Scham- fuge und dem stark überhängenden schwangern Leibe, das zu sehr gekrümmte Becken an der tief eingedrückten Kreuz- gegend, und anderweitigen als Kyphosis oder Lordosis er- scheinenden stärkern Krümmungen der Wirbelsäule; endlich das zu hohe an der Schwierigkeit, Muttermund und Kindes- theil zu erreichen, so wie durch Beachtung allgemeiner größe-
*) Hierher gehört der merkwürdige Fall, wo nach neun leichten Nie- derkunften sich das Becken dergestalt verengerte, daß der Kaiser- schnitt nöthig wurde; s. Stein Geschichte einer Kaisergeburt. Cassel 1783.
**) Meistens wird in Lehrbüchern gesagt, man solle um das Becken zu messen, den Zeigefinger an das Promontorium, den Daumen an den Schambogen setzen, allein man fügt nicht hinzu daß dieses Verfahren nur selten ausführbar ist.
Gegenſatz die Lendenwirbel und das Promontorium ſehr her- vorgetrieben ſind), und endlich die Geſchichte fruͤherer Gebur- ten, da denn mehrere ſchwer beendigte Geburten mit ziemli- cher Sicherheit auf ein ſchlechtes und enges Becken ſchließen laſſen, aber umgekehrt allerdings, auch wo fruͤher mehrere leichte Geburten Statt gefunden haben, ſpaͤterhin das Becken doch verengert ſeyn kann *). Andern Theils aber laͤßt die innere Unterſuchung, und zwar am zuverlaͤßigſten, die Zeichen der Verengerung erkennen, nur daß man, um die vorzuͤglich wichtige und auch am oͤfterſten vorkommende Verengerung der Conjugata zu beſtimmen, oft das Eingehen mit ganzer Hand (welches freilich voͤllige Eroͤffnung des Muttermundes voraus- ſetzt) noͤthig haben wird, da nur bei ſehr niedrigem Becken das Erreichen des Vorbergs mit ein oder zwei Fingern (wie mich haͤufige Ausmeſſungen an Leichnamen uͤberzeugt haben) moͤglich iſt **).
§. 1418.
Die Zeichen der uͤbrigen Geburtshindernden Abnormi- taͤten des Beckens betreffend, ſo erkennt man das zu ſtark geneigte Becken an den weit nach hinten ſtehenden aͤußern Genitalien, der ſchief einwaͤrts gerichteten Flaͤche der Scham- fuge und dem ſtark uͤberhaͤngenden ſchwangern Leibe, das zu ſehr gekruͤmmte Becken an der tief eingedruͤckten Kreuz- gegend, und anderweitigen als Kyphosis oder Lordosis er- ſcheinenden ſtaͤrkern Kruͤmmungen der Wirbelſaͤule; endlich das zu hohe an der Schwierigkeit, Muttermund und Kindes- theil zu erreichen, ſo wie durch Beachtung allgemeiner groͤße-
*) Hierher gehoͤrt der merkwuͤrdige Fall, wo nach neun leichten Nie- derkunften ſich das Becken dergeſtalt verengerte, daß der Kaiſer- ſchnitt noͤthig wurde; ſ. Stein Geſchichte einer Kaiſergeburt. Caſſel 1783.
**) Meiſtens wird in Lehrbuͤchern geſagt, man ſolle um das Becken zu meſſen, den Zeigefinger an das Promontorium, den Daumen an den Schambogen ſetzen, allein man fuͤgt nicht hinzu daß dieſes Verfahren nur ſelten ausfuͤhrbar iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0482"n="456"/>
Gegenſatz die Lendenwirbel und das <hirendition="#aq">Promontorium</hi>ſehr her-<lb/>
vorgetrieben ſind), und endlich die Geſchichte fruͤherer Gebur-<lb/>
ten, da denn mehrere ſchwer beendigte Geburten mit ziemli-<lb/>
cher Sicherheit auf ein ſchlechtes und enges Becken ſchließen<lb/>
laſſen, aber umgekehrt allerdings, auch wo fruͤher mehrere<lb/>
leichte Geburten Statt gefunden haben, ſpaͤterhin das Becken<lb/>
doch verengert ſeyn kann <noteplace="foot"n="*)">Hierher gehoͤrt der merkwuͤrdige Fall, wo nach neun leichten Nie-<lb/>
derkunften ſich das Becken dergeſtalt verengerte, daß der Kaiſer-<lb/>ſchnitt noͤthig wurde; ſ. <hirendition="#g">Stein</hi> Geſchichte einer Kaiſergeburt.<lb/>
Caſſel 1783.</note>. Andern Theils aber laͤßt die<lb/>
innere Unterſuchung, und zwar am zuverlaͤßigſten, die Zeichen<lb/>
der Verengerung erkennen, nur daß man, um die vorzuͤglich<lb/>
wichtige und auch am oͤfterſten vorkommende Verengerung der<lb/><hirendition="#aq">Conjugata</hi> zu beſtimmen, oft das Eingehen mit ganzer Hand<lb/>
(welches freilich voͤllige Eroͤffnung des Muttermundes voraus-<lb/>ſetzt) noͤthig haben wird, da nur bei ſehr niedrigem Becken<lb/>
das Erreichen des Vorbergs mit ein oder zwei Fingern (wie<lb/>
mich haͤufige Ausmeſſungen an Leichnamen uͤberzeugt haben)<lb/>
moͤglich iſt <noteplace="foot"n="**)">Meiſtens wird in Lehrbuͤchern geſagt, man ſolle um das Becken<lb/>
zu meſſen, den Zeigefinger an das <hirendition="#aq">Promontorium,</hi> den Daumen<lb/>
an den Schambogen ſetzen, allein man fuͤgt nicht hinzu daß dieſes<lb/>
Verfahren nur ſelten ausfuͤhrbar iſt.</note>.</p></div><lb/><divn="9"><head>§. 1418.</head><lb/><p>Die Zeichen der uͤbrigen Geburtshindernden Abnormi-<lb/>
taͤten des Beckens betreffend, ſo erkennt man das <hirendition="#g">zu ſtark<lb/>
geneigte</hi> Becken an den weit nach hinten ſtehenden aͤußern<lb/>
Genitalien, der ſchief einwaͤrts gerichteten Flaͤche der Scham-<lb/>
fuge und dem ſtark uͤberhaͤngenden ſchwangern Leibe, das <hirendition="#g">zu<lb/>ſehr gekruͤmmte Becken</hi> an der tief eingedruͤckten Kreuz-<lb/>
gegend, und anderweitigen als <hirendition="#aq">Kyphosis</hi> oder <hirendition="#aq">Lordosis</hi> er-<lb/>ſcheinenden ſtaͤrkern Kruͤmmungen der Wirbelſaͤule; endlich das<lb/><hirendition="#g">zu hohe</hi> an der Schwierigkeit, Muttermund und Kindes-<lb/>
theil zu erreichen, ſo wie durch Beachtung allgemeiner groͤße-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[456/0482]
Gegenſatz die Lendenwirbel und das Promontorium ſehr her-
vorgetrieben ſind), und endlich die Geſchichte fruͤherer Gebur-
ten, da denn mehrere ſchwer beendigte Geburten mit ziemli-
cher Sicherheit auf ein ſchlechtes und enges Becken ſchließen
laſſen, aber umgekehrt allerdings, auch wo fruͤher mehrere
leichte Geburten Statt gefunden haben, ſpaͤterhin das Becken
doch verengert ſeyn kann *). Andern Theils aber laͤßt die
innere Unterſuchung, und zwar am zuverlaͤßigſten, die Zeichen
der Verengerung erkennen, nur daß man, um die vorzuͤglich
wichtige und auch am oͤfterſten vorkommende Verengerung der
Conjugata zu beſtimmen, oft das Eingehen mit ganzer Hand
(welches freilich voͤllige Eroͤffnung des Muttermundes voraus-
ſetzt) noͤthig haben wird, da nur bei ſehr niedrigem Becken
das Erreichen des Vorbergs mit ein oder zwei Fingern (wie
mich haͤufige Ausmeſſungen an Leichnamen uͤberzeugt haben)
moͤglich iſt **).
§. 1418.
Die Zeichen der uͤbrigen Geburtshindernden Abnormi-
taͤten des Beckens betreffend, ſo erkennt man das zu ſtark
geneigte Becken an den weit nach hinten ſtehenden aͤußern
Genitalien, der ſchief einwaͤrts gerichteten Flaͤche der Scham-
fuge und dem ſtark uͤberhaͤngenden ſchwangern Leibe, das zu
ſehr gekruͤmmte Becken an der tief eingedruͤckten Kreuz-
gegend, und anderweitigen als Kyphosis oder Lordosis er-
ſcheinenden ſtaͤrkern Kruͤmmungen der Wirbelſaͤule; endlich das
zu hohe an der Schwierigkeit, Muttermund und Kindes-
theil zu erreichen, ſo wie durch Beachtung allgemeiner groͤße-
*) Hierher gehoͤrt der merkwuͤrdige Fall, wo nach neun leichten Nie-
derkunften ſich das Becken dergeſtalt verengerte, daß der Kaiſer-
ſchnitt noͤthig wurde; ſ. Stein Geſchichte einer Kaiſergeburt.
Caſſel 1783.
**) Meiſtens wird in Lehrbuͤchern geſagt, man ſolle um das Becken
zu meſſen, den Zeigefinger an das Promontorium, den Daumen
an den Schambogen ſetzen, allein man fuͤgt nicht hinzu daß dieſes
Verfahren nur ſelten ausfuͤhrbar iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/482>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.